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200 XVIII. Jahrgang. „ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU.“ No. 19. 1900/1901. Diese Diskussion hat wohl zur Klärung der Ansichten wesent lich beigetragen; allein die Gegensätze waren nicht geringer gewor den. Besonders hatte Herr Findeisen durch die Darlegung seiner Beobachtungen und Ansichten der Sache eine andere Wendung ge geben ; er wollte die Blitzableiter, ohne ihre Wirkung zu beeinträch tigen, billiger machen und schlug zu diesem Zwecke die Benutzung der metallenen Teile und Einrichtungen des Gebäudes in einem Um fange vor, wie es bis dahin noch nicht geschehen war. Der Unterausschuß mußte sich bald überzeugen, daß die An sichten der Fachgenossen noch nicht so weit übereinstimmten, um zu einer ins Einzelne gehenden Vorschrift gelangen zu können. Das Be dürfnis nach einer von autoritativer Seite ausgehenden Aeußerung über die Errichtung von Gebäude-Blitzableitern war aber vorhanden; es konnte nur dadurch befriedigt werden, daß die Grundlagen für den Blitzableiterbau zusammengestellt wurden, so weit darüber unter den Sachverständigen keine Meinungsverschiedenheit bestand. Dies war allerdings schon 1886 durch „Die Blitzgefahr, No. 1“ geschehen. Allein einerseits hatten sich unsere Anschauungen über die Erfordernisse eines Blitzableiters seitdem weiter entwickelt; an dererseits erschien es als ein Bedürfnis, die allgemein anerkannte Meinung in einer kurzen Form auszuspreehen, nicht wie damals in einer Abhandlung, sondern in wenigen kurzgefaßten Sätzen, ohne Einzelheiten, ohne Begründung. Auf diese Weise sollte zunächst eine Grundlage geschaffen werden für die weitere Entwickelung des Blitzableiterbaues. Es sollte aber außerdem den Kreisen, die außerhalb der Elektrotechnik stehen und sich für den Blitzableiter interessieren, der gegenwärtige Stand unserer Anschauungen in einer abgerundeten und von der Autorität unseres Vereines getragenen Form vorgeführt werden. Wir wenden uns an die Erbauer und Besitzer von Häusern und Gebäuden aller Art, an die Behörden, welche den Bau und die Unterhaltung von Gebäuden zu beaufsichtigen haben, an die Feuerversicherungs - Gesellschaften und Brandkassen. Ihnen wollen wir mit knappen Worten sagen, nach welchen Grundsätzen ein Blitzableiter zu erbauen und wie seine Wirksamkeit zu beurteilen ist. Auf diese Weise sind die Leitsätze entstanden, welche vor nahezu Jahresfrist schon einmal dem Verein Vorgelegen haben (vgl. „ETZ“ 1900, S. 340). Bei ihrer Diskussion am 22. Mai 1900 ergaben sich immerhin noch große Meinungsverschiedenheiten, daß der Unteraus schuß sie einer wiederholten Beratung unterziehen mußte. Der Haupt sache nach sind die Leitsätze nicht geändert worden ; es wurde fast nur eine andere Anordnung des Stoffes getroffen und der Ausdruck soweit geändert, daß auch die früher widersprechenden Mitglieder sich einverstanden erklären konnten. Der Technische Ausschuß ist nunmehr in der Lage, Ihnen den neuen Wortlaut zur Beschlußfassung vorzulegen. Indem ich nun die Leitsätze verlese, erlaube ich mir dabei die erforderliche Erläuterung bei jedem Satze einzusehalten. Der erste Satz stellt den Nutzen des Blitzableiters fest und spricht die Aufgabe aus, der die Leitsätze zu dienen haben. Der zweite Satz beschreibt den Blitzableiter in seinen wesent lichen und notwendigen Teilen. Der dritte Satz spricht von der Verwendung der metallenen j Gebäudeteile. Ueber diesen Punkt gingen vor einem Jahre die , Meinungen noch stark auseinander. Zwar finden wir die Grundlage dieses Satzes schon in der „Blitzgefahr, No. 1“ (Seite 12 unter e ) und Seite 30 und 31), und in der „Blitzgefahr, No. 2“ wird die Not- j Wendigkeit des Anschlusses der Rohrleitungen und anderer ausge- J dehntet' Metallmassen gründlich dargelegt. Allein in unseren Leit sätzen hat dieser Gegenstand noch eine andere Färbung bekommen, j Es ist das Verdienst Findeisens, auf diesen Punkt besonders nach drücklich hingewiesen zu haben. Er hat gezeigt, wie von der Be- ] nutzung der metallenen Gebäudeteile in erster Linie der Kostenpunkt | und damit die allgemeine Ausbreitung des Blitzableiters abhängt. J Der Satz 3 sagt, daß ein Haus mit reichlichen Metallteilen, welche unter einander und mit der Erde in richtiger Weise leitend verbun den sind, unter gegebenen Umständen eines weiteren Blitzschutzes nicht mehr bedarf. Er sagt aber weiter noch, daß es die Aufgabe des Architekten ist, schon bei der Aufstellung des Bauplans für die Bildung eines guten Blitzableiters aus den Metallteilen des Gebäudes zu sorgen. Der vierte Satz handelt von dem Grade des Schutzes, den ein Blitzableiter gewährt. Es wird hier mit Nachdruck der vielverbrei teten Meinung entgegengetreten, daß ein mangelhafter Blitzableiter ein Gefahr für die Gebäude bilde. Ein unvollkommener Blitzableiter bietet eben einen unvollkommenen Schutz, aber immer noch einen Schutz, keine Gefahr. Die Sätze 5, 6 und 7 behandeln Einzelheiten, die notwendigen Festsetzungen über Metallquerschnitte, Verbindungen und dgl., sowie über die Prüfung. Den Leitsätzen ist eine Anmerkung angehängt, welche einer seits auf die Veröffentlichungen des Vereins verweist, andererseits die von Herrn Findeisen gegebenen praktischen Anleitungen für die Errichtung von Gebäude-Blitzableitern empfiehlt. Herr Findeisen hat durch sein Eintreten in die Diskussion wesentlich zur Entwicklung unserer Ansichten beigetragen. Grundsätzlich war zwar das schon vorhanden, worauf er nachdrücklich hinwies, die Benutzung der metallenen Gebäudeteile; allein er verstand es, gerade diesem Punkte seine hohe praktische Bedeutung abzugewinnen, und es schien daher angemessen, seine erfolgreiche Mitwirkung auch besonders anzuer kennen. Zwar konnte der Verein sich nicht mit dem Buche in allen Einzelheiten identifizieren; aber es konnte festgesellt werden, daß die Grundlagen, auf denen Findeisen seine praktischen Anleitungen auf gebaut hatte, wesentlich dieselben seien, wie diejenigen, aus denen wir unsere Leitsätze entwickelt haben. Diese Feststellung hat noch eine weitere praktische Bedeutnng. Das Findeisensche Buch ist in Süddeutschland amtlich eingeführt; es ist für die Verbreitung unserer Leitsätze gewiß nur vorteilhaft, gleich auszusprechen, daß sie mit dem Findeisenschen Buche in wesentlicher Uebereinstimmung sind. Diese Leitsätze sind von Ihrem Unterausschüsse bestehend aus den Herren Aron, Feußner, Findeisen, Naglo, Neesen, Nippoldt, Strecker, Leonhard Weber, denen die Herren W. Kohlrausch (Han nover), Siemsen, Voller, Weinhold als Berater zur Seite standen, gutgeheißen worden. In fast allen Punkten geschah dies mit Ein stimmigkeit, in nur wenigen durch Abstimmung, wobei sich stets für die gewählte Fassung sehr große Majoritäten ergaben. Es steht zu hoffen, daß Angesichts dieses Umstandes der Entwurf in dieser Ver sammlung ohne längere Debatte gutgeheißen wird. Nach Annahme der Leitsätze soll der Unterausschuß bestehen bleiben. Er soll dafür sorgen, daß die Leitsätze stets mit den For derungen der Wissenschaft übereinstimmen und den Bedürfnissen der Praxis gerecht werden. Daher beantragt der Technische Ausschuß: „Der Unterausschuß für Untersuchungen über die Blitzgefahr bleibt bestehen und erhält den Auftrag, die Wirkung der Leitsätze zu beobachten und etwa notwendig erscheinede Aenderungen vor zuschlagen.“ Ich stelle nun im Aufträge des Technischen Ausschusses den Antrag, der Verein wolle beschließen, die vorliegenden Leitsätze als Aeußerung des Vereines zu veröffentlichen. Herr Professor Dr. Voller (Hamburg) sprach im Namen der Mitglieder und Berater des Unterausschusses, besonders auch der jenigen, die im vorigen Jahre der vorgelegten Fassung der Leitsätze widersprochen hatten, die Zustimmung zu der jetzigen Form aus, dankte in warmen Worten dem Referenten und befürwortete einstimmige Annahme der Leitsätze. Die gestellten zwei Anträge a) auf Annahme der Leitsätze und b) auf Weiter bestehen des Unterausschusses wurden von der Versammlung einstimmig angenommen. Der Vor sitzende dankte Namens des Vereins und der gesammten Elektro technik herzlich den Herren des Unterausschusses für die außer ordentliche Mühewaltung, mit welcher sie sich dieser Sache unter zogen haben. Leitsätze des Elektrotechnischen Vereins über den Schutz der Gebäude gegen den Blitz. 1. Der Blitzableiter gewährt den Gebäuden und ihrem Inhalte Schutz gegen Schädigung oder Entzündung durch den Blitz. Seine Anwendung in immer weiterem Umfange ist durch Vereinfachung seiner Einrichtung und Verringerung seiner Kosten zu fördern. 2. Der Blitzableiter besteht aus: a) den Anfangsvorrichtungen, b) den Gebäudeleitungen und c) den Erdleitungen. a) Die Auffangevorrichtungen sind emporragende Metallkörper, -Flächen oder Leitungen. Die erfahrungsgemäßen Einschlag stellen (Turm- oder Giebelspitzen, Firstkanten des Daches, hochgelegene Schornsteinköpfe und andere besonders empor ragende Gebäudeteile) werden am besten selbst als Auffange- vorriehtungen ausgebildet, oder mit solchen versehen. b) Die Gebäudeleitungen bilden eine zusammenhängende metal lische Verbindung der Auffangevorrichtungen mit den Erd leitungen ; sie sollen das Gebäude, namentlich das Dach, mög lichst allseitig umspannen und von den Auffangevorrichtungen auf den zulässig kürzesten Wegen und unter thunlichster Ver meidung schärferer Krümmungen zur Erde führen. e) Die Erdleitungen bestehen aus metallenen Leitungen, welche an den unteren Enden der Gebäudeleitungen anschließen und in den Erdboden eindringen; sie sollen sich hier unter Be vorzugung feuchter Stellen möglichst weit ausbreiten. 3. Metallene Gebäudeteile und größere Metallmassen in und am Gebäude, insbesondere solche, welche mit der Erde in groß flächiger Berührung stehen, wie Rohrleitungen, sind thunlichst unter sieh und mit dem Blitzableiter leitend zu verbinden. Insoweit sie den in den Leitsätzen 2, f> und 6 gestellten Forderungen entspre chen, sind besondere Auffangevorrichtungen, Gebäude- und Erd leitungen entbehrlich. Sowohl zur Vervollkommnung des Blitzablei ters als auch zur Verminderung seiner Kosten ist es von größtem Wert, daß schon beim Entwurf und bei der Ausführung neuer Ge bäude auf möglichste Ausnutzung der metallenen Bauteile, Rohrlei tungen und dgl. für die Zwecke des Blitzschutzes Rücksicht genom men wird.