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226 XIV. Jahrgang. „ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU“ No. 18. 1896/97. der zugleich zur Vornahme genauer wissenschaftlicher Arbeiten dient; ferner eine Anzahl kleinerer Zimmer, die es Vorgerückteren er möglichen, länger dauernde Einzelarbeiten ungestört durchzuführen; den Maschinenraum zur Untersuchung von elektrischen Maschinen jeder Art, welcher zur Vermeidung der Uebertragung von Erschütte rungen auf das übrige Gebäude auf ein besonderes Fundament gestellt ist und in welchem an jedem Platz Maschinengruppen für bestimmte Messungen in beliebiger Kombination mittels eines elektrischen Krans schnellstens montiert werden können. Der Antrieb der Maschinen erfolgt ausschließlich elektrisch und ihre Messung in dem neben liegenden Dynamomeßraum. Bestimmten Zwecken dienen ferner: der Kabelmeßraum zur Einübung der Kabelmeßtechnik ; die Photo meterräume, in denen Glüh- und Bogenlampen genau untersucht werden; das magnetische Zimmer für technische Eisenuntersuchungen ; der Prüfungsraum für Elektrizitätszähler und technische Strom- und Spannungsmesser u. a. m. Ein ausgedehntes Kabelnetz von mehr als 5 Kilometer Gesamtlänge führt die nötigen elektrischen Ströme, welche dem Städtischen Elektrizitätswerk, den zahlreichen Dynamo maschinen im Masehinensaal, sowie den in großem Maßstab vor handenen Akkumulatorenbatterien beliebig entnommen werden können, in alle Räume. Das reichlich vorhandene Instrumentarium wird durch die mit Werkzeugmaschinen sehr gut ausgestattete Werkstätte in Ordnung gehalten und fortwährend vermehrt. Die ganze Einrichtung des Elektrotechnischen Instituts und seine Räume ermöglichen es mehr als hundert Studierenden, ihre Uebungen gleichzeitig und ohne gegenseitige Störung vorzunehmen. —WW. Die Elektrizitäts-Aktien-Gesellsehaft vormals Sehuekert & Co. hat für die Lehrlinge ihrer Werkstätten eine unter der unmittelbaren Leitung eines staatlich geprüften Pädagogen stehende technische Fort bildungsschule gegründet. Diese hat die Aufgabe, ihren Schülern eine bessere allgemeine und sachliche Ausbildung zu geben und das Verständnis für die praktische Thätigkeit durch entsprechende theore tische Kenntnisse zu fördern. Tüchtige Arbeiter zu erziehen ist End zweck der Schule. Der Unterricht umfaßt: Deutsche Sprache, Geo graphie, Gesundheitslehre, einfache Buchführung, Geschäfts- und Bueh- stabenrechnen, Raumlehre, Physik, Chemie, Mechanik, Elektrotechnik und Zeichnen. Schulgeld wird nicht erhoben. Söhne von Angestellten und Arbeitern der Fabrik erhalten auch sämtliche Lehrmittel unent geltlich, während andere Schüler dafür 10 Mk. zu entrichten haben. Die Schule hat zunächst zwei Kurse und wird nächsten Herbst durch einen dritten ihre Organisation vervollständigen. Die auf Vormittags und Nachmittagsstundeu der Werktage sich verteilende Unterrichtszeit darf 14 Wochenstunden pro Kurs nicht überschreiten. —W. W. Sitzung der internationalen Gesellschaft der Elektro techniker zu Paris. In der Sitzung vom 5. Mai hat Herr Dr. D’Arsonval sich zuerst dafür bedankt, daß ihn die Gesellschaft zum Präsidenten gewählt habe. Die ganze Sitzung war Mitteilungen über elektrischen Bahn betrieb gewidmet. H. Lasnier sprach zuerst über das System elektrischer Traktion, welches auf den Linien von der Madeleine nach Courbevoie, Neuilly und Levallois zur Anwendung gekommen ist. Die Wagen sind bereits seit einem Monat in Betrieb gesetzt. Das Netz begreift drei Linien in sich, die eine ist die von Madeleine nach Courbevoie-Neuilly (6,7 km), die zweite die von der Madeleine nach Courbevoie (6,6 km) und die dritte die von der Madeleine nach Levallois. Der Betrieb geschieht mittels Akkumulatoren, welche an den Endstationen geladen werden; die Ladung erfordert nur wenige Minuten. Die Zentrale enthält drei Dampfkessel Babcock & Wilcox, welche 1800 kg Dampf in der Stunde erzeugen bei einem Druck von 16 kg auf den Quadratcentimeter; drei Dampf-Motoren Willans von 200 Pferden bei 460 Touren in der Minute, sie wirken direkt (einzeln) auf drei vierpolige Dynamos Brown von 200 Ampere und 660 Volt. Die Schalttafel besteht aus drei getrennten Abteilungen, von denen jede zu einer Maschine gehört. Jede Abteilung enthält Ab- schmelzsicheruugen, einen zweipoligen Unterbrecher, ein Ampere meter Hartmann & Braun und einen Erregerrheostaten. Die Speiseleitungen, welche von den Klemmen des Schaltbrettes ausgehen, sind 5 an der Zahl; zwei dienen zur Ladung in der Zentrale und zur Beleuchtung und 3 für die Endstationen. Die Ladungsstellen befinden sich an den Enden der Linien, welche wir oben namhaft gemacht haben. Die zwei ersten Kabel haben einen Querschnitt von 150 qmm und das dritte einen von 250 qmm. Am Anfang jedes Kabels befindet sich auf der Schalttafel ein Hebel unterbrecher und ein automatischer Unterbrecher, sowie Sicherungen und ein Amperemeter. An jeder Ladestelle befinden sich die nötigen Apparate, namentlich auch ein Apparat, welcher das Ende der Ladung anzeigt. Der Wagenlenker braucht nur, wenn der Wagen am Ende einer Fahrt angekommen ist, die Drähte des Wagens mit den Speisedrähten an der Ladestation in Verbindung zu bringen und zu warten, bis eine elektrische Schelle ihm das Ende der Ladung anzeigt. Die Wagen sind sehr schön und bequem eingerichtet; sie ent halten 52 Plätze, die Tudor-Akkumulatoren, 200 an der Zahl und von Gesamtgewicht von 3500 kg, sind unter den Sitzplätzen ange ordnet. Die Wagen hat das Haus David & Desouches von Pantin geliefert. Jeder Wagen hat zwei elektrische Motoren von je 25 Pferden; sie sind vierpolig und haben Kohlenbürsten. Ein eigen artiger Ivontrollhebel gestattet alle Operationen auszuführen, welche dazu nötig sind, um die Ladung in Gang zu setzen und sie am Ende der Ladung aufzuheben. Auf jedem Wagen befinden sich zwei kleine Ventilatoren, welche man in Thätigkeit treten läßt, um die sich entwickelnden Gase nach unten zu treiben. Die bis jetzt erhaltenen Ergebnisse sind sehr zufriedenstellend; die Unterhaltung der Akkumulatoren verursacht nur unbedeutende Kosten, während die Wagen 6000 km zurücklegen. Man rechnet einen Verbrauch von 860 Wattstunden auf den Wagenkilometer und von 2591 kg Kohle für den Wagenkilometer. Der elektrische Effekt der Akkumulatoren hat 71 Prozent erreicht. Hierauf sprach H. Hospitalier über elektrische Automobilen. Er erinnert daran, daß er im Jahre 1881 die Ansicht ausgesprochen, die Akkumulatoren würden sich soweit vervollkommenen, um zum elektrischen Betrieb von Fiakern benutzt werden zu können. Diese Voraussage hat sich zum Teil bereits bewahrheitet und es ist wahr scheinlich, daß nach einem Jahre elektrische Fiaker im ständigen Betrieb sein werden. Er legt hierauf dar, welche Arbeit ein Pferd verrichten kann. Diese Arbeit ist veränderlich, doch kann man annehmen, daß ein Pferd 500 Watt und 3 Kilowattstunden per Tag leisten kann. Zieht man dabei das Gewicht in Betracht, so findet man bloß 1 Watt per Kilogramm und 6 Wattstunden per Kilogramm. Diese Zahlen sind zweifellos niedriger als die, welche man bei Akkumulatoren erhält. Ein Pferd kann eine Zugkraft von 100 Kilo gramm ausüben; seine Geschwindigkeit ist sehr veränderlich. Was die elektrischen Automobilen betrifft, so können für deren Betrieb nur Akkumulatoren in Betracht kommen und Herr Hospitalier schlägt vor, ihnen den Namen „Akkumobilen“ (accumobiles) zu geben. Der Mechanismus dieser Wagen ist außerordentlich einfach; man braucht eine Energiequelle, die Akkumulatoren, einen Motor und einen Hebel. Die Wagen werden mit allen heute bekannten mechanischen Neuerungen versehen. Herr Hospitalier erinnert an die neuesten Versuche von H. Michelin über die Aufhängungs vorrichtungen für Akkumulatorenkasten und hebt die Vorzüge der Luftbremse hervor. Die Akkumulatoren haben große Fortschritte gemacht. Im Jahre 1881 rechnete man 0,6 Watt auf das Kilogramm; einige Jahre später erhielt man 2 Watt und 12 Wattstunden per Kilogramm. Im Jahre 1897 lieferten die Akkumulatoren Fulmen per Kilogramm 30 Wattstunden bei einer Ausgabe von 1,5 Watt per Kilogramm, 25 Wattstunden bei einer Ausgabe von 5 Watt per Kilogramm und 20 Wattstunden bei einer Ausgabe von 10 Watt per Kilogramm. Im Jahre 1881 brauchte man 1000 kg Akkumu latoren, um 1 Kilowatt und 1000 kg um 1 Kilowattstunde hervor zubringen; im Jahre 1897 aber braucht man nur noch 200 kg zur Erzeugung von 1 Kilowatt und 50 kg zur Erzeugung von 1 Kilo wattstunde. Auch die elektrischen Motoren haben große Fortschritte gemacht. Im Jahre 1881 war ihr Nutzeffekt kaum 60 pCt. bei 30 bis 40 kg per Kilowatt. Im Jahre 1897 ist ihr Nutzeffekt auf 80 pCt. gestiegen und ihr Gewicht auf 15 oder 20 kg per Kilowatt heruntergegangen. Die elektrischen Motoren haben den großen Vorteil, automatisch ein Kräftepaar zu erzeugen, welches sich verstärkt, wenn die Geschwindig keit geringer wird; sie regulieren sieh von selbst. Dies gilt nicht für die Petroleummotoren, welche ein gleichbleibendes Kräftepaar hervorbringen. Die wesentlichen Vorteile der elektrischen Automobilen sind folgende: Sicherheit, keine Stöße und Schwingungen, leichtes und l’asches Anhalten, keine merkliche Wärmeerzeugung, kein Geruch, Sauberkeit, Einfachheit der Konstruktion, sowie Einfachheit des Angehens und Anhaltens. Alle elektrische Automobilen verbinden heute Eleganz mit sparsamen Betrieb und billigem Herstellungspreis. Die Mängel der elektrischen Automobilen sind folgende: man braucht eine Ladestation für die Akkumulatoren; dazu kommt das hohe Gewicht des Motors und der Akkumulatoren, während man freilich bei einem gewöhnlichen Wagen das Gewicht des Pferdes in Anrechnung bringen muß, das auch nicht gering ist. Ferner wirft man den elektrischen Automobilen vor, daß Säuren angewendet werden müssen, aber diese Flüssigkeit ist in verschlossenen Akkumulatorzellen enthalten. Für die Nachladung der elektrischen Batterien kann man drei Verfahren anwenden : 1) Die rasche Ladung in der Station. 2) Die Ersetzung der Batterien durch neue nach der Entladung. 3) Die Ladung während der Nacht. Die rasche Nachladung in der Station kann Schwierigkeiten darbieten, namentlich wenn die Zahl der Wagen groß ist. Auch die Ersetzung entladener Batterien durch geladene bietet Schwierigkeiten dar. Es scheint daher, als ob die Neuladung während der Nacht die beste Lösung wäre. Man mußte dazu 44 bis 45 Elemente haben, welche auf den Verteilungslinien auf 110 bis 120 Volt geladen wurden. Es würden sich wahrscheinlich Elektrizitätsgesellschaften finden, welche zum Preise von 0,40 Frs. für die Kilowattstunde die Ladung übernähmen. Man hat auch noch andere Systeme für die elektrischen Auto mobilen vorgeschlagen. Von diesen erwähnen wir die Anwendung des Systems Heilmann bei den Wagen; ein Petroleummotor von geringer Stärke treibt eine Dynamo, welche die Akkumulatoren auf der Höhe der Ladung hält u. a. m.