Volltext Seite (XML)
104 XIV. Jahrgang. „ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU“ No. 7. 1896/97. der Mittelleiter zwar an diese Bürste angeschlossen werden, dieselbe feuert aber, da sie mitten im stärksten Magnetfelde liegt, sehr heftig, sodaß an einen regelmäßigen Betrieb nicht zu denken ist. Eine bessere Lösung besteht darin, daß man den Anker einer Dynamo- Maschine mit 2 unabhängigen Wickelungen und 2 Kollektoren ver sieht, dieselben hintereinander schaltet, und in der Mitte den Null leiter anlegt. Auf diese Weise ist schon in gewissen Grenzen ein Betrieb möglich. Eine sehr interessante Art und Weise aus jeder gewöhnlichen Dynamomaschine Dreileiter-Netze zu speisen hat Dobrowolsky ange geben, und nach diesem System wird auch die Dreileiter-Maschine der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft und der Compagnie de Fives- Lille ausgeführt. In einem Anker werden 2 feste Punkte von maxi maler Potential-Differenz gegeneinander mittels Schleifringen durch eine geeignete Drosselspule verbunden, und von der Mitte dieser Spule geht dann der Mittelleiter aus. Das Problem der Spannungsteilung ist zwar durch die beiden letzteren Methoden gegeben, nicht aber die Möglichkeit die Spannung jedes einzelnen Zweiges konstant zu halten resp. zu regulieren. Der Spannungsverlust im Anker sowohl wie in der Linie ist in beiden Zweigen je nach der Belastung verschieden, es kann aber nur die Gesamt-Spannung durch Aendern des Erregerstromes beeinflußt werden. Will man trotzdem die Einzelspannungen regulieren, so muß inan Hauptstrom-Widerstände zu Hülfe nehmen was im Allgemeinen mit Rücksicht auf die Oekonomie nur ungern geschieht. Ein guter Betrieb ist also nur dann möglich, wenn die beiden Zweige genau oder sehr nahezu gleich belastet sind, sodaß die Unterschiede in den Spannungen der beiden Zweige noch mit in den Kauf genommen werden können; in den meisten Fällen wird man nicht über 10—15 pCt. Differenz zwischen der Belastung der einzelnen Zweige zulassen können. Es mag noch hinzugefügt werden, daß sowohl die Anwendung eines zweiten Kollektors, wie auch einer Drosselspule für die Spannungs- Teilung nicht unwesentliche Kosten verursachen; immerhin können diese beiden Methoden in gewissen Fällen Anwendung finden, und haben sie trotz ihrer Mängel auch gefunden. Dies wären die bisher bekannten und ausgeführten Lösungen des Dreileiter-Maschinen-Problems. Ich komme jetzt zum eigentlichen Gegenstand meines Vortrages- zu der neuen Dreileiter-Maschine der E. A. G. vorm W. Lahmeyer und Co., in Frankfurt a. M. Die Erfindung dieser Maschine ist schon vor 2 Jahren von G. Dettniar gemacht worden, und vor ca- einem Jahre aus dem Versuchs-Stadium herausgetreten. Heute sind bereits mehrere Maschinen nach diesem System in Betrieb. Es handelt sich bei einer guten Dreileiter-Maschine, wie bereits oben erwähnt, um zweierlei: 1. Um die Teilung der Spannung und 2. Um die Regulierbarkeit jedes einzelnen Zweiges für sich, damit dieselben auch in größeren Grenzen verschieden belastet werden können. Der erste Zweck wurde erreicht durch Auflegen einer 3. Bürste zwischen der positiven und negativen; damit aber diese 3. Bürste nicht feuert, wurde eine neutrale Zone geschaffen, dadurch daß jeder Pol in zwei gleichnamige Teile zerfällt. Es wurde also ein 4-poliges Magnetgestell genommen, wie Figur 1 zeigt, magnetisiert — o 4* und ein 2-polig gewickelter Anker hineingesteckt. Wie viele Versuche lehrten, läuft dabei die Mittelbürste vollkommen funkenlos. Die erste Aufgabe, nämlich die Spannungs-Teilung, ist also damit gelöst. Ehe wir nun zur Regulierung der einzelnen Zweige übergehen, müssen wir uns hei der Wirkungsweise einer derartigen Maschine in magnetischer Beziehung ein wenig aufhalten. Figur 2 zeigt nun den Verlauf der Kraftlinien (dick gezeichnete Linien). Senkrecht zu diesem im Anker verlaufenden Felde ist die magnetisierende Kraft des Ankers gerichtet; diese magnetisierende Kraft des Ankers sucht ein magnetisches Feld zu erzeugen, dessen Kraftlinien, wie die punktierten Linien zeigen, verlaufen würden. Ein Blick auf Fig. 2 zeigt uns, daß die Anker-Kraftlinien bei N 1 und S 1 den Kraftlinien des äußeren Feldes entgegen wirken, und bei N 2 und S 2 im selben Sinne gerichtet sind. Die Pole N 1 und S 1 werden also durch die Anker-Rückwirkung geschwächt, die Pole N 2 und S 2 verstärkt. Da nun immer 2 gegenüberliegende ungleichnamige Pole denselben Zweig der Dreileiter-Spannung induzieren so werden sich auch die beiden Spannungen bei Belastung ändern, die Spannung des Zweiges 1—0 wird sinken, die andere steigen. Soll nun die Spannung doch gleich bleiben, so muß die Erregung der Spulen N 1 und S 1 ver stärkt und analog N 2 und S 2 geschwächt werden, um den Einfluß der Anker-Rückwirkung zu neutralisieren. Man wird also in der Praxis die Spulen N 1 und S 1 hintereinandersehalten, und ebenso N 2 und S 2; jeder Zweig erhält dann einen eigenen Regulier- Widerstand. Da aber, wie wir sehen, immer 2 gegenüber liegende Pole nur einen Zweig induzieren, so kann man durch Aenderung der Erregung der zugehörigen Spulen die Spannung jedes Teiles in beliebigen Grenzen ändern und regulieren, ja man kann sogar, was sehr interessant ist, den einen Zweig ganz unerregt lassen und den anderen auf Spannung bringen. Man sieht hieraus, daß thatsächlich jeder Zweig unabhängig vom andern beliebig reguliert und belastet, sowie auf beliebige Spannung gebracht werden kann. Die Aufgabe einer allen Anforderungen genügenden Dreileiter- Dynamo ist damit gelöst. Nachträglich zeigte es sieh, daß der Gedanke einen Pol zu teilen um eine 3. Bürste auflegen zu können schon früher von Müller aus gesprochen worden ist; die Teilung eines Poles läßt aber noch keine Regulierung der einzelnen Zweige zu, und hat somit diese Erfindung nur theoretisches Interesse, ebenso wie diejenige von Kingdon, der sich eine Dreileiter-Maschine in England patentieren ließ, die der hier besprochenen ähnlich ist und auch 4 Pole besitzt. Kingdon schlägt jedoch vor, die Spulen der gleichnamigen Pole hintereinander zu schalten, sodaß eine Regulierung auch hier nicht möglich war. Nachdem so das Prinzip der neuen Dreileiter-Maschine besprochen worden, läßt sich das Gesagte ohne Weiteres auf Maschinen mit größerer Polzahl übertragen. Es müssen immer nur 2 nebeneinander liegende Pole gleiche Polarität besitzen und die Zahl derselben ein vielfaches von 4 sein. Die meisten größeren Maschinen werden auch mit 8 Polen d. h. 4 Doppelpolen ausgeführt. Die Erregerspulen des 1., 3., 5. und 7. Poles, ebenso wie die des 2., 4., 6. und 8. müssen hintereinander geschaltet werden. Bei sinngemäßer Anwendung des Prinzipes ließen sieh auch Maschinen für das Vier- und Fünfleiter-System bauen, es müssen sich nur entsprechend viele gleichnamige Pole nebeneinander befinden. Nachdem die erste Maschine aus dem Versuchs-Stadium getreten, war die Nachfrage nach derartigen Dreileiter-Dynamos so rege daß die Fabrikation sofort in größerem Masstabe aufgenommen wurde; es zeigte sich jedoch bald, daß die Maschine im Betriebe die unan genehme Eigenschaft besitzt, sich leicht partiell umzupolarisieren. Denkt man sich nämlich die Spulen N 2 und S 2 ausgeschaltet, und nur die Pole N 1 und S 1 erregt, so haben die Kraftlinien die Neigung in die nebenliegenden Pole überzutreten und dieselben um zupolarisieren. Es kam nun darauf an, dieses Umpolarisieren un möglich zu machen. Dies wurde dadurch erreicht, daß man die beiden Zweige sieh wechselseitig erregen ließ d. h. die Spulen N 1 und S 1 an die Klemmen 0—2 anschtoß und umgekehrt die Spulen N 2 und S 2 an die Spannung 1—0; jetzt kann sich der eine Zweig nur dann erregen, wenn der andere bereits Spannung zeigt, oder es müssen die beiden Zweige gleichzeitig auf Spannung kommen. Ein Umpolarisieren kommt thatsächlich nicht mehr vor. Ein sehr wesent-