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— 284 — alle Schutzvorrichtungen. Deshalb aber nun auf jede Friedens institution zu verzichten, weil ein Krieg über sie hinweg braust, scheint uns doch eine Kur ä 1a vr. Eisenbart. Wir müßten uns sehr täuschen, wenn die bitteren Erfahrungen, die England jetzt auszuhalten hat, nicht den ernsten Willen zu sozialen Reformen aufs Neue in Regierung, Parlament und Gesellschaft kräftigen würden. Die Folge der Chartistenbewegung, die England in den 1830er und 1840er Jahren bis in seine Grundfesten er schüttert hat, waren innere Reformen, die fast ein halbes Jahr hundert dem Lande den Bürgerfrieden und einen gewaltigen wirtschaftlichen Aufstieg gesichert haben. Die neuen Kämpfe werden, nach Wiederherstellung der Ordnung, davon sind wir überzeugt, das öffentliche Gewissen schärfen und ebenfalls zu Taten führen, die den neu entstandenen Bedürfnissen und Ver hältnissen gerecht werden. L. 1"r. Eine Verhöhnung der Witwen und Waisen ist die in der Reichsversicherungsordnung vorgesehene „Witwen- und Waisen rente", denn die Witwe erhält gar keine Witwenrente, sondern nur für den Fall, daß sie völlig erwerbsunfähig im Sinne der Versicherungsordnung wird, eine Invalidenrente, und zwar in schamlos niedriger Höhe. Hatte der verstorbene Ehemann 10 Jahre lang in der niedrigsten Klasse geklebt, so erhält sie einen Betrag von ganzen 72,60 Mk. jährlich, also gegen 20 Pf. täglich. Der höchste Satz wird erreicht, wenn der verstorbene Ehemann 50 Jahre hindurch in der höchsten Klasse gesteuert hatte. Er beträgt dann 170,40 Mk. jährlich, also gegen 47 Pf. täglich. Nicht viel anders verhält es sich mit der „Waisenrente". Hintcrläßt der verstorbene Vater, der zehn Jahre lang in der niedrigsten Lohn klasse gezahlt hat, ein Kind, so beträgt die an das Kind bis zu seinem vollendeten 15. Lebensjahr zu zahlende Kinderrente volle 36,60 Mk. jährlich oder 10 Pf. täglich. Hinterläßt er zwei Kinder, so beträgt die Rente für beide Kinder zusammen 63,60 Mk. oder 9 Pf. für jedes Kind täglich. Für drei Kinder beträgt die Rente 90 Mk. jährlich zusammen oder pro Kopf 8 Pf. täglich. Der Höchstsatz einer Kinderrente, wenn also 50 Jahre hindurch stets in der höchsten Lohnklasse geklebt war, beträgt für ein Kind 85,20 Mk. jährlich oder 23 Pf. täglich, für zwei Kinder 120 Mk. oder 17 Pf. für den Tag und Kopf, für drei Kinder 155,40 Mk. oder 14 Pf. für den Tag und Kopf. Diese „hohen" Renten werden sicherlich die Arbeiterfrauen anspornen, gemeinschaftlich mit den Männern den Kampf gegen die Reichsversicherungs ordnung aufzunehmen. Rechts- und Gesetzeskunde. Hat der Hausbesitzer das Recht, wenn er sein Haus früher als üblich schließt, auch de» Treppenflur gleichzeitig unbeleuchtet zu lassen? In einem Ort, in welchem eme Polazeiverordnung besteht, nach welcher die Hausbesitzer angewiesen werden, die Treppenflure bis 10 Uhr abends zu beleuchten, schloß ein Haus besitzer sein Miethaus bereits um 9 Uhr abends, indem er sich seinen Mietern gegenübern das Recht hierzu in den mit ihnen geschlossenen Mietsverträgen ausdrücklich vorbehielt. Gleichzeitig löschte er auch das Licht im Treppenflur aus. Von der Polizei deswegen mit Strafe belegt, weil er, der Polizeibestimmung zuwider, die Treppen in dem Hausflur vorzeitig dunkel mache, verlangte er gerichtliche Entscheidung, und diese erging ebenfalls dahin, daß er nicht berechtigt sei, trotz der Vereinbarung mit den Mietern vor 10 Uhr die Treppen unbeleuchtet zu lassen. Es ist gleich gültig, so heißt es in den Gründen, ob die Mieter mit der Schließung des Hauses um 9 Uhr und dem Aufhören der Trppen- beleuchtung um dieselbe Zeit einverstanden sind oder nicht. Durch Privatabkommen kann der Angeklagte die in Recht stehende Polizei verordnung nicht außer Kraft setzen. Es genügt, anzudeuten, daß die Polizeibehörde annehmbare Gründe hat, um, im Interesse wirksamer Ausübung ihrer Wachsamkeit, zu wünschen, daß in den Häusern bis 10 Uhr abends auf den Treppen Licht sei. Es ist gleichgültig, ob die Bestimmung der Polizeivorschrift in jeder Hinsicht zweckmäß ist, oder ob sich etwa eine bessere Regulierung der Frage der Wahrung und Erhaltung der öffentlichen Sicherheit finden lasse, und ob insbesondere dann, wenn das Haus vor 10 Uhr geschlossen wird, in Ansehung eines solchen Hauses eine Ausnahme von der Regel zu gestatten ist. Die Polizeivorschrift kennt keine Ausnahme von der Regel, abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall, daß das Haus völlig unbewohnt ist. Daß die Polizeivorschrift unzweckmäßig sei, vermag das Gericht nicht anzuerkennen; im übrigen steht aber auch den Gerichten keine Entscheidung darüber zu, ob eine polizeiliche Anordnung zweckmäßig und geeignet ist, die beabsichtigte Wirkung zu erreichen. Wenn der Hausbesitzer, erklärt, er halte es zur Vermeidung abendlicher Diebstähle für zweckmäßig, sein Haus schon um 9 Uhr zu schließen, sa läßt sich nichts dagegen sagen; aber wenn er das auch tut, so bleibt er doch immer noch verpflichtet, trotz Geschlossenseins des Hauses die Treppen bis 10 Uhr beleuchtet zu erhalten. Nachdr. Verb. Kann eine rechtskräftige Rentenfeststellung aufgehoben werden? Eine gewerbliche Berufsgenossenschaft hatte den Unfall eines minderjährigen Fuhrmannes infolge der von dem Vater des Verletzten gemachten unrichtigen Angaben für entschädigungs pflichtig anerkannt und ihm eine Rente nach dem Jahresarbeits verdienst von 700 Mark gewährt. — Als sich später heraus stellte, daß der Unfall dem landwirtschaftlichen Betriebe zuzurechnen sei, übernahm die in Frage kommende landwirtschaftliche Berufs- genossenschäft die Entschädigungsverpflichtung und setzte durch Bescheid eine Rente unter Zugrundelegung eines Jahresverdienstes von 510 Mark fest. — Hiergegen legte der Verletzte Berufung ein; diese wurde jedoch zurückgewiesen und das Reichsversicherungs amt setzte den Bescheid der gewerblichen Berufsgenossenschaft außer Kraft. Nach H 83 Abs. 2 des Gewerbe-Unfallversicherungs gesetzes hat das Reichsversicherungsamt, falls wegen desselben Unfalls Entschädigungsansprüche gegen mehrere Genossenschaften rechtskräftig anerkannt sind, die zu Unrecht ergangene Entscheidung aufzuheben, und zwar ist diese Bestimmung geschaffen, um ge gebenenfalls das sachliche Recht zur Geltung bringen zu können. Zu Unrecht besteht aber der Bescheid der gewerblichen Berufs genossenschaft, denn wenn diese nicht durch falsche Angaben irre- geführl worden wäre, hätte sie ihre Entschädigungspflicht über haupt nicht für begründet halten können. Der Verletzte fühlt sich insonderheit dadurch beschwert, daß ihm jetzt eine Rente nach dem niedrigeren, für landwirtschaftliche Arbeiter maßgebenden Jahresverdienste zugebilligt, während ihm die höhere der gewerb lichen Berufsgenossenschaft entzogen worden ist. — Indessen liegt für den Verletzten kein Grund vor, sich zu beschweren, denn tatjächlich erhält er die Rente, auf welche er allein Anspruch erheben kann, und die er von vornherein erhalten hätte, wenn sein gesetzlicher Vertreter gleich im Anfang richtige Angaben ge macht hätte. Die Folge des im ß 83 Abs. 2 des Gewerbe- Unfallversicherungsgesetzes dem Reichsversicherungsamt in die Hand gegebenen außerordentlichen Rechtsbehelfes ist die, daß der zwar rechtskräftige, aber zu Unrecht ergangene Bescheid im vollen Umfange zu beseitigen ist. Das schließt die Aufhebung aller normalerweise aus der Rechtskraft erwachsenden Rechte und Ansprüche in sich. (Nachdr. Verb.) ^Ivptkucksen-I^ckung W —5^ , ^ Tr . ( L »-> >8- kl O ^ ) für tiöctisten Dampfdruck, übertiitrfen Dampf, Dampfturbinen. Diesel-äLauMS-KIofore.sovE als Lcdluss u.VörlegsRingebei Mailpackuagen. Qvslsv ^srndu,i-gl. ! Kollegen weichet kleisstg trip unser Verbandsorgan Inserate.