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— 67 auf die Klein- und Hausgewerbetreibenden ist von der Mehrheit der Kommission abgelehnt worden. In Form einer Resolution soll der Reichstag beschließen, die verbündeten Regierungen zu ersuchen, mehr als bisher von den bestehenden Vollmachten Gebrauch zu machen, die Versicherungspflicht auch auf die Haus gewerbetreibenden auszudehnen. Seitens des Bundesrates sind bisher nur die Hausgewerbetreibenden der Tabak- und Textil industrie der Invalidenversicherung unterstellt worden. Eine Steigerung der Rentensätze, Vermehrung der Zahl der Beitragsklassen unter Anrechnung des vollen Jahresarbeits verdienstes und Gewährung der Altersrente bei Vollendung des 65. Lebensjahres wurde ebenfalls von der Mehrheit abgelehnt. Die Rentengewährung kann abgelehnt werden, wenn sich der Versicherte die Invalidität bei einer Handlung zugezogen hat, die nach strafgerichtlichem Urteil ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen darstellt. Entzieht sich der Rentenempfänger ohne Grund einer Nachuntersuchung oder Beobachtung in einem Krankenhaus, so hat er den Verlust der Rente zu gewärtigen. Im übrigen muß bei Entzug der Rente infolge Aenderung in den Verhältnissen des Empfängers diese eine wesentliche sein. Einen gesetzlichen Anspruch der Versicherten und ihrer Angehörigen auf rechtzeitige Einleitung eines Heilverfahrens bei drohender Invalidität haben auch in Zukunft die Versicherten nicht. Beliebig können die Versicherungsanstalten hierüber ver fügen. Eine Erleichterung der Aufrechterhaltung der Anwart schaft hat nicht Platz gegriffen. Eine Einschränkung des Ein flusses der beamteten Mitglieder des Vorstandes der Versicherungs anstalt ist insofern erfolgt, als die nichlbeamtcten Mitglieder in der Mehrheit bleiben sollen bei Beschlüssen. Ueber die Hinterbliebenenversicherung ist zu sagen, daß die Gewährung an alle Witwen der Versicherten ausgeschlossen ist. Infolge des chronischen Geldmangels im Reiche ist es noch sehr fraglich, ob die Hmlerbliebenenversicherung bald in Kraft tritt. Das Rechtsmittel des Rekurses soll ganz erheblich ein geschränkt werden, einer Vermehrung der Senate beim Reichs- versicherungsamt, welches ca. 26000 Fälle z. Zt. pro Jahr zu bearbeiten hat, soll nicht stattfinden. Im großen und ganzen werden die Erwartungen der Arbeiterschaft von diesem Gesetz nicht erfüllt werden. Xr. Einnahmen und Ausgaben der deutschen Gcwerkschafts- organisationen im Jahre 1909. Die Einnahmen stiegen von 48544396 M. im Jahre 1908 auf 50529114 M., die Ausgaben von 42057 516 M. auf 46264031 M. und die Vermögens bestände von 40839791 M. auf 43480932 M. Pro Kopf der Mitglieder berechnet, ergibt dies: Einnahme 27,57 M., Ausgabe 25,24 M. und Vermögensbestand 23,73 M. gegenüber 26 50 M., 22,96 M. und 22,30 M. Die in den Statistiken verzeichneten Verbände hatten: Einnahmen pro Kops Mark Ausgaben der Mitglieder Mark Kassen vermögen berechnet Mark 1891 6,68 9,62 2,56 I89S 11,53 9,86 6,96 I960 13,89 11,89 11,38 1805 20,68 18,61 14,60 1906 24,62 21,88 14,98 1907 27,55 23,12 17,82 1908 26,59 22,96 22,30 1909 27,57 25,24 23,73 .Die Ausgabe für Streiks und Aussperrungen ist gegenüber dem Jahre 1908 um 2000000 M. höher, erreicht aber bei weitem nicht die Höhe der Jahre 1905 bis 1907, in denen sie 9674094 M-, 13748412 M. 13196363 M. betrug. Auch die Unterstützung bei Arbeitslosigkeit und Krankheit erforderte höhere Aufwendungen als im Jahre 1908. Mit diesen Ausgaben sind die Gewerkschaften in den drei Jahren der wirtschaftlichen Krise ganz außerordentlich belastet worden. Es wurden gezahlt an Unterstützungen für: 1907 1908 1909 Mark Mark Mark Reise . . . . . 869148 1184353 1125829 Umzug . . . 275716 290157 281231 Arbeitslose . 4375012 8134388 8593928 Kranke . . . . 5635387 8473853 8896354 Sterbefälle . . 642385 666494 838879 Notfälle . . . 476707 508976 547174 Gemaßregelte . 1001045 1440263 1074684 13275400 20698484 21358079 Es sind nicht weniger als 55000000 M. für diese Unter stützungen in den letzten drei Jahren verausgabt worden. Rechts- und Gesetzeskunde. Bilden Streikunterstützungen steuerpflichtiges Einkommen? Ein Gewerbegehilfe war infolge eines Streiks fast ein halbes Jahr arbeitslos gewesen, und während dieser Zeit hatte er von dem Verbände, dem er angehörte, eine Streikunterstützung von insgesamt 354 Mark erhalten. Dieser Vertrag war bei der Steuerveranlagung des erwähnten Gehilfen seinem Lohneinkommen hinzugerechnet und der von ihm zu zahlende Steuerbetrug danach festgesetzt worden. — Der Gehilfe war hiermit jedoch nicht ein verstanden, vielmehr verlangte er im Klagewege Streichung der Streikunterstützung bei Berechnung des steuerpflichtigen Einkommens, indem er sich darauf berief, daß alle Unterstützungen, die der Verband leisten, freiwillige seien, auf die den Mitgliedern kein klagbares Anrecht zustehe, und daß ja auch die Verbandsbeiträge, die er leiste, im Gegensätze zu den Krankenkassenbeiträgen bei Berechnung des steuerpflichtigen Einkommens nicht abgesetzt werden dürften. Das sächsische Oberverwaltungsgericht hat indessen die Klage des Gewerbegehilfen abgewiesen. Als steuer pflichtiges Einkommen gilt die Summe aller in Geld oder Geldeswert bestehenden Einnahmen abzüglich der auf ihre Er werbung, Sicherung und Erhaltung verwendeten Ausgaben, so führte das Gericht aus. Da die Streikunterstützungen zu den in Geld bestehenden Einnahmen gehören, so dürften sie von der Besteuerung nur dann ausgeschlossen werden, wenn besondere Gründe dies rechtfertigten. Wenn nur der Kläger von der Auffassung ausgeht, daß nur solche Einnahmen steuerpflichtig sind, auf die der Empfänger einen Rechtsanspruch besitzt, so ist dem entgegenzuhalten, daß dieser Grundsatz zwar für gewisse Einnahmegruppen, z. B. für Zinsen, besteht, aber doch keineswegs allgemein gilt, und gerade für schwankende Bezüge der auf Gehalt oder Lohn gestellten Personen wird er nicht ohne weiteres anerkannt. So ist die Frage, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahme besteht, als steuerrechtlich unerheblich bezeichnet für die sogenannten Jnventurgeschenke der Handlungsgehilfen, die Trinkgelder der Straßenbahnschaffner, sowie für die einem Ange stellten etwa zufließenden Gratifikationen, welche vielfach einen Teil des Einkommens, der sofort verzehrt wird, bilden und demgemäß versteuert werden müssen. Einen Anhalt für abweichende Beurteilung der Streikunterstützung bietet das Gesetz nicht. Es bedarf daher keiner Erörterung, ob der Kläger auf die Streik unterstützung einen Rechtsanspruch besitzt; es genügt vielmehr, daß die Quelle der Streikunterstützung, die Mitgliedschaft beim Verbände, zur Zeit der Einschätzung noch bestand und auch im Steuerjahre eintretendenfalls noch Erträgnisse liefern wird. Leistungen und Führungen müssen, falls sie nicht schlecht gewesen sind, im Zeugnis als zufriedenstellend bezeichnet werden, 8 73 H.-G.-B. Die Klägerin verlangt ein Zeugnis über Leistungen und Führungen. Die Beklagte bietet ein Zeugnis an, in welchem geschrieben ist, die Klägerin sei „gewillt" gewesen, sich die Zu friedenheit des Prinzipals zu gewinnen. Auf Befragen gibt die Beklagte zu, sie könne nicht sagen, daß die Klägerin Schlechtes geleistet habe; es gebe aber tüchtigere Leute. Auf Grund dieser Erklärung verurteilt das Gericht die Beklagte, im Zeugnis zu bescheinigen, daß Leistungen und Führungen zufriedenstellend gewesen seien. (Urteil der V. Kammer des B. Kaufm.-G. vom 10. Mai 1910.) Die regelmäßige Gewährung einer Weihnachtsgratifikation begründet bei entgegenstehender Vertragsabrede keinen Rechts anspruch auf sie. Der Kläger fordert Weihnachtsgratifikation. Er ist bereits Ende September infolge Kündigung seinerseits