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No. 21. 1901/1902. 231 XIX. Jahrgang. „ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU.“ zige Beispiel von neuer Gründungsthätigkeit auf diesem Gebiete. Unsere Bedenken, was die Personenfrage betrifft, haben wir schon vorgebracht. Wir glauben nicht, daß ein Mann, der wie Kommerzien rat Horn in der sächsischen Wirtschaftskatastrophe eine unvorteil hafte Figur gemacht hat, berufen ist, an die Spitze eines neuen Unternehmens zu treten. Wir wissen ferner, daß maßgebende Firmen der Elektrizitätsindustrie zusammen mit Felten & Guilleaume, welch letztere stark an Kummer interessiert waren, das Werk einer gründ lichen Besichtigung unterzogen haben, um festzustellen, was sich etwa daraus machen ließe. Diese Prüfung hat ein so ungünstiges Resultat ergeben, daß alle Rekonstruktionspläne fallen gelassen wurden. In zwischen haben sich die Verhältnisse nicht geändert. Aus sachkun digen Kreisen wird uns gegenüber folgender Standpunkt gegenüber der Reorganisation der Kummer'sehen Werke zum Ausdruck ge bracht : Alle Opfer würden vergeblich sein. Bei der ersten Million, die in das Unternehmen gesteckt werden soll, könne es nicht bleiben. Um die erste Million zu retten, würde die zweite aufgewendet werden, aber ohne-besseres Ergebnis. Daß die sächsische Regierung dem Vorhaben des Herrn Horn wohlwollend gegenübersteht, spricht für das gute Herz derselben und ihr Vertrauen auf die Zukunft. Aber wohin sie mit dem blinden Vertrauen kommt, hat sie an den schweren Verlusten bei der Leip ziger Bank gesehen. In geschäftliche Fragen sollte auch der Parti kularismus nicht hineinreden. Das ist aber der Fall, wenn die sächsische Regierung einen Plan wie den Horn’schen unterstützt. So viel über die Reorganisation der Kummerschen Fabrik. Nun mehr einiges über die Schlickert Gesellschaft. Diese ist in technischer Hinsicht ein vortreffliches Werk. Diese Thatsache ging auch aus den eingehenden Besichtigungen hervor, die anläßlich des Planes der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft eine Interessengemeinschaft herzustellen, vorgenommen wurden Aber die Gesellschaft hat zu schwere Lasten auf sich. Eine energische Aktion, ein tiefer, kräftiger Schnitt hätte Erleichterung bringen und eine baldige Rückkehr der Rentabilität sichern können. Vor einer solchen durchgreifenden Be messung der Werte, vor einer neuen, den Zeitverhältnissen Rechnung tragenden Bilanzierung ist die Schuckert-Gesellschaft aber bisher zurückgeschreckt in der Erwartung, daß eine neue Hochkonjunktur ihrem Besitze den jetzt nur rechnungsmäßig bestehenden Wert geben werde. Hierin liegt der hauptsächlichste Grund, weshalb bisher jene Interessengemeinschaft nicht zu Stande gekommen ist. Mit einem Schlage hätte diese Verschmelzung allerdings auch ohnedies nicht erfolgen können Denn nach der Absicht der Urheber des Projektes hätte die Vereinigung nur allmälig vor sich gehen können. Bemerkt sei übrigens noch, daß im Laufe der Verhandlungen auch angeregt wurde, daß Siemens & Halske gemeinsam mit der allgemeinen Elek trizitätsgesellschaft den Schuckertschen Besitz übernehmen. Diese Anregungen sind aus verschiedenen Gründen ohne Erfolg geblieben. Immerhin haben die Erörterungen doch in maßgebenden Kreisen der Elektrizitätsindustrie zu einer gewissen Verständigung Gelegenheit gegeben insofern, als die Schärfe einer kostspieligen und übermäßigen Konkurrenz etwas gemildert wurde. Ausschaltung einer ruinösen Konkurrenz und Anbahnung einer Intimität zwischen den größten Betrieben der Branche bleibt eines der Ziele dieser maßgebenden Kreise. Zur Erreichung dieses Zieles, zur Anlehnung der weniger starken Betriebe an die großen waren mancherlei Vorbereitungen getroffen. Aber alle derartigen Versuche scheiterten schließlich an der Schwierig keit, die der Sachlage entsprechende Wertbemessung für einzelne in Frage kommenden Werke zu finden. Die weniger kräftigen Werke hätten sich gern den gut fundierten angeschlossen, aber die Verwal tungen der letzteren sträubten sieh, hierbei zu kurz zu kommen. Findet das Problem noch eine befriedigende Lösung, so würde das, wie die führenden Kreise der elektrotechnischen Industrie Deutsch lands meinen, für deren Zukunft von großer Bedeutung sein. Nicht zu unterschätzen ist hierbei auch allerdings das Schicksal der Handelsverträge. Kämen neue Handelsverträge nicht zu Stande, dann wäre die deutsche Elektrizitätsindustrie auf Deutschland ange wiesen. Den deutschen Bedarf zu befriedigen, würde ein verhält nismäßig kleiner Teil der jetzt bestehenden Etablissements ausreichen. Bei der elektrischen Hochbahn in Berlin haben sich infolge der plötzlich eingetretenen starken Sonnenwärme die Stromzuführungsschienen in ihrer Längsrichtung sehr stark ausgedehnt und sind, da die Lücken an den Stößen zwischen den einzelnen Schienen nicht mehr groß genug waren, seitlich zur Gleisrichtung ausgewiehen. Infolge der hierdurch ein getretenen unrichtigen Lage der Stromschienen sind einzelne Strom abnehmer seitlich abgeglitten und mit nichtisolierten Teilen in Be rührung gekommen, so daß Kurzschluß verursacht wurde. Es trat infolgedessen eine Betriebsstörung auf der Weststrecke von 12 Uhr 5 Min. bis 1 Uhr 45 Min. ein. Nach Entdeckung des Schadens und Beseitigung der schadhaften Stromabnehmer wurde der fahrplan mäßige Betrieb bis zur Haltestelle Wittenbergplatz wieder aufge nommen. Einer Wiederholung des Unfalls wurde vorgebeugt, indem an den Stößen die Lücken entsprechend erweitert werden. Die Elektrizitäts-Verteilungssektoren in Paris. (Schluß.) III Sektor der elek t r is chen S el eu ch tungs- un.d Kraftgesell schaft. — Dieser Sektor wird begrenzt: im Norden durch die Festungswerke; im Osten durch die rue d’AUemagne und dem Quai de Valmy; im Süden durch die rue Turbige und die rue Etienne-Marcel; im Westen durch die rues Montor- gueil und Poissonniere, den Boulevard Poissonniere, die rue Faubourg Saint- Denis, die Boulevards Magenta, Barbes und Ornano. Außerdem nutzt die Ge sellschaft die elektrische Kraftverteilung in den Gemeinden von Asnieres und Saint-Denis aus. Die versorgte Bevölkerung erreicht 257 C00 Einwohner, das sind 370 pro Hektar (der Sektor dehnt sich über 700 ha aus). Der Yeiteilungsplau dies Sektors enthält: 1. Städtische Elektrizitäts werke, welche direkt Strom von 110 Volt auf das Netz abgeben; 2. Ein extra städtisches Elektrizitätswerk, welches Strom von hoher Spannung erzeugt, der sofort in Gleichstrom von 110 V. in den Unterstationen transformiert wird. Die Generator-Zentralen sind die von Saint Ouen, von la Villette (Quai der Loire), der rue de Bondy und der rue d’Alexandrie ; die Gesellschaft wurde im März 1901 autorisiert, dieselben mit dem Elektrizitätswerk von Saint-Ouen zu ver- bir den, hat aber noch keinen Gebrauch von dieser Erlaubnis gemacht. Das Elektrizitätswerk von Saint-Ouen liegt an dem Ufer der Seine, in der Nähe der Docks von Saint Ouen ; es wird durch eine Abzweigung der Nord bahn bedient, kann daher seine Kohlen durch Wasser oder per Bahn erhalten. Seine Maschinenanlage bestand 1901 aus: 8 Marcel-Deprez-Dynamos ä 78 Kw., welche 28 A. bei 2800 V. lieferten; dieser Strom wurde den Unter stationen von Asnieres, Saint Denis und des Boulevard Barbes zugeführt 2 Hutin & Leblanc Zweiphasen-Wechselstrommaschinen von 250 Kw.; der Strom wird bei 88 V. und 40 Perioden per Sekunde erzeugt; 2 Wechselstrom maschinen derselben Type von 350 Kw. 1 Wechselstrommaschine derselben Type von 750 Kw. Dieser zweiphasige Strom a 88 Y. wird sofort zu 4 stati schen Transformatoren geleitet, auf 6000 V. erhöht und endlich den Unter stationen der Faubourg Saint-Denis und des Boulevard Barbes zugeführt. Außerdem enthält die Maschinenstation: 2 Gramme-Dynamos ä 36 Kw.; welche Gleichstrom a 120 V. zur Beleuchtung der Zentrale und benachbarten Werkstätten erzeugen. 4 Hillairet-Dynamos von 30 Kw., welche Gleichstrom ä 120 V. zur Erregung der Wechselstrommascbinen erzeugen; 1 Thury-Dynamo von 60 Kw., welche Gleichstrom ä 120 V. zur Erregung erzeugt Die strom erzeugende Kraft der Zentrale war 1901: 624 Kw. Gleichstrom von hoher Spannung; 1950 Kw. Zweiphasenstrom und 252 Kw. Gleichstrom niedriger Spannung. Alle diese Generator-Gruppen werden durch Dampfmaschinen angetrieben. Neuerdings wurden die Gleichstromdynamos mit hoher und niederer Spannung durch Wechselstrommaschinen, welche von denselben Motoren angetrieben werden, ersetzt; außerdem hat man eine Gleichstromgruppe von 2 Desroziers- Dynamos a 100 Kw. und 2 Breguet-Maschinen ä 100 Kw., welche von der Zentrale der rue de Bondy herrühren, beigefügt. Zentrale der rue de Bondy. — Dieses Elektrizitätswerk enthält: 2 Gruppen von 2 Breguet-Maschinen von 100 Kw. mit Gleichstrom ä 110 V.; 2 Postel-Vinay Dynamos von 400 Kw. mit Gleichstrom a 130 V. das ist im Ganzen eine Leistung von 1000 Kw. Diese Gruppen werden durch Laval- Turbinen bethätigt. Der Strom wird auf das Netz direkt ausgegeben. Außerdem hat man zwei Akkumulatoren-Batterien von 65 Elementen, mit einer Kapazität von je 5000 Amp.-Stunden und einer Normalabgabe von 1000 A. installiert. Zentrale der rue d’Alexandrie. — Dieselbe enthält: 5 Desroziers- Dynamos von 100 Kw.; 3 Breguet-Dynamos von 100 Kw. ; das sind im Ganzen 800 Kw. Außerdem hat man zwei mit den vorigen identische Akkumulatoren- Batterien installiert. Zentrale von la Villette. — Dieselbe liegt am Quai der Loire und enthält: 2 Desroziers-Dynamos von 98 Kw.; Gleichstrom ä 120 V.; 1 Farcot- Dynamos von 200 Kw.; Gleichstrom ä 120 V.; 1 Thury-Dynamo von 50 Kw.; Gleichstrom a 120 V.; das ist eine Gesamtleistung von 446 Kw. Die Akkumu- latoren-Batterie besteht aus 67 Elementen, ihre Kapazität ist 2500 Amp.-Stunden und ihre Normalausgabe 500 A. Zentrale der Schlachthäuser a la Villette. — Diese Zentrale dient nur für die Schlachthäuser. Sie enthält zwei Desroziers-Dynamos von 100 Kw., welche durch 2 Garnier’sche Horizontalmaschinen (Type Corliss) von 150 PS. angetrieben werden. Die Akkumulatoren-Batterie (65 Elemente) hat eine Kapazität von 2000 Amp.-Stunden und eine Normalausgabe von 400 A. Die zwei Kessel sind von den Roser-Type und verdampfen je 2000 Kg pro Stunde bei einem Druck von 12 Kg. Unter Stationen. — Diese Unterstationen sollen Zweiphasenstrom ä 6000 V. in Gleichstrom ä 150 V. umwandeln. Sie verwenden Gleichrichtungs- Transformatoren oder Hutin-Leblanc Panchanteur. Dieser Apparat besteht aus zwei Organen, Phasen Transformatoren, welche zweiphasige elektromotorische Kiäfte in eine große Anzahl E. M. K. verschiedener Phasen umformen und dann aus einem rotierenden Kollektor, dessen Tasten mittels Ringen und Bürsten mit den verschiedenen Transformatoren verbunden sind und welche die Zunahme der E. M. K. in eine ununterbrochene Potentialdifferenz verwirklichen. Zur Um. formung des Gleichstroms mit hoher Spannung, welcher bis 1901 angewendet wurde, benutzte man Marcel Deprez’sche Empfangsapparate, welche Edison’sche Dynamos antreiben. Die Umformungs-Unterstationen sind zu vieren vorhanden, welche in den Boulevard Barbes, in Asnieres, Saint-Denis und Faubourg Saint-Denis liegen. Es sind zwei Leitungstypen vorhanden, die eine für den Strom hoher Spannung, die andere für den Strom niedriger Spannung. Das Netz mit hoher Spannung besteht aus Leitungen, welche die Zentrale von Saint Ouen mit den Unterstationen verbinden und den Gleichstrom ä 2600 V., sowie den Zweiphasenstrom ä 6000 V. übertragen.