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115 XIV. Jahrgang ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU.“ No. 8. 1896/97. Einganges zur Taubenloclisclilucht und unmittelbar gegenüber der berühmten Juraquelle, welche die Wasserversorgung der Stadt Biel speist. Näheres über die Turbinenanlage siehe in der Bauzeitung selbst. Elektrische Einrichtungen in der Primärstation. Die zwei Generatoren sind sechspolige Hauptstrommaschinen, System Thury, mit Bingarmatur, welche bei 275 Touren im normalen Betriebe zusammen 365 PS aufzunehmen vermögen. Die Kerne und Polstücke der Feldmagnete bestehen ganz aus Schmiedeisen; die für Serienschaltung ausgeführte Elektromagnetwickelung besitzt 1944 Windungen von 7 mm Kupferdraht. Der Durchmesser der Ausbohrung beträgt 1100 mm, jedes Polstück überspannt einen Bogen von 50°. Die Armatur ist als Gramme’scher Bing gebaut und zeigt die Eigentüm lichkeit, daß der ganze Kollektor fliegend am Bingkern befestigt und mit diesem vollständig vom Anker und der Welle isoliert ist. Der Anker besitzt eine Beihen- wickelung, bestehend aus 442 Spulen von je sechs Windungen von 2,8 mm Kupferdraht; der Draht ist nur mit zwei Lagen feiner imprägnierter Baumwolle isoliert. Die Hauptabmessungen des Binges sind: Durchmesser des Ringkernes 1077 mm. Länge „ „ 475 „ Durchmesser des Kollektors 750 „ Breite „ „ 80 „ Am Kollektorumfang sind sechs Sätze von je drei Kohlenbürsten verteilt; die zugehörigen Bürstenhalterstiften sitzen auf starken Ebonitscheiben; das ganze System ist mittels eines Schneckengetriebes um seine Achse drehbar, doch muß an den Bürsten, nachdem sie einmal richtig reguliert sind, während des Betriebes nichts mehr geändert werden; die Bürstenstellung bleibt für Leerlauf und Vollbelastung dieselbe, ohne daß deshalb auch bei Maximalstrom an den glänzend polierten Kollektoren Funken auftreten. Die Armaturen der Primär- und Sekundärdynamos sind gleich dimensioniert, einerseits um eine und dieselbe Reservearmatur für alle vier Maschinen verwenden zu können und sodann um die für die Motoren der Empfangsstation gewünschte Tourenzahl 200 nicht überschreiten zu müssen. In der nachstehenden Tabelle sind die zur Bestimmung der Charakteristik eines Generators erhaltenen Beobachtungsdaten zusammen gestellt. Da die Ge Nr. Erregerstrom J Polspannung P Tourenzahl n P n Amperes Volts Volts 1 46.— 4500 345 13.- 2 38.1 4500 355 12.7 3 36.— 3600 290 12.4 4 30.5 3380 294 11.5 5 25.— 3110 310 10.— 6 20.3 3180 380 8.4 7 15.4 2510 405 6.2 8 10.5 1575 363 4.3 9 5.7 922 362 2.5 10 40.— 3500 275 12.7 11 45.5 3580 271 13.2 12 50.- 3600 266 13 5 13 54.8 3620 262 13.8 14 59.5 3605 257 14.— schwindigkeit der Turbine während der Versuche nicht konstant blieb, so wurden die Spannungen auf die Tourenzahl n = 1 reduziert; die Feldmagnete waren von einer Hülfsmaschine aus erregt, so daß die Stärke des Armaturstromes ’/ 3 Ampere nicht übersteigen konnte, entsprechend dem Stromverbrauch der Meßinstrumente und einer Batterie in Serie gehchalteter Kontrollampen. Die aus der Tabelle sich ergebende Kurve darf somit praktisch als identisch be zeichnet werden mit der sog. innern Charakteristik der untersuchten Maschine. Die Kurven für die drei übrigen Dynamos zeigen fast genau denselben Verlauf. Die Fundamente der Primärmaschinen sind auf den Betongewölben über der Turbinenkammer aufgeführt und bestehen aus verglasten Backsteinen von sehr hohem Isolationsvermögen; die horizontalen Fugen zwischen den Steinen sind mit Cement, die vertikalen mit Schwefel ausgegossen. In jeden dieser Sockel wurden 16 Porzellantöpfe mit eingeschwefelten Tragbolzen eingelassen und auf diesen Bolzen, aber von ihnen wieder durch Holzbüchsen isoliert, ruht nun der Fundamentrahmen der Dynamos. Dieser letztere steht selbst in keiner metallischen Verbindung, weder mit den Eisenmassen der Feldmagnete, noch mit dem Armatureisen, da beide neuerdings durch starke Zwischenlagen aus Glimmer vom Maschinengestell isoliert sind. Die Isolation gegen Strom wurde vor Ablieferung der Maschinen gemessen, wobei sich ein Gesamtwiderstand von Wj > 6000 Megohms zwischen den stromführenden Teilen (Feldmagnete und Armatur) gegen das Gestell ergeben hat. Der Widerstand zwischen Armatur und Welle allein war mit einem Thomson-Galvanometer und 225 Callaud-Elementen nicht mehr meßbar. Die Isolation gegen Spannung erwies sieh ebenfalls als vorzüglich; bei separat erregtem Feld wurde nämlich die Spannung wiederholt bis auf 4500 Voltsi bei einem Versuch sogar bis auf 4700 Volts gesteigert, ohne daß sich ein Defekt zeigte. Es sind dies die höchsten bekannten Spannungen, welche bis jetzt in Gleichstrommaschinen erzeugt wurden, doch liegt der wesentliche Fortschritt weniger hierin, sondern in der im folgenden nachzuweisenden Thatsache, daß es möglich ist, derartige Hochspannungsmaschinen betriebssicher und mit einem 90°/ o übersteigenden mechanischen Nutzeffekt zu bauen, was bekanntlich bei der Brush und Thomson-Housten 60 Lampen Dynamos nicht der Fall ist. Es ist daher sehr unwahrscheinlich, daß eine Blitzentladung ihren Weg zur Erde durch die Maschinen hindurch nehmen wird, auf dem sie eine ganze Reihe hintereinandergeschalteter großer Widerstände durchschlagen müßte. Die gute Isolation erklärt ferner die Beobachtung, daß sich auf der freien, als Kondensator wirkenden Eisenoberfläche des Maschinengestells bedeutende Mengen statischer Elektrizität ansammeln können, deren Entladung bei zufälliger Berührung ziemlich heftige Schläge verursacht. In Verbindung mit diesen Versuchen wurden noch zwei mechanische Proben vorgenommen. Geschwindigkeitsprobe. Um die Haltbarkeit der Bandagen, des Kollektors und der übrigen Teile der Armatur zu prüfen, wurde die Tourenzahl von 275 auf 415 gesteigert, was nahezu derjenigen Geschwindigkeit entspricht, welche die vorhandene Turbine bei voller Beaufschlagung annehmen könnte, wenn sie sich selbst überlassen, durch einen Leitungsbruch plötzlich entlastet würde. Die solide Befestigung der Armaturdrähte auf dem nicht genuteten Ring kern wurde durch folgendes par force-Experiment festgestellt. Kurzschlußversuch. Man schloß die beiden Primärdynamos in sich kurz und öffnete nach und nach die Turbine vollständig; während die Maschinen im normalen Betrieb 275 Touren machen, vermochte die gewaltige Reaktion des Magnetfeldes auf die stromdurchflossenen Armaturdrähte schon bei elf Touren der auf die Turbine wirkenden Kraft das Gleichgewicht zu halten. Die Armatur wickelungen zeigten nach dem Versuche keinerlei Deformation, sie bieten daher die wünschbare Sicherheit, daß die Drähte auf den Kernen auch nicht rutschen werden, wenn ähnliche tangentiale Schubkräfte infolge von Kurzschlüssen auf der Linie oder in den Blitzplatten auftreten. Die Schall- und Kontrollapparate mußten des etwas zu knapp bemessenen freien Platzes im Maschinenbaus wegen auf zwei Tableaux verteilt werden. Leitung. Trace. Von der Primärstation aus steigt die Leitung etwa 80 m hoch über eine steile Felshalde hinauf bis zur neuen Landstraße von Bözingen nach Beuchenette, folgt derselben etwa 300 m weit über der Bahnlinie Biel-Sonceboz. welche bereits vorher über einem Tunnel traversiert wird. Bei der Abzweigung der alten Landstraße folgt die Leitung dieser letztem über den kahlen felsigen Höhenzug bis an die Kehren oberhalb Bözingen; von dort zieht sie sich gegen die Ebene hinunter und durchquert dieselbe in schnurgerader Linie in der Richtung der Flurmarchen bis zur Bahnlinie Solothurn—Biel, welche bei Metz gekreuzt wird. Von hier bis unterhalb Selzach, d. h. etwa 16 km weit, läuft sie unmittelbar neben der Bahn hin und zwar befinden sich die Stangen auf dem Terrain der Zentralbahn. Die Möglichkeit, dieses günstigste Trace benützen zu können, bildete seiner Zeit einen weitern Grund für die Wahl des Gleichstromes, weil die schweizerische Telegraphendirektion bei Verwendung von alternierenden Strömen nur eine be dingte Konzession erteilt hätte, da zur Zeit der Entscheidung die Ansichten speziell über die störenden Einwirkungen des Drehstromes auf benachbarte, parallellaufende und zu kreuzende Telegraphen- und Telephonleitungen noch nicht genügend abgeklärt waren. Unter andern erschwerenden Bedingungen wäre namentlich eine Versetzung der Leitung von der Bahn weg nach Süden zu vorgeschrieben worden, wodurch die Zahl der Grundeigentümer, mit denen wegen der Bewilligung zum Stangenstellen unterhandelt werden mußte, sich mehr als verdreifacht hätte, ganz abgesehen von der viel schwierigen Ueber- wachung der Linie. Um nicht der Gefahr ausgesetzt zu sein, die Leitung später in unvorher gesehener Weise verlegen und Betriebsunterbrechungen riskieren zu müssen, ist das Recht zum Stangenstellen in Form einer dreißigjährigen rechtsverbindlichen Platzmiete erworben worden. Unterhalb Selzach verläßt die Leitung die Bahn und zieht sich in großem Bogen feldeinwärts. der Aare zu, überschreitet dieselbe, sowie die dort am Ufer hinführende Landstraße und die Bahnlinie Lyß-Solothurn, folgt dem nördlichen Waldsaume des Hohberges bis gegen Biberist, wo sie neuerdings eine Bahnlinie, die von Burgdorf nach Solothurn, kreuzen mußte, um sodann nach Traversierung der Emme und des Emmenkanals endlich die Sekundärstation in der Papierfabrik Biberist zu erreichen. Es ist ein merkwürdiger Zufall, daß diese Linie Gegenden mit einander verbindet, welche als die Wiege der elektrischen Krafttransmission gelten können, wurde doch in der Nähe der Primärstation, in Bözingen, im Juli 1884 die erste permanente Kraftübertragungsanlage der Schweiz dem Betrieb übergeben * 1 2 ), während die berühmt gewordene, im Jahre 1885 erbaute Kriegstetten Solothurner- Anlage 3 ) in geringer Entfernung an Biberist vorbeiführt. Die Gesamtlänge der Leitung beträgt ziemlich genau 28,5 km; es ist dies nicht nur die größte bis jetzt erreichte Uebertragungsdistanz in der Schweiz, sondern neben derjenigen von Isoverde nach Genua mit etwa 29 km auch die bedeutendste in Europa; die drittlängste Linie diejenige zwischen Tivoli und Born hat nur 23 km. Während sonst bei Kraftübertragungsanlagen mit zwei in Serie geschalteten Generatoren und zwei Rezeptoren die Leitung regelmäßig aus drei Drähten be steht, wurde hier der mittlere Ausgleicheleiter weggelassen und das hierdurch ersparte Kupfer zur Verstärkung der beiden Außenleiter verwendet; um diese Anordnung treffen zu können, mußte nur eine jeder Zeit gleichmäßige Belastung Diese beiden ältesten schweizerischen Anlagen weisen folgende charakteristische Daten auf: *) Bözingen—Biel: Betrieb einer Rubinschleiferei und Uhrenfabrik: 1 Primärdynamo von 33 kvv. 2 Sekundärdynamos von 22 kw und 10 kw. Uebertragungsspannung: 400 Volts. Uebertragungsdistanz: 1,2 km und 1,5 km. Nutzeffekt: 53 pCt. Erstellerin: Cu&ood Sautter u. Cie., jetzt Compagnie de l’Industrie ölectrique in Genf. 3 ) Kriegstetten—Solothurn. Betrieb einer Uhrenfabrik. 2 Primär- und 2 Sekundärdynamos von je 20 kvv. Uebertragungsspannung: 1200 Volts. Uebertragungsdistanz: 6 km. Nutzeffekt: 75 pCt. Erstellerin: Maschinenfabrik Oerlikon.