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No. 8. 1896/97. 117 XIV. Jahrgang. „ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU.“ jederzeit freien Passage, bei jeder Witterung, bei Tag und Nacht liegt die Bedeutung des Kanals als eines sicheren /und bequemen Weges. Ohne Beleuchtung würde der Vorteil, den die Schiffe gerade bei Benutzung des Kanals erzielen wollen und sollen, illusorisch werden und die Schiffer würden es vorziehen, während der Nacht den doch durch Leuchtfeuer erleichterten Weg um Skagen zu machen, als trotz der hohen Gebühren genötigt zu sein, bis zum anderen Morgen vor den Mündungen oder mitten im Kanal still zu liegen. Die während der Nacht den Kanal benutzenden Schiffe sind zum Teil in regelmäßiger Fahrt beschäftigte Personen- und Fracht- dampfer, die ihre Ankunfts- und Abfahrtszeiten den Verkehrs bedürfnissen anpassen müssen und keine Zeit haben still zu liegen; am allerwenigsten werden sie es tliun vor oder in einer Verkehrs- straie, wenn die Möglichkeit gegeben ist, auf freier See unbehindert ihre Reise fortzusetzen. Die Ersparnisse durch die Benutzung des Kanals würden sonst bald verloren sein. Vom 1. Januar bis Ende Oktober v. J., also in 10 Monaten, haben 1629 Schiffe den Kanal bei elektrischer Beleuchtung durchfahren und zwar 977 bis'' zur Hälfte der Dauer ihrer Fahrzeit und 652 längere Zeit. 1629 Schiffe sind aber 10 pCt. der Gesamtpassage. Diese Zahlen scheinen doch zu beweisen, daß thatsächlich ein Bedürfnis für die Nachtfahrt vorliegt und sie stellen sich noch ganz bedeutend günstiger, wenn man die Dampfer allein in Betracht zieht. — Sodann mag darauf hingewiesen werden, daß eine Beleuchtung — im eigentlichen Sinne —, die auf der 98 km langen Kanalstrecke als Luxus bezeichnet wurde, überhaupt nicht vorliegt. Die Fahrstrecke wird während der Nacht durch elektrisches Licht deutlich markiert, sodaß sie ebenso sicher befahren werden kann wie am Tage. Thatsächlich weigert sich denn auch kein Handelsdampfer, den Kanal bei Licht zu befahren. Was die Wirtschaftlichkeit der Anlage angeht, so entspricht sie allen billigen Erwartungen, denn trotz der großen Länge der Strecken bleiben nur 26 pCt. der elektrischen Energie für die Lichtwirkung ungenutzt. Im Uebrigen sind alle Schifffahrtskreise darin einig, daß der moderne Verkehr die elektrische Beleuchtung eines Wasserweges von der Bedeutung des Kaiser Wilhelms-Kanals mit Naturnotwendigkeit gebieterisch fordert. (Gas-Ztg.) Tragweite des Lichtes zur Nachtzeit. Die für den Signal dienst auf See so wichtige Frage nach der Entfernung, auf welche bestimmte Lichtstärken in der Nacht wahrgenommen werden können, ist, wie die „Techn. Rundschau des Berl. Tagebl.“ berichtet, von einer internationalen Kommission untersucht worden. Die deutsche Sektion derselben fand, daß ein Licht von einer Kerzenstärke noch auf 2,25 km sichtbar wurde, bei Regen nur auf 1,6 km. Die amerikanische Sektion fand überhaupt nur 1,6 km auch für klare Nächte, dreikerziges Licht auf 3,2 km, zehnkerziges konnte mit Feldstecher noch auf 6,4 km, 29-kerziges auf 8,0 km eben wahr genommen werden. Am ungünstigsten verhält sich grünes, und zwar grasgrünes und gelbgrünes, etwas besser blaugrünes Eicht. Diebstahl an Elektrizität. Von Professor Dr. Heinrich Dernburg, Berlin.*) Vor vielen Dezennien, als noch die akademische Gerichtsbarkeit ihres Amtes waltete, unterfingen sich Studierende in Halle, welches damals Nachts nur unzulänglich beleuchtet wurde, in tiefer Finsternis die Hähne der städtischen Gasleuchter aufzudrehen und die gute Stadt in vollen Lichtglanz zu setzen. Das Auge des Gesetzes aber erwachte. Die Studierenden wurden vor das Universitätsgericht zitiert, überführt und wegen „Sachbeschädigung“ angeklagt. Im Senat erhob sich Streit darüber, ob Gas eine körperliche Sache sei. Es wurde das corpus juris zu Gunsten der Attentäter angeführt. Sagt doch Justinian: „corporales res sunt, quae tangi possunt veluti fundus, homo, vestis, aurum, argentum et denique aliae res innumerabiles.“ Wer aber hat je Gas mit seinen Händen betastet! Gas gehört also nach Justinianus nicht zu den unzähligen körperlichen Dingen. So fand der humoristische Studentenstreich seinen Abschluß mit guter Manier, die Studierenden wurden von der Anklage wegen Sachbeschädigung freigesproehen. Wer hätte geahnt, daß das Reichsgericht in ernster Sache eine ähnliche Entscheidung treffen werde. Allerdings nicht bezüglich des Gases, von dessen Körperlichkeit man sich inzwischen — wie ich annehme — allgemein überzeugt hat, wohl aber bezüglich der Elektrizität. Denn wir lesen in der „Deutschen Juristen-Zeitung“ vom 15. November 1896 auf Seite 446 aus einer Entscheidung des 4. Strafsenats des Reichsgerichts vom 20. Oktober 1896 folgendes: „Der Angeklagte hatte aus der F.sehen Zentrale eine Woche lang elektrischen Strom für seinen Motor in der Absicht rechtswidriger Zueignung entnommen und wurde deshalb wegen Diebstahls an geklagt. Das Instanzgericht erkannte auf Freisprechung, denn Diebstahl sei nach dem Reichsstrafgesetzbuch nur an einer beweglichen „körperlichen“ Sache möglich. Wie aber die Ausführungen des Sachverständigen ergäben, gehe man in der Wissenschaft mehr und mehr davon ab, daß die Elektrizität ein „Fluidum“ oder überhaupt eine „Sache“ sei und neige sich der Ansicht zu, daß es sich nur um einen „Zustand“ handle, der längs des Leitungsdrahts vermittelt werde und vermutlich in Schwingungen kleinster Teile (Moleküle) bestehe; die Elektrizität könne daher nur in ihrem Effekt, in der „Kraft,“ die sie enthalte oder äußere, erkannt werden. Auf Grund *) Deutsche Juristen-Zeitung, No. 24, 1896. dessen hat das Instanzgerieht angenommen, daß die Elektrizität keine körperliche Sache sei und mithin auch nicht Gegenstand eines Diebstahls sein könne. Das Reichsgericht verwarf die von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision. Zutreffend sei das Instanz gerieht davon ausgegangen, daß Diebstahl wie auch Unterschlagung nur an körperlichen, beweglichen Sachen begangen werden könne. Ob die Elektrizität eine solche Sache sei, darüber sei nicht auf Grund von Rechtsnormen, sondern auf Grund naturwissenschaftlicher Forschung zu entscheiden; habe das Instanzgerieht sich auf Grund der Auseinandersetzungen des Sachverständigen dafür entschieden, daß die Elektrizität nichts Stoffliches, Körperliches sei, sondern nur eine Bewegung kleinster Teile oder eine Energie oder ein Zustand, der längs des Leitungsdrahtes vermittelt werde, so sei darin jedenfalls eine rechtsirrige Auffassung nicht zu finden. Das Reichsgericht sei nicht berufen, über naturwissenschaftliche Probleme autoritiv zu entscheiden.“ Das letztere ist zweifelsohne richtig. Das Reichsgericht hat rechtliche Entscheidungen zu fällen, nicht über physikalische Erscheinungen zu erkennen. Sind nur seine Rechtsentscheidungen dem Recht entsprechende und dem öffentlichen Nutzen angemessen, so hat es seine Aufgabe erfüllt. Physikalische Probleme hat der Jurist nicht zu lösen. Auch wir wollen uns daher nicht unterfangen, den „Sach verständigen“ des Instanzgerichts vom physikalischen und philosophischen Standpunkt aus zu rektifizieren. Aber eine gewisse Verwunderung können wir doch über seine Ausführungen, denen sich das Instanz gericht und das Reichsgericht konformiert haben, nicht unterdrücken. „Die Elektrizität könne,“ meint der Sachverständige, „nur in ihrem Effekt, in der Kraft, die sie enthalte oder äußere, erkannt werden.“ Woran erkennt der Mensch aber anders die Körperwelt als in dem Effekt und in der Kraft, die sie äußert! Das gilt für alles, was der äußern Natur angehört. Daher gab es Philosophen und gibt es solche, welche überhaupt die objektive Existenz der äußern Dinge leugnen! Es sei zweifelhaft, meint das Reichsgericht,' sich hieran anschließend, ob die Elektrizität „etwas Stoffliches, Körperliches“ sei, oder eine „Energie“ oder ein „Zustand.“ Aber was in der Außenwelt wirkt, muß auch in der Außenwelt vorhanden sein! Die Elektrizität wirkt aber bekanntlich in der Außenwelt und zwar mächtig genug! Auf physikalische Probleme kommt es jedoch bei unserer Frage, wie gesagt, nicht an. Das Strafgesetzbuch bestimmt, daß wegen Diebstahls bestraft wird, wer eine fremde, bewegliche Sache in der Absicht wegnimmt, dieselbe sich rechtswidrig zuzueignen. Die Frage ist daher dahin zu stellen: Was ist im Sinn dieser Vorschrift als „Sache“ zu verstehen! Das kann nur nach dem Zweck der Strafrechtsnorm bemessen werden. Derselbe geht offenbar dahin, den Privaten, welchem rechtmäßig Güter der Außenwelt zu eigen sind, gegen rechtswidrige Zueignung zu schützen. Die Elektrizität aber ist ein Gut, das in der Außenwelt vorkommt, welches der Aneignung durch Menschen fähig ist, und das im gegebenen Fall dem Eigentümer der Fabrikationsstätte gehörte, ja, das er als ein verwertbares Gut erst geschaffen hatte. Um deswillen ist sie eine Sache im Sinne des Civilrechts und des Strafrechts. Eine gesetzliche Definition des Begriffs der Sache für das Strafrecht gibt es nicht. Wenn in den Pandekten von den res corporales als res quae tangi potest gesprochen wird, so illustriert dies den Begriff der körperlichen Sache. Es lag keinenfalls in der Absicht, damit den Begriff der Sache für alle Zeiten zwingend ab zugrenzen. Man scheint sich aber von der Definition der Schule nicht losmachen zu können. Deshalb meint das Reichsgericht, es sei nicht entschieden, ob die Elektrizität etwas Stoffliches sei oder blos Energie. Das ist aber völlig unerheblich. Wir wissen nicht, was das Stoffliche der Sachen ausmacht. Was geht dies das Recht an! Wenn es sieh um Güter handelt welche dem Menschen dienen, für ihre Wirtschaft von Nutzen sind, die sich in der Außenwelt befinden, welche sich Menschen aneignen und sich rechtmäßig angeeignet haben, so liegen für das Recht Sachen vor. Das Recht ist eben ein Organismus für das menschliche Zusammenleben, nicht eine philosophische Doctrin, es handelt sich dabei um wirtschaftliche und ethische Thatsachen, nicht um physikalische Theorien! Was soll denn nun werden? Soll die Elektrizität rechtlos sein, bis dem Reichsgericht naehgewiesen wird, sie sei „stofflich?“ Oder soll die Gesetzgebung einschreiten, um der Rechtsprechung des Reichsgerichts unter die Arme zu greifen! Der 4. Senat des Reichsgerichts in Civilsachen (Entsch. Bd. 17, S. 271) hat — allerdings zunächst mit Beziehung auf preußisches Recht — vor nicht allzulanger Zeit gleichfalls über die Frage ent schieden, ob Elektrizität Sache sei, und dieser Senat hat die Frage bejaht. Seine Ausführungen enthalten beherzigenswerte Wahrheiten. Wir heben aus ihnen hervor: „Der elektrische Strom ist eine Schöpfung neuester Zeit! Und es handelt sich darum, ihm als Gegenstand des Rechtsverkehrs seine Stelle im Rechtsverkehr anzuweisen.“ Besonders gegen den Schluß erhebt sich die Entscheidung des Reichsgerichts in Civilsachen zur Höhe seiner Aufgabe. „Im Rechtssinn,“ führt es aus, „ist ein wesentlicher Unterschied zwischen dem vom Berufungsgerichte aufgestellten Beispiele der Er zeugung von brennbarem Gas und seiner Leitung in Röhren nach