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XVI. Jahrgang. ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU.“ No. 2. 1898/99. 17 Maschine zur Erzeugung von Wechselströmen beliebiger Frequenz und Phasenzahl. Die gewöhnlichen Wechselstrom-Maschinen liefern Strom von einer Frequenz, die zu groß ist, als daß sie die Verwendung für viele praktische Zwecke, z. B. zur Speisung elektrisch betriebener Werkzeuge mit hin- und hergehender Bewegung zuließe. Würde man sie, was an und für sieh möglich wäre, für genügend kleine Frequenz bauen, so würde sie sehr schwer und teuer werden. Man hat infolge dessen nach anderen Mitteln zur Erzeugung von Wechsel strom geringer Periodenzahl gesucht und unter den vorgeschlagenen Lösungen ist die bekannteste und wohl auch die einzige in die Praxis eingeführte diejenige von van Depoele, bei der auf dem Stromwender einer Gleichstromdynamomasehine Bürsten umlaufen, welche Wechselstrom abnehmen, dessen Weehselzahl gleich der An zahl der Umdrehungen der Bürsten auf dem Stromwender ist. Die genannte Einrichtung ist vielfach in der Praxis, nament lich bei Betrieb von Stoßbohrern angewendet worden und hat sich im Allgemeinen gut bewährt. Die Anordnung leidet aber doch an wesentlichen Mängeln, die besonders in der Anwendung umlaufender Bürsten an und für sich und in den nicht geringen Kosten der Ein richtung bestehen. Bei der nachfolgend beschriebenen Einrichtung zur Erzeugung von Wechselstrom geringer Erregung der Union Elektrizitäts gesellschaft in Berlin (D. R. P. 97 432) werden die Anker windungen einer Gleiehstrommaschine mit einem besonderen Strom wender verbunden, und zwar nicht so, wie bei den gewöhnlichen Gleichstrommaschinen, sondern derartig verschoben, daß die neu tralen Punkte des Stromwenders sieh nicht immer unter den Bürsten befinden, sondern umlaufen, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die von der Art der Verbindung abhängig ist. In der nebenstehenden Figur (Fig. 1) ist als Beispiel eine vier- polige Maschine dargestellt, die einen Wechselstrom erzeugt, dessen Periodenzahl gleich der Umdrehungszahl des Ankers ist, während, wenn man zwei bezw. vier Punkte der Wicklung in der üblichen Weise mit Schleifringen verbinden würde, die Periodenzahl gleich der doppelten Umdrehungszahl sein würde. Der Anker ist als ge wöhnlicher Ring gewickelt und mit Kreuzverbindungen versehen. Auf dem Stromwender liegen zwei Bürsten, welche um 180° von einander abstehen. Die Verringerung der Sehwingungszahl wird folgendermaßen erreicht. Während der Stromwender-Steg 2 an die Stelle des Steges 1 tritt, gelangt die zugehörige Windung b in die Lage von y; zu dieser Zeit ist a dagegen schon in X. Tritt nun der Steg 3 unter die Bürste, so kommt a inzwischen nach v und die Spule c, die dann in x steht, erhält Verbindung mit dem Strom abnehmer. Es ist also in derselben Zeit, wo die Windung a bis v gewandert ist, der Stromwender und damit auch derjenige Punkt der Wicklung, von dem der Strom mittels desselben abgenommen wird, nur über den halben Weg geführt worden. Der neutrale Punkt war bei dem Vorgang zu Anfang mit dem Steg 1 verbunden, bei der zweiten betrachteten Stellung lag er auf Steg 3 und bei der dritten auf 5. Er wird regelmäßig so weiter nach 7, 9 und 11 wandern, während die Bürste in gleicher Zeit 1, 2, 3 u. s. w. be rührt. Man sieht, daß während einer vollständigen Umdrehung des Stromwenders, d. h. während die Bürste der Reihe nach mit allen Stegen in Berührung gekommen ist, der neutrale Punkt zwei Um drehungen um den Stromwender ausgeführt hat und infolge dessen erst bei Beginn der dritten Umdrehung um denselben mit der fest stehenden Bürste wieder in Berührung kommt. Es beginnt also thatsächlieh eine neue Periode immer erst nach Vollendung einer vollständigen Umdrehung des Ankers. Die Arbeitsweise der Maschinen ist demnach folgende. In einem bestimmten Augenblick befinden sich die neutralen Punkte unter den Bürsten, und es wird infolge dessen das Maximum der Spannung abgenommen; dreht sich der Anker weiter, so arbeitet der eine Teil der Ankerwicklung gegen den anderen, so daß nur noch die Differenz der elektromotorischen Kräfte an den Bürsten abgenommen werden kann, bis schließlich der Punkt erreicht ist, wo keine Spannungsdifferenz zwischen den Bürsten besteht. Bei noch weiterer Drehung des Ankers entsteht wieder allmählig eine Spannungsdifferenz zwischen den Bürsten, und zwar von entgegen gesetzter Polarität wie vorher. Diese Spannungsdifferenz steigt, bis sie ihr Maximum erreicht, wenn wieder die neutralen Pukte des Stromwenders unter die Bürsten kommen, so daß thatsächlieh Wechsel- ! ström vom Stromwender abgenommen werden kann. Die betrachtete Erfindung ist nicht beschränkt auf die Erzeu gung von einphasigem Wechselstrom, sondern kann auch für mehr phasigen Wechselstsom Verwendung finden oder als ein Mittel der Umformung von Wechselströmen einer gewissen Perioden- und Phasen zahl in solche von anderer Perioden- und Phasenzahl benutzt werden. Wenn z. B. auf dem Stromwender der dargestellten vierpoligen Maschine ein zweites Paar Bürsten mit einer Verschiebung von 90" angebracht wird, so kann von der Maschine Zweiphasenstrom abge nommen werden, dessen Periodenzahl gleich der Anzahl der Um drehungen ist. Werden auf dem Stromwender der sechspoligen Maschine noch zwei Satz Bürsten angebracht, so daß die Entfernung zwischen je zwei Bürsten 60° beträgt, so kann bei geeigneter Verbindung der einzelnen Bürsten von der Maschine Drehstrom abgenommen werden, und zwar mit einer entweder der Umdrehungszahl oder der doppelten Umdrehungszahl gleichen Periodenzahl. Durch die Wahl von Maschinen mit einer geeigneten Anzahl von Polen und die Verwendung von Schleifringen in Verbindung mit Stromwendern oder von Stromwendern allein, können bei Her stellung der passenden Verbindungen die verschiedensten Umwand lungen vorgenommen werden; z. B. die Umwandlung von Gleich strom in ein- und mehrphasigen Wechselstrom von beliebiger Perioden zahl, oder, wie bereits gesagt wurde, die Umwandlung von ein- oder mehrphasigen Strömen in solche von anderer Perioden- und Phasen zahl. , — n — Die Eröffnung einer unterirdischen elektrischen Eisenbahn unter der City (London). Am 11. Juli ist die unterirdische elektrische Eisenbahn, die von der Waterloo-Station der „London and South-Western Railway“ zur City führt, feierlich eröffnet und dann, wie das bei derartigen feierlichen Eröffnungen in London zur Regel zu werden scheint, wieder geschlossen worden, um erst nach einiger Zeit wirklich in Betrieb genommen zu werden. Diese Eisenbahn hat zunächst den Zweck, alle auf der Waterloo-Station meist mit den Vorortzügen von Süden und Südwesten her ankommenden Passagiere auf die schnellste ! und bequemste Weise in die Mitte der City zu befördern. Sie führt [ unter der Themse hindurch und endet unter dem Platze vor der Bank von England, der Börse und dem Mansion-Hause. Mit diesem lokalen Verkehrszwecke wird dann aber noch ein größerer Zweck erfüllt; unter dem bezeichneten Platze, der das sehr belebte Zentrum von ganz London ist, werden in nicht ferner Zeit noch andere unterirdische elektrische Eisenbahnen münden, die andere große Bahnhöfe von London mit diesem Zentrum verbinden, und so wird an dieser Stelle ein Zentralbahnhof für den Personenverkehr der Riesenstadt unmittelbar unter dem Tags über in wirklich gefährlicher Weise mit Fuhrwerken und Menschen belebten Platze entstehen. Die erste unter diesem Platze einmündende unterirdische Bahnstrecke ist nun formell eröffnet, und die Probefahrt zeigte, daß dieselbe schon soweit vollendet ist, daß ihrer Benutzung nichts mehr im Wege stehen sollte. Nur ist der Endbahnhof selbst noch im Bau begriffen, und dieser wird voraussichtlich erst mit der Eröffnung der „Central London Railway“, welche von fernsten Westen Londons unter Oxford Street und High Holborn hindurch zur City führt, dem Verkehr übergeben werden. Gegenwärtig zeigen nur die hohen Bretterwände und ein Winde-Apparat, die sich vor der Börse befinden, an, daß man unter dem Straßenpflaster einen Personenbahnhof baut. Vor läufig muß sich darum die neue Eisenbahn mit der provisorischen Endstation begnügen, die sieh aber ganz dicht neben dem im Bau begriffenen unterirdischen Bahnhofe befindet. Die neu eröffnete Strecke, welche der „London and South-Western Railway“ gehört, ist nur 1,5 englische Meilen lang. Sie besteht aus zwei parallelen und im Durchschnitte kreisrunden Tunnels, welche mit gußeisernen Platten ausgelegt sind. Sie wurden unter Anwendung von kombri- mierter Luft mit dem Greathead’schen Bohrschilde in dreieinhalb Jahren für etwas über eine halbe Million Pfund Sterling hergestellt. Die Hauptsehwierigkeiten beim Bau boten die Bohrarbeiten unter dem Themsebette und dann der Bau der unterirdischen Station unter den schweren Pfeilern, welche den oberirdisch angelegten Waterloo- Bahnhof tragen. Das schwere Mauerwerk mußte hier sicher unter stützt werden, ehe unter dem belebten Personen- und Güterbahnhofe von Waterloo die unterirdische Station ausgegraben und gebaut werden konnte. Das jetzt fertige Werk verrät natürlich dem Laien wenig von der Mühe, die es verursacht hat. Die beiden Endstationen sind mit weißglasierten Ziegeln ausgelegt und elektrisch beleuchtet,