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XIV. Jahrgang. ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU. No. 5. 1896/97. 81 auf das Gefühl noch auf die Muskeln einen bemerkbaren Einfluß aus, sodaß die Patienten sich nicht gegen die Behandlung sträuben. Ich will nun kurz die Beobachtungen beschreiben, die ich gemacht habe. I. Fall. Ein Mann von 33 Jahren, ein Maurer, welcher schon j seit 4 Jahren an akuter Diabetes btt, wurde vierzehn Tage lang beobachtet, ehe er in Behandlung genommen wurde. In dieser Zeit gab er im Mittel 11.2 Liter Urin in 24 Stunden ab; diese enthielten j 54 gr Zucker im Liter oder 620 gr Zucker pro Tag. Der Aderdruck betrug nur 15 cm Quecksilber, die Zahl der Pulsschläge war 72 und | die Temperatur unter der normalen. Der Giftstoff in dem Urin war | nahezu Null: 250 gr, einem Kaninchen eingespritzt, machten es | kaum krank. Der Strom von hoher Wechselzahl wurde innerhalb 4 Tagen jedesmal 10 Minuten (täglicb) angewendet In diesen wenigen Tagen bemerkten wir eine Abnahme der Schmerzen in den Gliedern; der Schlaf verbesserte sich und war weder durch Durst noch durch Drang zum Wasserlassen, noch durch Alpdrücken unterbrochen; j größere Klarheit im Sehen, die Rückkehr des Gedächtnisses und Klarheit des Denkens, die ihm das Lesen wieder möglich machten, trat ein. Das waren subjektive Erscheinungen. Die objektiven Ergebnisse waren folgende: Die Anschwellung bis in die obere Hälfte der Beine verschwand, die Wassersucht nahm bis zu einer gewissen j Grenze ab; der Patient hatte wieder Gefühl in den Beinen, was j vordem nicht der Fall war. In der ersten Woche war nur eine geringe Aenderung im Urin und im Zuckergehalt bemerkbar, jedoch wurde das Wasserlassen regelmäßiger und erlitt keine plötzlichen Aenderungen; die Menge betrug zwischen 7 bis 13 Liter in 24 Stunden. In der zweiten Woche trat eine rasche Wandelung ein, und j nachdem das Verfahren 42. Tage lang fortgesetzt worden war, konnten folgende Thatsachen festgestellt werden: Die mittlere Urinmenge innerhalb 24 Stunden betrug 7 Liter; der ausgesehiedene Zucker in 24 Stunden 180 gr; der Aderdruck 25 cm am 20. Tag, Puls 104, Temperatur steigend bis 38° und schließlich fallend bis 37". Der Giftstoff im Urin hatte wesentlich zugenommen. Nach einem Monat wirkte er tötlich im Verhältnis von 64 gr zu 1 kg. Das Körper gewicht fiel zuerst von 57,5 kg auf 51 kg und stieg dann wieder auf 56 kg. II. Fall Eine Frau von 59 Jahren, ebenfalls diabetisch, korpulent; die Anwesenheit von Zucker war zwei Monate vorher zum erstenmal konstatiert worden; man hatte sie verschiedenemale auf Eiweiß behandelt. Zunächst wurde weder Eiweiß gefunden, noch Nierenleiden. Die in 24 Stunden abgelassene Urinmenge betrug st Liter, welche 43 gr Zucker im. Liter, oder 137 gr pro Tag enthielt. Begier zum Essen und Trinken, allgemeine Schwäche, Ziehen in den Beinen und Schmerzen darin. Der Aderdruck war ziemlich hoch, von 27 bis 30 cm Quecksilber, Puls schwach, 64 Schläge in der Minute, Temperatur wenig über der normalen, schwankend zwischen 37.3° bis 37.5°. Der Giftstoff im Urin betrug 107 gr per Kilogramm. Die elektrische Behandlung dauerte jedesmal 10 Minuten und | wurde gut vertragen, nur blieb ein Gefühl von großer Müdigkeit I zurück. Nach 10 Behandlungstagen fand sich keine Aenderung in der Menge des innerhalb 24 Stunden gelassenen Urins, der Zucker gehalt aber war nahezu auf die Hälfte heruntergegangen, 24 gr per Liter anstatt 43 gr. Der Aderdruck fiel auf 25 cm Quecksilber, die Zahl der Pulsschläge stieg von 76 auf 80, während die Temperatur nicht sonderlich verändert war. Der Giftstoff im Urin stieg auf 87 per kg. Trotz der Verminderung des Zuckers war die Besserung nicht so groß wie in dem vorher erwähnten Fall. Das Verfahren wurde für ein paar Tage eingestellt und dann für Perioden wieder aufgenommen, die von 10 auf 3 Minuten verringert wurden. Die Patientin fühlte sieh wohler, schlief gut, hatte kein Ziehen in den Beinen mehr und die Menge des in 24 Stunden ausgesehiedenen Zuckers fiel auf 38 gr. Dieser Fall zeigt die Wichtigkeit technischer Kenntnis in dieser Art der Behandlung. Wie groß sollte die Zahl und wie lang die Dauer der Sitzungen sein ? Sollten sie seltener j vorgenommen oder eine zeitlang aufgeschoben werden ? So gibt es noch eine ganze Anzahl Fragen, über welche die Erfahrung allein entscheiden kann. III. Fall. Ein Kutscher, 36 Jahre alt, an Fettsucht leidend, Gewicht 130 kg, mit sehr deutlich unregelmäßiger Herzthätigkeit. Die Behandlung wurde täglich 10 Minuten lang vorgenommen. Schon nach einigen Tagen trat Besserung ein. Die Menge des aus geschiedenen Urins stieg von 33,72 gr auf 41,63 gr in 24 Stunden. Der Druck ging von 18 auf 20 cm Quecksilber und die Zahl der Pulsschläge von 72 auf 108. Nach 14 Tagen gestand der Patient, daß er Anfälle von Atemnot gehabt, aber stillgeschwiegen habe, weil er großes Vertrauen in die Behandlung gesetzt und nicht gewünscht hätte, daß sie unterbrochen würde. Von da an sank die Menge des ausgesehiedenen Urins auf 24 gr per Tag. Die Behandlung wurde auf 14 Tage ausgesetzt und dann in kürzeren Sitzungen, 3 Minuten statt 10, wieder aufgenommen. Nach wenigen Tagen traten dieselben Erscheinungen auf, Atemnot, Ver minderung der Urinausscheidung und des Aderdrucks. Die Behandlung wurde aufgehoben. Der Giftstoff im Urin hatte sich vom Anfang bis zum Ende der Behandlung um wenig gehoben, von 84 bis 87. Diese Beobachtung zeigt, daß der Strom von hoher Wechselzahl mächtig auf den Stoffwechsel wirkt. Diese neue therapeutische Behandlung ist vielversprechend, doch möchte ich die Aerzte besonders darauf hinweisen, daß noch viel in klinischer Hinsicht bei dieser Art der Behandlung zu thun übrig bleibt. Ich habe gezeigt, daß Ströme von hoher Frequenz bedeutend auf das ganze Körpersystem einwirken; hier endet vorerst meine Rolle als Physiologe. Ich will nun einige Worte über den theoretischen Gesichtspunkt hinzufügen. Wie kommt es, daß diese Ströme, deren Wirkung so mächtig ist, keinen Eindruck auf die Gefühlsnerven machen? Aerzte sagen, dies rühre daher, daß sie nur auf die Oberfläche einwirken. Ich habe im Gegenteil bei physiologischen Versuchen gefunden, daß diese Ströme tief eindringen und besonders auf die vasomotorischen Zentren wirken. Die Aerzte haben nicht beachtet, daß ihre Erklärung nur für gute Leiter, wie die Metalle, Geltung hat. In dem Fall, wo Leiter in Betracht kommen, die nur die Leitungsfähigkeit des menschlichen Körpers besitzen (die kleiner ist als Wasser mit 1 pCt. Salzgehalt), geht die Verteilung des Stromes gleichmäßig durch das Ganze. Dies kann überdies leicht bewiesen werden, so wie ich es an einem mit Salzwasser gefüllten Glaszylinder von 70 cm Länge und 25 cm Durchmesser bewiesen habe. Die Stromdichten längs der Achse und nahe an der Glaswand waren nur um 1 ico des Wer! cs verschieden. Die wahre Erklärung der Harmlosigkeit dieser Ströme von hoher Wechselzahl ist deshalb physiologischer Natur, wie ich schon im Eingang dargelegt habe. Kr. >,V Der kombinierte Wechselstrom- und Gleichstromkreis. In einer Mitteilung, welche von B. O. Ellis in der Eleetrical World vom 21. Dec. 1895 veröffentlicht wurde, lenkte derselbe die Aufmerksamkeit auf die Thatsache, daß man in erfolgreicher Weise eine Gleichstrommaschine und eine Wechselstrommaschine in einem Dreileitersystem nach der beistehend abgebildeten Anordnung betreiben könne. Von Alexander Rüssel wurden darüber kürzlich in einer Mitteilung im Londoner Electrician einige Bemerkungen veröffentlicht, welche wir im Auszug wieder geben. Die Wirkung, welche bei dem Uebereinanderlegen eines Gleichstromes über einen Wechselstrom und umgekehrt stattfinden, sind sehr merkwürdiger Art und verdienen mehr Beachtung, als sie bisher gefunden haben. Die Theorie ist einfach. Es ist nur eine klare Idee von dem effektiven Werte des Wechselstromes und die elementare Kenntnis der Algebra erforderlich. Diese Wirkungen haben bereits für verschiedene praktische Zwecke Anwendung gefunden und man darf erwarten, daß noch viele andere Anwendungen folgen werden. So wird z. B. bei dem Lowris- Hall-Electrizitätsmesser ein kleiner Akkumulator mit einem Kupfer- Voltameter hintereinander in die Hausleitung eingeschaltet und da das Gewicht des Niederschlags auf einer Kupferplatte im Voltameter proportional am verbrauchten Strome ist, so konnte dadurch der Stromverbrauch bemessen werden. Eine ähnliche Anordnung wird benutzt, um den Widerstand in einem Wechselstromkreise während des Stromdurchgangs zu messen; außerdem sind noch andere. An wendungen vorhanden. Es werden auch zahlreiche Laboratorium- versuehe mit kombinierten Wechsel- und Gleichstromspannungen aus geführt, welche jedoch fast nur wissenschaftliches Interesse haben. Die wichtigste praktische Eigenschaft des kombinierten Wechsel- und Gleichstroms in einem Leiter ist die, daß jeder seine eigenen, praktisch von einander unabhängigen Wärmeeffekte erzeugt. Um dies zu beweisen ist es erforderlich, daß der effektive Wert des kombinierten Stromes bestimmt wird, welche Bestimmung Rüssel nach der folgenden wohlbekannten Methode ausführte. Es sei I der Wert des Gleichstroms und i der angebliche Wert des Wechselstroms. Der Gesamtwert des kombinierten Stromes ist dann für irgend einen Zeit punkt gleich I + i und das Quadrat des effektiven Werts des Stromes ist der mittlere von (I + i) 2 = I 2 + 2 I i + i 2 . Aber der Mittelwert dieses Ausdrucks ist I 2 + Q 2 , wobei I, 2 den effektiven Wert von i 2 bezeichnet. Da I konstant ist, so ist natürlich sein Mittelwert gleich P und der Mittelwert von 21 i ist für eine vollständige Periode gleich Null. Für jeden positiven Wert von i besteht auch ein entsprechend negativer Wert und der Mittelwert der positiven Werte ist gleich dem Mittelwert der negativen Werte, weil nach beiden Richtungen gleich viel Wechselstrom fließt. Demnach ist der Mittelwert von i 2