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— 259 — eigenartiger Weise einwirkt. Es stört durch Versiegen der Wassermassen in den Flußläufen die Binnenschiffahrt, macht sie teilweise ganz unmöglich und führt zu einer Steigerung des Güterverkehrs auf den Eisenbahnen. So sehen wir ganz ein schneidende Wirkungen der Hitze auf die verschiedenen Gebiete des Wirtschaftslebens, ganz besonders aber auf dem Arbeitsmarkt. Und wägt man die günstigen Wirkungen den ungünstigen gegen über ab, so überwiegen zweifellos die letzteren. Die Widerstands kraft des menschlichen Körpers gegenüber einer übermäßigen Hitze ist viel geringer als die gegen eine scharfe Kälte. Der Pulsschlag des wirtschaftlichen Lebens nimmt an übermäßig heißen Tagen so rasch ab, daß die Gesamtleistung der Erwerbs tätigen um einen starken Prozentsatz niedriger ist, als an Tagen mit normaler Temperatur. Lohn- oder Gehaltszahlung während des Urlaubes. Ein bestimmtes Recht auf Urlaub besteht nicht. Trotzdem bürgert sich die Sitte der Gewährung von Urlaub unter gleichzeitiger Fortbezahlung des Gehaltes mehr und mehr ein. Oft wird sogar ein kleiner Zuschuß zu den Kosten einer Erholungsreise gezahlt. Auch Gemeinde- und Staatsbetriebe zahlen bei be stimmten Dienstjahren Lohn und Gehalt bei Erholungsurlaub fort. Selbst in Tarifverträgen finden sich solche Bestimmungen. Nach einer bestimmten Tätigkeit haben die Arbeiter Anspruch auf Urlaub von drei, sechs und mehr Tagen ohne Lohnkürzung. Selbst das Fortbleiben während des 1. Mai wird nach einem Tarifverträge entschädigt. Ein halber Tag Urlaub wird unter Fortzahlung des Lohnes gewährt. Arbeitern, die zu ihrer Fortbildung gewerbliche Ausstellungen besuchen, zahlt man eben falls den Lohn, oft unter Zahlung eines Zuschusses, weiter. Trotz alledem ist Urlaub noch so wenig Verkehrssitte, daß man den Anspruch auf Urlaub und Fortzahlung des Gehaltes als Merkmale der Beamteneigenschaft betrachtet. Darum schließen die meisten Arbeitsordnungen den Lohnanspruch ausdrücklich aus. Selbst bei den Angestellten geschieht das oft durch Ver trag. Beim Bühnenverein z. B. wird Gehalt beim nicht vertrag lichen Urlaub nicht gewährt. Allerdings sichert K 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches Fortzahlung des Gehaltes bei einer Verhinderung auf nicht erhebliche Dauer, falls der Grund der Behinderung in der Person des Arbeiters oder Angestellten liegt. Bedingung ist jedoch Verhinderung ohne sein Verschulden. Wer mit der Polizei in Kollision gerät oder in eine Schlägerei verwickelt wird, kann keinen Lohn oder Gehalt für die dadurch bedungene Abwesenheit vom Dienste verlangen. Anders liegt es bei kürzeren militärischen Uebungen, bei Urlaub zur Ausübung des Wahlrechtes, bei der Wahrnehmung gerichtlicher Termine ohne eigenes Verschulden. Ebenso ist es bei dem Aufsuchen einer neuen Stelle, falls dazu „erhebliche" Zeit nicht erforderlich. Aber auch hier kann der Anspruch auf Lohnzahlung bei Arbeitern durch Arbeitsordnung ausdrücklich ausgeschlossen werden. Ab gesehen von diesen durch 8 616 gerechtfertigten Fällen hat der Arbeiter keinen Anspruch auf Lohn, wenn er nicht arbeitet. Anders liegt es bei den Handlungsgehilfen, Technikern und ähnlichen Angestellten. Sie haben unbedingt Anspruch auf Zahlung des Gehaltes bei Urlaub, wenn das nicht ausdrücklich durch Dienstvertrag ausgeschlossen oder vor Antritt des Urlaubes vereinbart ist. Lag eine solche Vereinbarung vor, dann besteht auch kein Anspruch auf Gehalt bei Erkrankungen während des Urlaubes. Erst nach Ablauf des Urlaubes kann innerhalb des Rahmens der gesetzlichen Vorschriften bei Fortdauer der Er krankung Gehalt gefordert werden. War Fortzahlung des Gehaltes während des Urlaubes vereinbart, dann ist nachträgliche Kürzung unzulässig, selbst dann, wenn dies der Dienstvertrag unter gewissen Voraussetzungen — wie z. B. Kündigung des Angestellten — gestattet. Eine solche Vereinbarung widerspricht den guten Sitten. Ebenfalls ist eine Gehaltskürzung unzulässig, wenn ein Angestellter zur Wiederherstellung seiner Gesundheit beurlaubt und die Einstellung einer Hilfskraft nötig wird. Eine solche Vereinbarung würde ebenfalls ein Verstoß gegen die guten Sitten sein. War der Urlaub einmal bewilligt oder durch Vertrag fest gelegt, dann besteht unbedingt ein rechtlicher Anspruch darauf. Nur wichtige Gründe berechtigen zur Entziehung. Dabei dürfen natürlich die Interessen des Angestellten nicht über Gebühr beeinträchtigt werden. Ebenso kann der Prinzipal verlangen, daß der Angestellte hinsichtlich der Zeit des Urlaubes billige Rücksicht auf das Geschäft und seine Interessen nimmt, wenn von vornherein Zeit und Dauer des Urlaubes nicht durch Ver trag festgelegt sind. In allen Fällen empfiehlt es sich aber, bei Antritt einer neuen Stelle einen Urlaub auszubedingen, da hierdurch eine sichere Grundlage für den rechtlichen Anspruch eines Urlaubes geschaffen ist. Ucber die Auflösung von Versammlungen hat das Reichs gericht vor einiger Zeit eine Entscheidung gefällt, die in weiten Kreisen des Volkes Befremden Hervorrufen wird. Es handelte sich um die Frage, ob eine Versammlung auch dann als auf gelöst zu betrachten ist, wenn der Polizeibeamte, der die Auf lösung ausspricht, irrtümlich annimmt, daß es sich um eine öffentliche Versammlung handle. Der Leiter einer Versammlung hatte einem Gendarmeriewachtmeister, der die Versammlung über wachen sollte, den Zutritt in den Saal untersagt, weil die Ver sammlung nicht öffentlich war. Dieser Tatbestand lag wirklich vor. Trotzdem wurde die Versammlung von dem Beamten aufgelöst, weil er sich in dem Irrtum befand, daß die Ver sammlung eine öffentliche sei. Der Versammlungsleiter setzte der Auflösung Widerstand entgegen, forderte die Anwesenden auf, dem Befehl keine Folge zu leisten und blieb auch selbst im Saale. Er wurde deswegen angeklagt, vom Landgericht aber freigesprochen. Das Reichsgericht, das daraufhin angerufen worden war, hob indessen das Urteil des Landgerichts wieder auf und gab sein Urteil dahin ab, daß die Anwesenden auf die Auf forderung des Polizeibeamten hin sich aus der Versammlung entfernen mußten, wenn auch eine öffentliche Versammlung nicht vorlag. Nach § 18 Abs. 4 des Vereinsgesetzes hätte sich der Angeklagte nach Erklärung der Auflösung durch den Vertreter der Polizei sofort entfernen müssen. Die Frage, ob die Auflösung irrtümlich erfolgte, oder nicht, käme dabei nicht in Betracht. Diese Entscheidung wird, wie gesagt, kein Verständnis im Volke finden. Es wird damit auch den Polizeiorganen eine ungeheure Machtbefugnis eingeräumt. Jede Versammlung kann danach unmöglich gemacht werden. Mit der nachträglichen Rüge, die auf die Beschwerde hin vielleicht dem Polizeibeamten erteilt wird, ist dem Veranstalter der Versammlung nicht gedient. Diese und ähnliche Vorgänge lassen mit aller Deutlichkeit erkennen, daß eine Reform unseres neuen Reichsvereinsgesetzes dringend notwendig ist. Rechts- und Gesetzeskunde. Begründet die Besorgnis, ein zur Zeit erwerbsfähiger Jn- validcnrentenempfänger werde wieder erwerbsunfähig werden, die Feststellung der Fortdauer der Erwerbsunfähigkeit? Ern Jnvaliden- rentenempfänger hatte bereits neun Monate lang gearbeitet und den vollen Lohn seiner Berufskollegen verdient, als ihm bei einer neuen ärztlichen Untersuchung die Rente trotzdem belassen wurde, weil der begutachtende Arzt die Besorgnis aussprach, die Rentenentziehung könne die Leistungsfähigkeit des Arbeiters nachteilig beeinflussen. Das Reichsversicherungsamt hat diese Auffassung für nicht haltbar erklärt und dem Arbeiter die Rente entzogen. Ein körperlicher Zustand, der einen Versicherten an sich befähigt, die gesetzliche Mindestverdienstgrenze zu erreichen — so heißt es in den Gründen — kann allerdings dazu führen, den Versicherten trotzdem als erwerbsunfähig im Sinne des Invalidenversicherungs-Gesetzes zu behandeln, aber nur dann, wenn der Versicherte Gefahr läuft, durch Verrichtung der ihm den Mindestverdienst sichernden Arbeit die Erwerbsfähigkeit wieder zu verlieren. Daß dem hier in Frage kommenden Ar beiter der Verlust seiner Erwerbsfähigkeit durch die Verrichtung von Arbeit gedroht habe, hat aber das Schiedsgericht nicht fest gestellt. Die Besorgnis, daß die Erwerbsfähigkeit nicht von Dauer sein werde, genügt nicht für die Feststellung der Dauer der Erwerbsunfähigkeit, auch wenn diese Besorgnis auf den Mangel an ausreichender Festigung der körperlichen Verhältnisse gestützt wird. Nur wenn sich sagen läßt, daß nach menschlicher Voraussicht die Wiederaufnahme oder die Fortsetzung der Arbeit den Verlust der Erwerbsfähigkeit zur Folge haben werde, wird eine Fortdauer der Erwerbsunfähigkeit angenommen werden