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174 XVIII. Jahrgang. „ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU.“ No. 17 1900/1901. lieber Gleichstrom-Zentralen mit mehreren Akkumulatoren-Stationen. Ton K. Schindler, Ingenieur, Leipzig. Es ist eine unverkennbare Thatsache, daß das Verwendungs gebiet der Elektrizität innerhalb der Industrie und Landwirtschaft j fortwährend in steigendem Maße sich erweitert; diese Erscheinung hat ihren Grund vorwiegend darin, daß einerseits die Vorteile des j elektrischen Betriebes immer mehr und mehr zu Tage treten, während andererseits Herstellung und Lieferung der Elektrizität immer voll kommener und einfacher gestaltet wird. In ganz besonderer Weise kommt dabei neben der Beleuchtung die Kraftübertragung in Betracht, weichletztere überhaupt erst eine nutzbringende Ausbeute des elektrischen Betriebes in großem Maße ermöglicht hat. Durch eine gleichzeitige Abgabe elektriseher Energie für Licht und Kraft arbeitet eine Zentrale fast ohne Unterbrechung mit einer wirtschaft lich verhältnismäßig günstigen Belastung, während bei Lichtbetrieb ! allein nur in den Abendstunden eine genügende Ausnützung der Maschinen in der Zentrale stattfindet. Als Kraftquelle für derartige Zentralen werden, sofern nicht \ besondere Gründe vorliegen, mit Vorliebe Wasserkräfte verwendet, weil einesteils deren Ausbau und andernteils ihre Unterhaltung im allgemeinen geringere Kosten verursacht, als die Anwendung j von Dampfkraft, Gas oder dergl, für welehletztere hier und da auch die Konzessionsbestimmungen schärfer sind, als für erstere. Es kann nicht befremden, daß die Ausnutzung vorhandener Wasserkräfte zur Erzeugung elektrischer Energie in einer solchen Zunahme begriffen ist, daß man bereits verhältnismäßig kleine Wasserkräfte, die ziemlich konstante Wassermengen gewährleisten zu Anlagen von elektrischen Zentralen verwendet. Nach der definitiven Einführung der Nernstlampe dürfte diese Erscheinung in noch erhöhtem Maße zu Tage treten, denn der geringe Energie verbrauch der Nernstlampe bietet von vornherein einen nennens werten Vorteil, der bei Wasserkraftanlagen entschieden in’s Gewicht fällt. Solange nun die Anlagen mit niedrigen Betriebsspannunge- arbeiten, bei denen die Anwendung von größeren Spannungs verlusten mit Rücksicht auf die fortwährenden, mitunter ganz erheb lichen Belastungsschwankungen unmöglich ist, bedingen die großen Entfernungen sehr kostspielige Freileitungen. Man ist infolgedessen gezwungen, zur Erzielung billiger Leitungen hochgespannte Ströme zu verwenden, wobei jedoch häufig die zuständigen Behörden Schwierigkeiten betreffs der Konzession bereiten und außerdem tritt der Uebelstand auf, daß, sobald es sich um kleine Anlagen mit großen Entfernungen handelt, kleine Dynamos für höhere Spannung von den wenigsten Firmen gebaut werden. Nicht selten handelt es sich bei derartigen Anlagen um Ent- fernungen, welche an und für sich wohl als groß gelten, jedoch bei ! verhältnismäßig geringen Stromstärken die Anwendung von niedrig gespannten Gleichstrom noch gestatten, sobald der Annahme eines entsprechend hohen Spannungsverlustes nichts entgegensteht. Diese Forderung ist in der That auch zu erfüllen, sobald die betreffende Fernleitung nicht unmittelbar als .Lichtleitung verwendet wird, sondern ausschließlich als Ladeleitung einer Akkumulatorenbatterie dient, deren Ladestromstärke möglichst niedrig angenommen wird, ganz abgesehen davon, daß hierdurch die Ladezeit entsprechend länger wird. Es bildet dann in einem solchen Falle die Akkumu latorenbatterie gewissermaßen eine besondere Kraftstation für sich, die mit der Primäranlage weiter nichts zn thun hat, als daß sie von dieser zeitweilig geladen wird. Da nun der Spannungsverlust in einer solchen Ladefernleitung j ziemlich hoch angenommen werden kann, so braucht die Batterie- ! Station nicht für dieselbe Betriebsspannung eingerichtet zu sein, mit j welcher die Primäranlage arbeitet, sondern die Spannung der Akkumulatorenstation kann niedriger angenommen werden und dies ist das Hauptmerkmal der Zentralen mit Akkumulatorenstationen, bei denen die letzteren ziemlich weit von der Primäranlage entfernt liegen. Es kann beispielsweise bei einer solchen Anlage die Primär- ! Station mit 120 Volt und jede der vorhandenen Akkumulatoren- I Stationen mit 100 Volt arbeiten, sodaß in der Ladeleitung ohne 1 Bedenken ein Spannungsverlust von 20 Volt eintreten kann. Wäre beispielsweise die Ladestromstärke, die für eine Akkumu- | latorenstation angenommen würde, 30 Ampere und die Entfernung j sei 600 Meter, so würde bei 20 Volt angenommenen Spannungs- 1 verlust nur ein Kupferquersehnitt notwendig werden von A . L 30. v 30.600 30 20 = 30 qmm, während diese Leitung als direkte Lichtleitung mindestens 120 qmm i Querschnitt erhalten müsste. Kommt es auf die Dauer der Ladezeit nicht wesentlich an, was bei Wasserkräften größtenteils der Fall sein wird, so kann ! auch noch die Ladestromstärke niedriger als vorgeschrieben an genommen werden und diese beiden Umstände, großer Spannungs verlust und niedrige Ladestromstärke, ergeben, wie vorstehend ersichtlich, geringen Kupferquerschnitt und daher billige Fern- ! eitungen. Allerdings ist hierbei zu bemerken, daß an Stelle der am Kupferdraht ersparten Kosten die Kosten der Batterie treten und j wird daher natürlich von Fall zu Fall erwogen werden müssen, ob- die Vorteile der Batterie wesentlich genug sind, um ihre Anlage zu rechtfertigen, denn es handelt sieh in solchen Fällen je nach der Ausdehnung der betreffenden Zentrale häufig um mehrere Batterien. Die Vorteile, welche man bei Anwendung von Akkumulatoren- Unterstationen erzielt, sind in der Hauptsache folgende: 1) Die Konsumenten der Batteriestationen erhalten ausschließ lich Akkumulatorenstrom, können daher auf ein durchaus ruhiges Licht rechnen, was bei gewissen Betrieben von großer Wichtigkeit ist. 2) Kürzere Betriebsstörungen, welche in der Primäranlage ein- treten würden, haben auf die Fernbatterien keinen direkten Einfluß, vorausgesetzt, daß letztere vor der Betriebsstörung- geladen war. 3) Jede Batteriestation kann wiederum direkten Betriebsstrom an andere Fernleitungen abgeben, sodaß selbst Konsumenten Anschluß an die Zentrale erhalten können, welche sich in bedeutender Entfernung von der Primäranlage befinden. Für diese zweiten Fernleitungen ist jedoch die Anwendung: von Hauptstromregulatoren unerläßlich, während sie für die Ladeleitungen nicht unbedingt erforderlich sind. 4) Die Ladeleitungen zwischen Primäranlage und Batterie- Station sind nur während der Dauer der Ladung angeschlossen, sonst immer zweipolig abgeschaltet und zwar vorteilhaft sowohl in der Primärstation, als auch in der Akkumulatoren- Station; eine Zerstörung dieser Fernleitung, etwa durch Sturm oder Blitzschlag, hat mithin momentan keinen Einfluß auf die Konsumenten und die Zentrale. 5) Die Akkumulatorenstationen können in Notfällen Strom in gewisser Menge an die Primäranlage zurückliefern, sobald in letzterer eine Störung eingetreteu sein sollte. Dieser Fall wird jedoch seltener in Betracht kommen, denn man wird die Primäranlage stets mit einer genügend großen Batterie ausrüsten. 6) Bei etwa vorkommenden ganz besonders hohem Strom verbrauch in einer der Akkumulatorenstationen kann die Primäranlage mit der Fernbatterie parallel arbeiten; auch kann die Primäranlage bei einer Störung in einer Batterie station direkten Strom im beschränkten Maße (vom Spannungs- verlust abhängig) unmittelbar an die Konsumenten der Akkumu latorenstation abgeben. Diese vorgenannten Möglichkeiten und Vorteile sind derart von Bedeutung, daß die Anwendung von Akkumulatoren-Unter- stationen bei Zentralen mit zerstreut liegenden Konsumenten immer häufiger wird und zwar besonders in solchen Gegenden anzutreffen ist, wo in nicht allzu großer Entfernung von einer Wasserkraft einzelne größere Güter, Schlösser, Schulen, Heilanstalten, Kirchen r Villen, Fabriken etc gelegen sind, welche keine oder nicht genügend Betriebskraft besitzen und für welche es sehr vorteilhaft ist', eine besondere Akkumulatorenbatterie zn erhalten, da mitunter in solchen Fällen tagelang kein oder nur eine geringe Menge Strom verbraucht wird. Die Primärdynamo braucht daher nicht immer, sondern ledig lich zum Laden dieser Batteriestationen im Betrieb zu sein. Es läßt sich somit bei richtiger Dimensionierung der Leistungen von Dynamo und Batterien selbst eine unbedeutende Wasserkraft, die mit einem Sammelteich von reichlicher Größe versehen ist, recht nutzbringend verwerten, besonders, wenn die einzelnen Akkumulatoren - Stationen mit der Primäranlage in telephonischer Verbindung steben,. welche Anordnung unbedingt zu empfehlen ist. Eine derartige Anlage, bei welcher z. Z. vier Akkumulatoren- Unterstationen im Betrieb und weitere vorgesehen sind, wurde in dem durch seine Wasserheilanstalt bekannten Städtchen Lähn in Schlesien (Kreis Löwenberg) ausgeführt und zwar von der damaligen Firma Aktiengesellschaft Thüringer Akkumulatoren- und Elektrizitäts werke in Saalfeld a. S. Hierbei wird mittels einer lOOpferdigen Turbine von der Sächsiehen Maschinenfabrik vorm. Rieh. Hartmann in Chemnitz die Wasserkraft des Boberflusses nutzbar gemacht und außerdem ist zur Reserve eine öOpferdige Lokomobile aufgestellt. Diese beiden Kraft quellen betreiben außer der Dynamomaschine noeh eine Mahlmühle,, -sowie eine Schleiferei nebst Sägewerk. Vom Schaltbrett der in der Mühle befindlichen Primäranlage führen 4 Ladeleitungen nach den einzelnen Akkumulatoren-Unter- stationen und zwar sind z. Z. folgende vorhanden : 1 j Batteriestation der Stadtbeleuehtung uud Stadtkonsumenten, ca. 300 m von der Primärstatiön entfernt, I8ü Ampere maximale Entladestromstärke. 2) Batteriestation Kleppelsdorf, ca. 1200 m von der Primär- station entfernt, jenseits des Boberflusses gelegen, 37 Ampere Entladestromstärke. 3) Batteriestation Pädagogium, ca 300 m von der Primär station entfernt, 45 Ampere Entladestromstärke. 4) Batteriestation Villenviertel, ca. 650 m von der Zentrale ent fernt, ca. 30 Ampere Entladestromstärke. Schließlich besitzt die Primärstation für die Mühle und die Wohnung des Besitzers selbst eine Batterie für ca. 30 Ampere Ent ladestromstärke. Die Verständigung der Zentrale mit den Konsumenten, resp, mit den Besitzern der Akkumulatorenstationen geschieht durch Tele-