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168 XI. Jahrgang. „ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU.“ No. 19. 1893/94. (vergleiche Figur 1) hergestellt werden, oder als schmucke und würdige eiserne Masten mit geschmackvoll geformten Auslegern. Wenn die Bahnstrecke von grösserer Länge ist, so verwendet man außer dem Fahrdraht noch einen oder mehrere Zuführungsdrähte, welche nach Art der Telegraphendrähte auf Porzellan - Isolatoren an den eigentlichen Tragstangen befestigt werden und den Fahrdraht auf seiner ganzen Länge mit Strom von möglichst gleicher Spannung zu versorgen haben. Von dem soeben erwähnten Fahrdrahte entnehmen sich die einzelnen Motorwagen ihren Strombedarf am besten mittelst einer an Fig. 1. einer federnden Ruthe angebrachten Rolle. Die von der Firma an- gestellten eingehenden Versuche haben unzweifelhaft nachgewiessen, daß die Rolle dem in Fig. 1 vorhandenen (u. a. auch auf der Bahn Dresden-Loschwitz zur Verwendung gekommenen) Contaetbügel ganz bedeutend überlegen ist. Fig. 2. Die Ruthe ist an ihrem unteren Ende mittelst eines Scharniers auf der Decke des Wagens gelagert und derartig mit einer Anzahl langer Spiralfedern verbunden, daß die Rolle stets kräftig gegen die stromführende Leitung gedrückt wird. Die Federn sind so elastisch, daß der durch den Durchhang des Drahtes, die Durchfahrt unter Brücken etc. bedingte Unterschied in der Höhenlage des Fahrdrahtes schon sein- bedeutend sein kann, ohne daß die gute Berührung zwischen dem Fahrdrahte und der Rolle darunter leidet. Von der Ruthe wird der Strom einem Umschalter zugeführt, welcher in der Mitte des Wagens unter dessen Decke angebracht ist und den Führer des Wagens in den Stand setzt, die Fahrrichtung zu ändern. Von dem Umschalter geht nämlich der Strom, je nach Stellung der Umschalterkurbel nach den oberen, oder nach den unteren Bürsten der beiden Elektromotoren und von hier nach den beiden auf den Plattformen des Wagens angeordneten Steuerapparaten. Die letztgenannten Apparate befähigen den Führer des Wagens verschiedene Wirkungen hervorzubringen, nämlich: erstens die Fahrgesehwindigkeit innerhalb weiter Grenzen ohne Kraftverschwendung nach Bedürfnis zu verändern, sowie auch nötigenfalls den Strom ganz zu unterbrechen; zweitens den Wagen zu bremsen ; drittens das Glockensignal zu geben. Für alle diese Thätigkeiten bedarf es nur der einfachen Drehung einer einzigen Kurbel, im Gegensatz zu den Anordnungen anderer Firmen, welche in der Regel 2 Kurbeln an wenden. Der Steuerapparat wird sonach hier genau so gehandhabt, wie die Bremskurbel der heutigen Pferdebahnwagen, was als ein besonderer Vorzug anzusehen ist Der Steuerapparat ist Gegenstand eines Patentgesuches; deshalb kann eine ausführliche Beschreibung und Abbildung desselben z. Z. noch nicht gegeben werden. Zum Uebergange von schnellster Fahrt auf Bremsen sind nur etwa eine und eine halbe Umdrehung der Kurbel notwendig, und überdies wirkt die Bremse viel stärker, als die gewöhnlichen Bremsen. Daraus wird es erklärlich, daß die Bremsung eines in schnellster Fahrt befindlichen Wagens mit dem hier benützten Steuerapparate in überraschend kurzer Zeit erfolgen kann. Umgekehrt wird beim Anfahren durch Zurückdrehen der Kurbel zunächst die Bremse gelöst und durch Weiterdrehen daun erst die langsamste Fahrt begonnen, darauf aber mehr und mehr Kraft eingeschaltet, bis die höchste Geschwindigkeit erreicht ist. Demnach ist hierdurch jede Kraftver geudung ausgeschlossen, und zugleich ist auch noch die Handhabung des ganzen Apparates so außerordentlich einfach, daß jeder Laie dieselbe ohne irgend welche Schulung sofort zu übernehmen vermag. Unter dem Wagengestelle sind in der Regel 2 Elektromotoren angebracht, welche normal je 8 effektive Pferdestärken entwickeln, aber für kurze Zeiträume, z. B. beim Anzug eines stehenden Wagens, auf einer Steigung etc., sogar bis zu je 15 effektive Pferdestärken leisten können. Jeder Motor ist einerseits mittels Federn an dem Wagengestelle aufgehängt, andererseits mit 2 Lagern auf einer der beiden Radachsen gelagert, welche von den Motoren durch 2 Stirn räder im Uebersetzungs-Verhältnisse 1:5 angetrieben werden. Figur 3 und 4 zeigen die Motoren von vorn und von hinten gesehen und ihre Aufhängung an den Radachsen, sowie den Antrieb und die um das Ganze angeordneten Schutzkappen. Das kleine Stirnrad ist nahezu ganz aus Leder hergestellt, so daß das den sonstigen Rädergetrieben in der Regel anhaftende Ge räusch auf das kleinste Maß gebracht und auf der Fahrt im Wagen durchaus nicht zu hören ist. Der Motor ist ganz in ein gußeisernes