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XIV. Jahrgang. „ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU. 1 No. 3. 1896/97. P. Bruckmann & Söhne, Heilbronn. Fabrik für Kunstgewerbe. Das Kunstgewerbe hat in den letzten Jahrzehnten einen ungeahnten Auf schwung in ganz Deutschland genommen; die Errichtung zahlreicher Gewerbe- und Zeichenschulen, na mentlich aber von Kunst gewerbeschulen, sowie ständig offener Zeichen säle haben bewirkt, daß Deutschland in Bezug auf das auch in materieller Be ziehung sehr ergiebige Kunstgewerbe an erste Stelle gerückt ist. In Württemberg beson ders hat das Kunstge werbe schon seit vielen Jahrzehnten besondere Pflege gefunden und so haben sich auch gerade in diesem Land eine größere Zahl von Werkstätten he rausgebildet, welche sich im Kunstgewerbe mit großem Erfolge hervor- thun. Eine solche Werkstätte ist von der Firma P. Bruckmann & Söhne schon im Jahre 1805 ins Leben gerufen worden. Der Gründer der Firma, ein feinfühlender Kunsthand werker und weitblickender Geist, dessen Reliefbild jetzt neben denen anderer berühmter Schwaben den Prachtbau des neuen Landesgewerbemuseums schmückt, verstand es, den sicheren Weg zu finden, der die Firma zu dem Um. fang und zu der künst lerischen Höhe führte, welche dieselbe heute mit Ehren einnimmt. Der „Schwabenkessel“, den die Firma in Anleh nung an alte Sagen für die Ausstellung geschaffen, ist ein Meisterwerk ersten Ranges, das einer ausführ lichen Beschreibung wegen seiner künstlerischen J-Sihjler, .Ki Der „Schwabenkessel“. Grosses Prunkstück (Bowle) in Silber. - Ausgeführt von der Firma P. Bruckmann & Söhne in Heilbronn zur Kunstgewerbe-Ausstellung in Stuttgart 1896. Heilbronn und Lichtenstein. Ein reichgetriebenerKessel mit Eisbehälter ent hält die Bowlen-Einrichtung, den Ablauf für das edle Naß bildet ein Drache, der an die Knorren des Eisbehälters sich anklammert. Drei Pflanzenmotive, Epheu für den Ekkehard, die Traube für das Käthclien und die wilde Rose für den Lichtenstein, überrauken, flott getrieben, den ganzen Kessel und umfassen drei Basreliefs, „Virgil auf dem Hohentwiel“, „Käth- chen unter dem Holder busch“ und „Herzog Ulrich in der Nebelhöhle“, drei Medaillonköpfe, wie man sie an schwäbischen Re naissancebauten viel sieht, zeigen den Alten aus der Heidenhöhle, Friedeborn und Götz von Berlichingen. Den stark und mauerartig profilierten Bowlenrand schmücken drei erkerartige Vorsprünge, von denen drei Halbfiguren herab grüßen, „Romeias der Thor wart“, „das Männdle von Heilbronn“ u. „der Pfeifer von Haardt“. Ueber Busch werk und Felsgipfeln er hebt sich dann frei und stolz wie droben auf der Schwabenalb das Schlößlein Lichtenstein als glücklich gewählte Bekrönung des Ganzen. Der Kessel ruht in einem Ringe, der von einem monumentalen drei teiligen Unterbau getragen wird. Ein breiter Architrav, reich mit Lapis lazuli ge schmückt, wird von großen Nischen unterbrochen, die im Hintergrund reich ema illiert sind und von Lapis säulen flankiert werden, während durchbrochene spätgothische Baldachine ihre Krönung bilden. In den drei Nischen sind drei künstlerisch ausge führte Gruppen, welche dieFrauengestalten aus den drei Sagen verkörpern, untergebracht. Da sehen wir Frau Hadwig, wie sie das Waltarilied vom Pfeil gelöst hat und in wehmütigem Erinnern Großer Silber-Tafel-Aufsatz mit elektrischer Beleuchtung. Entworfen und modellirt von G. Haas, ausgeführt von der Firma P. Bruckmann & Söhne in Heilbronn zur Kunstgewerbe-Ausstellung in Stuttgart 1896. Vollendung injhohem Grad wert ist. Der „Schwabenkessel“, dessen Abbildungwir hier bringen, stellt eine prächtige, 16 LiterfassendeBowle vor und versinnbildlicht die drei schönsten Sagen, die auf Schwabens Boden spielen, Ekkehard, Käthchen von träumt; das Käthchen, deren Blick, ins Weite gerichtet den Ritter zu suchen scheint, und endlich die Marie von Lichtenstein, in lebhafter Bewegung, wie sie Sturmfeder die Rose zuwirft.