Volltext Seite (XML)
— 247 — bewohnten Wohnungen berücksichtigt. Auch hierbei wurden die Erfahrungen der anderen Städte bestätigt. Ueberblickt man die statistischen Tabellen, die das Verhältnis von Miete und Einkommen in den verschiedenen Städten ver anschaulichen, so lassen sich trotz aller Verschiedenheit zwei wichtige allgemeine Ergebnisse daraus einwandfrei ablesen. Das eine hat Schwabe auf Grund seines Materials folgendermaßen gefaßt: „Je ärmer jemand ist, desto größer ist die Summe, welche er im Verhältnisse zu seinem Einkommen für die Wohnung verausgaben muß." Was nun Schwabe 1867 für Berlin fand, das hat sich im wesentlichen bei allen nachfolgenden Untersuchungen gezeigt: „Je niedriger das Einkommen, desto höher die Miete." Das andere Ergebnis betrifft die Entwicklung des Verhältnisses von Einkommen und Miete, wie sie aus zeitlich getrennten, in ihren Ergebnissen vergleichbaren Untersuchungen in Breslau und Hamburg ersichtlich ist. Sie bewegt sich in der Richtung: der Anteil der Miete ist bei den kleinen Einkommen gestiegen, bei den großen gesunken. In einer zweiten Abhandlung wurde, wie eingangs bemerkt, das Verhältnis zwischen Wohnungsgröße und Miete untersucht. Dabei sind nur die Städte Fürth, Augsburg, Posen und Schöneberg herangezogen, weil die Schwierigkeiten des Vergleichs zwischen den einzelnen Städten hier besonders groß sind. Denn bei den meisten Wohnungsstatistiken dient als Größenmaßstab ein Begriff, der als einer der schwierigsten auf dem Gebiete der Wohnungsstatistik bezeichnet werden muß, der des „Zimmers" oder „Wohnraumes", ein Begriff, der in den einzelnen Städten je nach Bauweise und Gewohnheit sehr verschieden ausgelegt wird. Es ist daher die Untersuchung beschränkt worden auf die Städte, in denen als Maßstab der Rauminhalt der Wohnung genommen werden konnte. In Fürth wurde in den Jahren 1901 bis 1904 eine Wohnungsaufnahme durchgeführt, bei der für sämtliche Wohnungen unter anderem der Mietswert und ferner der Rauminhalt der einzelnen Räume festgestellt wurde. Wegen des ausgedehnten Zeitraumes der Erhebung beziehen sich die Ergebnisse nicht auf den gleichen Zeitpunkt. Für die vorliegende Untersuchung gelangten von 13037 bewohnten Wohnungen 11247 oder 86 vom Hundert zur Verarbeitung. In Augsburg fand im Jahre 1904 eine Wohnungsaufnahme statt, bei der wie in Fürth das Verhältnis von Wohnungsgröße und Miete ermittelt wurde. Von 20815 bewohnten Wohnungen wurden l6024 oder 77 vom Hundert verarbeitet. In Posen fand im Winter 1905/6 und Sommer 1906 eine Untersuchung der Wohnungen der Stadtarmen statt, bei der unter anderem der Mietspreis und Kubikinhalt dieser Wohnungen festgestellt wurden. Nach „Ausscheidung der unzulänglich aus gefüllten Fragebogen" wurden insgesamt 920 Wohnungen, d. h. etwa 3 vom Hundert aller bewohnten Wohnungen ausgebeutet. Im März 1910 begann die städtische Fürsorgestelle für Tuber kulose in Schöneberg eine umfassende Untersuchung der Wohnungen ihrer Pfleglinge, die sich unter anderem auf den Mietspreis erstreckte. Dabei wurde für 100 von den in die Untersuchung einbezogenen Wohnungen der Kubikinhalt der einzelnen Räume festgestellt, von denen 91 verarbeitet wurden. „Um Unterlagen für die Beantwortung der Frage zu gewinnen, wie sich der Mietpreis für 1 obm in diesen Kleinwohnungen der Minder bemittelten zu dem in den größeren Wohnungen der Wohlhabenden stellt, hat das statistische Amt der Stadt Schöneberg für einige mit modernem Komfort (Fahrstuhl, Warmwasserversorgung, Leitung für elektrische Beleuchtung) ausgestattete Eckhäuser in der teuersten Wohngegend den Kubikinhalt der einzelnen Räume auf Grund der Wohnungsaufnahme vom 1. Dezember 1910 gegenübergestellt. Es handelt sich durchweg um Vorderwohnungen. Die vier untersuchten Häuser zählen insgesamt 41 Wohnungen." Ueberblickt man die Ergebnisse in den einzelnen Städten, so findet man überall, daß der Mietspreis für ein Kubikmeter in den kleinsten, am dürftigsten ausgestatteten Wohnungen besonders hoch ist. Je kleiner die Wohnung, um so teurer ist sie im Verhältnis zum Gebotenen zu bezahlen. Die kleinste Behausung von weniger als 10 obm Luftraum ist fast fünfmal so teuer wie die etwa zwanzigmal so große Wohnung von etwa 220 odm. Die Kleinwohnungen, auf welche die große Mehrheit der Bevölkerung angewiesen ist, sind verhältnismäßig um so billiger, je größer sie sind; die größeren Wohnungen aber sind verhältnismäßig billiger als die kleineren Wohnungen. Daraus geht hervor: je kleiner die Wohnung, desto teurer die Miete. Gegen den Tarifvertrag werden Vorgänge in der Berliner Zeitungsindustrie benutzt, die wir unseren Lesern ins Ge dächtnis zurückrufen wollen. Eines Tages erhielten 1 */2 Millionen Zeitungsleser am Morgen anstelle ihres Leiborgans eine Er klärung von Mosse-Ullstein-Scherl des Inhalts, daß durch den Streik von einigen 30 Maschinenmeistern der Firma Scherl der Betrieb gestört sei, daß sich aber Ullstein und Moste mit Scherl solidarisch erklärten. Weiter erfuhr man, daß zwei Maschinen meister sich des Tarifbruchs schuldig gemacht hätten, und das mußte Aufsehen erregen, weil die Buchdrucker Vorkämpfer und Befürworter des Tarifgedankens sind. Das Tarifamt der Buchdrucker besteht aus vier Arbeit gebern und vier Gehilfen und hat über alles zu entscheiden, was das Arbeitsverhältnis betrifft. So hatte es auch über die Arbeitszeit der Maschinenmeister bei Scherl auf Antrag der Arbeiter entschieden. Diese wollten nach kurzer Zeit die Arbeits zeit, ohne das Tarifamt zu fragen, wieder ändern und hiergegen wendete sich die Firma Scherl mit der Begründung, daß sie die vom Tarifamt festgesetzte Arbeitszeit nicht willkürlich ändern könne und ging klageführend zum Tarifamt. Das Tarifamt stellte sich auf die Seite der Firma, wonach sich die beiden Maschinenmeister und ein kleiner Anhang die Disziplinlosigkeit zu schulden kommen ließen, die Arbeit niederzulegen. In längeren Verhandlungen, in denen die Arbeiter ihren Führern im Tarif amte schwere, unbelegbare Vorwürfe machten, wurde die An gelegenheit beigelegt. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt zurück, weil nicht nur unter den beteiligten Arbeitnehmern selbst harte Worte fielen, sondern vor allem auch, weil das Scharfmacher- tum, allerdings ganz unberechtigterweise, gegen den Tarifvertrag mit diesem Beispiel Front macht. Betrachten wir uns zunächst einmal die Differenzen zwischen Masse und Führer, so wissen wir, daß diese Differenzen so alt sind wie die Arbeiterbewegung selbst. Die Disziplin muß aber innerhalb der Organisation an erster Stelle gepflegt werden und das Vertrauen zu den Führern muß unverrückbar feststeben, wenn Erfolge erzielt werden sollen. Besitzen die Führer das Vertrauen, dann stehen sie auf der Warte, die einen größeren Gesichtskreis ermöglicht, damit aber gleichzeitig die Möglichkeit bietend, einmal andere Beschlüsse zu befürworten, als sie der kleinere Gesichtskreis des einzelnen aus der Masse überblicken kann. Diese starke Organisation, nach innen und außen ge schlossen, hat als Kontrahentin die Organisation der Arbeitgeber. Auch für diese muß die Forderung der Geschlossenheit bestehen, wenn der Tarifgedanke gute Früchte tragen soll. Der Gedanke des Tarifvertrages ist unter heftiger Gegner schaft entstanden und hat sich unter schweren Opfern nur ent wickeln können. Wir wollen uns mit allen Mitteln dagegen wenden, wenn die rechtsstehende Presse namentlich wieder bei diesem Fall dem System des Tarifvertrages ein baldiges Ende voraussagt. Wir zweifeln nicht daran, daß der Tarifvertrag, weiter gepflegt und ausgebaut, nicht das einzige Mittel sozialen Friedens sein wird, aber zum mindesten ein für die gegenwärtige und kommende Zeit nicht zu unterschätzendes Friedensinstrument. Deshalb kann uns in diesem Gedanken das Vorkommnis in der Zeitungsindustrie nicht erschüttern, wohl aber bestimmen, für alle Handlungen der Berufsorganisation ihre völlige innere und äußere Geschlossenheit zur Voraussetzung zu machen. Von einem Streik der Werfttechniker wurde von ver schiedenen Zeitungen berichtet. Wir erfahren hierüber, daß den Technikern der Marinebchörden ein neuer Vertrag vorgelegt wurde, der sie ihres seitherigen Charakters als Beamte entkleidet. Er gewährt das Gehalt bei Krankheit nur bis zu 14 Tagen und besagt ferner wörtlich: „dauert die Krankheit länger als 4 Wochen, so wird in der Regel gekündigt". Ein Anspruch auf Urlaub besteht nicht. Sonntagsarbeit und Ueberstunden werden nicht bezahlt. Ein Erfinderrecht erkennt der Vertrag nicht an. Dadurch ist der Vertrag so unsozial wie möglich, und eines Reichsinstituts unwürdig. Die Weigerung, sich diesen Ver schlechterungen ihrer Lage zu beugen, müssen die Marinetechniker