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180 XVIII. Jahrgang. ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU.“ No. 17. 1900/1901. Man kann diese Systeme in drei große Klassen teilen: A. Verteilung mit Gleichstrom. B. Verteilung mit Mehrphasenstrom. C. Verteilung mit Gleichstrom und Mehrphasenstrom- A. Verteilung mit Gleichstrom. 1) Gewöhnliche Verteilung a 550 oder 600 Volt mit Speise- und Rück leitungen und einziger Zentrale. Diese für die städtischen Anlagen am meisten angewandte Ver teilung bedarf für die großen Straßenbahnnetze keiner besonderen Besprechung, weil die verhältnismäßig sehwache Spannung schnell zu übertriebenen Abschnitten für die Speise- und Rückleitungen führt. Die Vorteile und Uebelstände dieser Verteilung sind in dem uns beschäftigenden Fall einerseits: Einzelne Generatorstation, daher leichte Ueberwachung, billige Arbeitslöhne, unbedeutende Reserve, große Einheiten, geringer Kosten preis der nutzbaren Kilowattstunde, Sicherheit des Betriebes, be friedigender Anblick der Leitungen (besonders wenn man unterirdische Speise- und Rückleitungen benutzt), Gleichstrommotoren (daher für die Traktionsverhältnisse sehr geeignet), Beseitigung von Gefahr für das menschliche Leben. Andrerseits kann man diesem System folgende Nachteile vor werfen : Schnell mit der Entfernung sich vermehrende Verteilungs kosten, bedeutende Ladungsverluste, Gefahren der Elektrolyse und Störungen (wenigstens bedeutende Opfer), starke Schwächung bei der Verteilung. Die Fehler dieses Systems werden gewissermaßen durch ver ständige Benutzung von Bufferbatterien auf den Vorortslinien ver ringert. Die Verteilung kann dann wenigstens zum Teil berechnet werden, indem man als Basis die nötige Mittelkraft und nicht die Maximalkraft nimmt, außerdem können die Schienen von einem Teil des Rückstroms entladen werden, endlich verbessern die Batterien den Wirkungsgrad der Generatoreinheiten und gestatten auch im Notfall, ein besonderes Beleuchtungsnetz zu speisen. Unter gewöhnlichen Verhältnissen kann diese Verteilung nur für Linien von 8—10 km von der Zentrale empfohlen werden. 2. Dieselbe Verteilung, aber mit zwei oder mehreren Zentralen. Mit diesem System ist es thebretisch möglich, wenn der Platz für die Zentralen gut gewählt ist, die Verteilungslänge je nach der Anzahl der Centren zu verdoppeln, zu verdreifachen, zu vervierfachen etc. Mit dem Vorhergehenden verglichen, sind die Vorteile dieses Systems einerseits: Bedeutende Reduzierung der Speise- und Rückleitungen, Ver minderung der LadungsVerluste, Verringerung der Gefahren der Elektrolyse und Störungen, geringere Schwächung bei der Verteilung. Andrerseits führt die Vervielfältigung der Energieerzeugungs- Centren folgende Uebelstände herbei: Höhere Kosten der Intallationen der motorischen Kraft, weniger leichte Ueberwachung, höhere Arbeits löhne, bedeutendere Reserve, höherer Kostenpreis der nützlichen Kilowattstunde, bedeutendere Schwächung bei den Zentralanlagen. Wie bei dem ersten Fall vermindert die Anwendung von Buffer- Batterien natürlich in gewissem Maße die angegeben Uebelstände. Im Allgemeinen scheint dieses System rationell nur in dem Fall vewendbar, wenn ein oder mehrere nutzbare Wasserfälle längs der Linie und sehr nahe derselben vorhanden sind. 3.) Dieselbe Verteilung wie im ersten Fall, aber mit Ueber- und Unter volteuren auf der Zentrale (bestimmt, um gewissermassen die Verluste in den Speise- und Rückleitungen auszugleichen). Dieses System gestattet, ohne zu große Ladungsverluste die schon ziemlich lange und sich bis zu 15 oder 16 km von der Zentrale ausdehnenden Linien zu speisen; Hinzufügung von Bufferbatterien kann in gewissen Fällen noch die Aktionszone der Verteilung ver größern. Die Vorteile dieses Systems sind folgende: Einzige Zentrale, daher leichte Ueberwachung, aber billige Löhne, unbedeutende Reserve, große Einheiten. Außerdem wird das Kupfergewicht der Verteilung merklich verringert, die Linien zeigen ein befriedigendes Aeußere und die Gefahren der Elektrolyse und Störungen können abgelenkt werden; ' endlich gestattet die Benutzung von Uebervolteuren, die Aktionszone von einer vorhandenen Zentrale ohne Aenderung der Einheiten aus- j zudehnen, in gewissen Fällen ein großer Vorteil. Die Nachteile dieser Verteilung sind: Höherer Kostenpreis der nützlichen Kilowattstunde wie bei dem ersten System (in Folge der zu hohen oder zu niedrigen Voltzahl), etwas größere Kompliziertheit der Zentrale. In den meisten Fällen, wenigstens auf sehr langen oder sehr belasteten Vorstadtlinien, wird dieses System oft so viel Vorteile wie die Verteilung mit Mehrphasenstrom und Unterstations - Umformern zeigen. 4. Dreileiter-Verteilung, wobei die Schienen als neutrale Leitung dienen (550 bis 600 Volt auf jeder Brücke). Dieses System gestattet, die Verteilungsentfernung (20—22 km) bedeutend zu erweitern, indem man die bekannten ökonomischen Vorteile der Dreilelter-Verteilung benutzt. Es ist hierbei zu bemerken, daß die neutrale Leitung in diesem Falle nichts kostet, weil sie durch die Schienen gebildet wird. Trotz dieser Eigenschaften ist diese Verteilung sehr wenig in Gebrauch, weil sie zum guten Betrieb ein Ausgleichen der Ladung zwischen den Brücken verlangt, eine in der Praxis sehr oft nicht ausführbare Bedingung beim Betrieb von Straßenbahnen, welche nur ein Geleis führen, was bei den meisten Vorortslinien der Fall ist; die Konstruktion der Kreuzungen und Weichenzungen, die Sektionseinteilung der Linien etc. geben eben falls zu vielen Schwierigkeiten wegen der verschiedenen Polarität der Arbeitsleitungen Veranlassung; endlich ist die Kompliziertheit in der Zentrale viel größer. Die Benutzung von Bufferbatterien würde natürlich gewissermaßen die aus dem Mangel des Gleichgewichts der Brücken entstehenden Uebelstände zu vermindern suchen. Andrerseits sind die Vorteile dieses Systems folgende: Reduziertes Kupfergewicht bei der Veiteilung, einzige Zentrale, Möglichkeit der Erweiterung der Aktionszone einer vorhandenen Zentrale ohne Wechsel der Einheiten, Möglichkeit sich Installationen zur Speisung eines ausgedehnten Bogenlicht-Beleuchtungsnetzes z. B. zu bedienen, wenig erhöhter Kostenpreis der nützlichen Kilowattstunde, merkliche Verringerung der Störungsgefahren, befriedigendes Aeußere der Linien. Im Allgemeinen ist trotz dieser theoretischen Vorteile diese Ver teilung nicht verbreitet wegen der Schwierigkeiten, die Ladung auf den beiden Brücken passend auszugleichen. 5. Verteilung mit hoher Spannung und Sekundärstationen, welche die- Spannung auj 550 oder 600 Volt reduzieren. a) Gewöhnliches System. Diese Verteilung wird ebenso wie die vorige sehr w^fhig benutzt, weil die Dynamos wie die Gleich strommotoren für sehr, hohe Spannungen nicht so gut wie Wechsel strommaschinen und Mehrphasigen Motoren geeignet sind, die Isolation schwer aufrecht zu' erhalten und Störungen zu befürchten sind; außerdem haben die Dynamos und Gleichstrommotoren geringeren Wirkungsgrad als die Wechselstrommaschinen und synchronen Motoren. Endlich sind trotz der ökonomischen Vorteile der hohen Spannungen die Kraftübertragungslinien um so viel teurer zu bauen, als die Spannung höher ist. Die Kabelisolierung ist auch viel schwerer auf gleicher Spannung mit Gleichstrom als mit Wechselstrom zu erhalten. Unter diesen Verhältnissen ist es leicht zu verstehen, daß das in Frage kommende System keinen Vorteil gegen die mehrphasige Stromverteilung mit Drehstrom-Umformern gewährt, und brauchen wir uns nicht länger damit aufzuhalten, wenn man die Anwendung für elektrische Traktion ins Auge faßt. b) Verteilung in Reihen (System Thury). Diese Verteilung eignet sich für große Entfernungen (30—40 km und mehr). Sie wurde mit Erfolg bei den Kraftübertragungs-Anlagen von Genua, Ikervar etc. angewandt. Das System besteht darin, in denselben Stromkreis eine gewisse Anzahl Generatoren einzuschalten, welche auf Spannung angeordnet sind und Gleichstrom mit konstanter Strom* Was speziell die Traktion betrifft, so gestattet dieses System, die Ladungsverluste in den Rückleitungen nach Wunsch zü reduzieren (in Folge der Menge Sekundär-Oentren, was jedoch ein Nachteil ist); endlich ist der Betrieb der Empfangsapparate unabhängig von dem Verlust im Stromkreis und von dem Ort, wo sie verbunden sind. Andererseits kann man diesem System den schweren Uebelstand jeder Verteilung in Reihen vorwerfen (der Strom muß allmählich alle Gene ratoren und Empfangsmaschinen der Anlage durchfließen, was die Verteilung Hauptstörungen durch Beschädigung der Maschinen oder der Kraftübertragungsleitung aussetzt). Automatische Apparate, welche die Maschine oder den schadhaften Motor ausschalten, verringern zwar gewissermaßen den erwähnten Uebelstand, aber diese Vorsicht kann als ein sicheres Schutzmittel nicht angesehen werden. Man muß noch hinzufügen, daß der ohmsche Verlust der Leitung bei jeder Ladung konstant bleibt; so ist er z. B. eben so groß bei '/, oder 1 / i Belastung als bei voller (wenigstens um die Stromstärke im Verhältnis zu reduzieren, was praktisch außer im Fall einer einzigen Sekundär station unausführbar ist). Was den Kostenpreis der nutzbaren Kilo wattstunde betrifft, so ist er bei diesem System mehr oder weniger hoch, weil die Ladung klein oder veränderlich ist; diese Betrachtung ist jedoch nicht so wichtig, da es sich um Naturkräfte handelt. Im Ganzen kann diese Verteilung nur empfohlen werden, wenn man einen vom Netz entfernten Wasserfall benutzen will; man muß noch bemerken, daß sie teilweise den gewöhnlichen Bedürfnissen eines Strassen bahn betriebs nicht entspricht, auch wendet man dieses