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224 — haben, als er die Tür nicht abschloß, so war diese Unterlassung nicht ursächlich für den Unfall. Alleinige Ursache war vielmehr, daß der Geselle den Lehrling veranlaßte, sich auf die Turbine zu setzen, und daß er dann die Schleuse zog. Damit brauchte der beklagte Mühlenbesitzer nicht zu rechnen, denn einen so außer gewöhnlichen Fall konnte er unmöglich voraussehen. Sonach war die Klage gegen den Mühlenbesitzer unbegründet. (Nachdruck verboten.) Unfall eines Wohnungsmieters auf einer mangelhaften Kellertreppe. Die Frau eines Wohnungsmieters war auf einer Kellertreppe infolge Ungleichheit der Stufen und Fehlens eines Geländers zu Falle gekommen, wobei sie sich eine schwere Ver letzung zuzog, die sie für lange Zeit bettlägerig machte. Sie strengte daher gegen den Hausbesitzer eine Klage an, mit welcher sie Schmerzensgeld, Ersatz der Heilungskosien und des für eine Hilfsperson im Haushalt gezahlten Lohnes forderte. Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, wurde vom Ober landesgericht Kiel der Anspruch der Klägerin zu zwei Dritteln gebilligt. Der Eigentümer eines Miethauses, so wird in den Gründen ausgeführt, ist verpflichtet, die Flure und Treppen in verkehrssicherem Zustande zu erhalten. Das gilt auch von den Kellertreppen jedenfalls bezüglich aller derjenigen Personen, die, wie Mieter, den Keller zu betreten Veranlassung haben. Nun haben aber sämtliche Zeugen bekundet, daß sie auf der Treppe wegen der ungleichmäßigen Höhe der einzelnen Stufen gestolpert sind; es ist demnach nur einem glücklichen Zufall zu verdanken, wenn nicht bereits früher ernstere Unfälle vorgekommen sind. Da ferner dem beklagten Hausbesitzer, wie sestgestellt, von den Unfällen einzelner Hausbewohner auf der Kellertreppe Mitteilung gemacht worden ist, so ist schon in dem Bestehenlassen der Treppenanlage in dem mangelhaften Zustande eine Fahrlässigkeit zu erblicken. Zum mindesten hätte der Beklagte bei dem schlechten Zustande der Stufen ein Geländer anbringen und für künstliche Beleuchtung sorgen müssen. Auf der anderen Seite ist aber auch die Klägerin nicht frei von jeder Schuld. Sie wohnte bereits dreiviertel Jahr in dem Hause und kannte die Gefährlich keit der Treppe; sie wäre daher zu ganz besonderer Sorgfalt bei ihrer Benutzung verpflichet gewesen. Bei der Abmessung der Schwere des Verschuldens erscheint jedoch dasjenige des Beklagten bedeutend größer als dasjenige der Klägerin, und zwar hat das Gericht das Verhältnis des Verschuldens des Beklagten zu demjenigen der Klägerin wie 2 zu 1 bemessen. Was der Lohn für die Hilfsperson im Haushalt anlangt, so hat der Beklagte zwar in gewissem Sinne recht, wenn er meint, diesen Anspruch könne eigentlich nur der Ehemann der Klägerin geltend machen. Da indessen die Klägerin mit ihrem Manne in Gütergemeinschaft lebt und letzterer mit der Geltendmachung des Anspruchs durch den Ehemann einverstanden ist, so ließ sich auch gegen die dies bezügliche Forderung der Klägerin nichts einwenden. (Nachdruck verboten.) Das Reichsgericht über die Begriffe „Tagesfahrt", „Küsten fahrt" und „Nahfahrt" der Seemannsordnung. (Urteil des Reichsgerichts vom 31. März 1911.) Der Direktor der Aktien gesellschaft „Weichsel" zu Danzig, Wächter, hatte zur Fahrt zwischen Danzig und Zoppot und Danzig und Hela, welche 3/4 bezw. 21/2 Stunden dauert, Maschinisten 4. Klasse verwendet und war deshalb, als verantwortlicher Vertreter der Gesellschaft, wegen Vergehens gegen Z 117 der Seemannsordnung vom Landgericht Danzig zu 20 Mark Geldstrafe verurteilt worden. Es handelte sich nach Auffassung des erkennenden Richters um sogenannte Küstenfahrten mit Passagieren, welche eine Besetzung der Dampfer mit Maschinisten 3. Ordnung erforderten. Wächter dagegen behauptete, mit Maschinisten 4. Klasse besetzen zu können, weil es sich um eine Nahfahrt handle, für welche die Feemanns ordnung nichts derartiges vorschreibe. Nahfahrten sind Tages fahrten von weniger als 50 Seemeilen an der Seegrenze, sodaß es bei der Entscheidung hauptsächlich darauf ankam, ob es sich bei den vorgenommenen Fahrten um Tagesfahrten handle oder nicht. Dies verneinte das Gericht, da die Dampfer erst einige Zeit nach Sonnenuntergang, nämlich 1/210 Uhr abends, in Danzig ankämen und nach der Seestraßenordnung eine Tages fahrt nur eine zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang vorgenommene sei. Wächter hingegen hatte den Begriff Tages fahrt gemäß der Erläuterung zur Bundesratsverordnung aus gelegt als eine Fahrt, die über Tag, nicht über Nacht dauere, es liege eine solche auch noch vor, wenn der Dampfer erst einige Zeit nach Sonnenuntergang zurückkehre, vorausgesetzt nur, daß die Fahrt nicht in die Nacht hinein dauere. Wächter führte in seiner heute beim Reichsgericht anstehenden Revision aus, daß es von der Entscheidung des höchsten Gerichtshofes abhänge, ob die alten, erprobten und ebenso tauglichen Maschinisten 4. Klasse zur Fahrt von Danzig nach Zoppot und Hela verwendet werden dürften. Man habe hier eine Küstenfahrt vor sich, welche zur Vermittlung des Badeverkehrs diene. Der Begriff „Küstenfahrt" sei aber nicht zu definieren als Fahrt, welche die Grenzen der Nahfahrt übersteige, sondern als diejenige, welche die Grenzen des Nahverkehrs übersteige. Da es sich hier um den Lokal verkehr der Badegäste handle und Nahfahrt eben der Lokal verkehr sei, so sei seiner Auffassung, daß eine Nahfahrt vorliege, beizupflichten. Der höchste Gerichtshof nahm im Anschluß an die Ausführungen des Reichsanwalts an, daß im Ergebnis die Auffassung der Vorinstanz die richtige sei. Für die Entscheidung der wichtigen Frage, wann man eine Tagesfahrt vor sich habe, sei maßgebend der Wortsinn: eine Fahrt am Tage, d. h. zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, ferner der Grund und Zweck der Gesetzesvorschrift, welcher darin besteht, daß für das Navigieren bei Dunkelheit durch bessere Besetzung eine erhöhte Sicherheit der sofortigen Ausführung der Befehle des Sch'ffs- führers geschaffen werden solle, und die Konsequenzen. Wenn man der Auffassung Wächters beitrete, würde sich eine feste Grenze zwischen Tages- und Nachtfahrt garnicht bestimmen lassen. Ein Lokalverkehr liege allerdings vor, aber keine Nah fahrt. Ein Dampfer dürfe aber mit Maschinisten 4. Klasse nur besetzt werden, wenn es sich entweder um eine Nahfahrt oder um eine Küstenfahrt ohne Passagiere handle. Beides aber sei hier nicht der Fall. Der Revision sei daher der Erfolg zu versagen. (Nachdruck verboten.) Aus anderen Verbänden. Gewerkverein der deutschen Maschinenbau- nnd Metall arbeiter (H.-D.). Der 15. Delegiertentag nahm folgende Reso lution an: „Der 15. ordentliche Delegiertentag des Gewerkoereins der deutschen Maschinenbau- und Metallarbeiter steht auf dem Standpunkt, daß die stets wachsende Unzufriedenheit der Arbeiter ihren berechtigten Grund in dem völligen Abhängig keitsverhältnis der Arbeiter der Großindustrie dem Unter nehmer gegenüber hat. Auf der einen Seite die rechtlich ge schützte wachsende Kapitalvereinigung in Aktiengesellschaften, Trusts und Syndikaten, der gegenüber die besitzlose wachsende Arbeitermasse steht, die, ausgeschlossen von den Produktions mitteln, dem kapitalkräftigen Unternehmertum gegenüber in ein Hörigkeitsverhältnis heruntergedrückt ist. Unumschränkt herrscht der Werkleiter über Arbeiter und Angestellte eines Werks, die Zahl der so von einem Mann beherrschten Arbeiter wächst fortwährend und hat bei der Firma Krupp bereits die Zahl 70000 erreicht. Beide Teile, Arbeiter und Unternehmer, haben zur Selbsthilfe gegriffen, wie Todfeinde stehen sie sich gegenüber, nicht das Recht, sondern die Macht siegt, derjenige, der es am längsten aushält. Streiks und Aussperrungen werden zahlreicher, nehmen an Umfang zu und schädigen weite Volkskreise. So bekämpfen sich in einem Rechtsstaat in rohester Form die Glieder desselben Volkes. Das ehemalige Hörigkeitsverhältnis der Bauern und das Faustrecht des Mittel alters ist in der Großindustrie in moderner Form wieder er standen. Die Massen der Arbeiter und Angestellten umfassen drei Viertel des deutschen Volkes; sie sind der größte Konsu ment im Jnlande, sie bilden im Kriegsfälle den Kern der Landesverteidigung. Ein weiteres Umsichgreifen der gegen wärtigen rohen Form der Selbsthilfe schädigt die nationale Gütererzeugung, wie die deutsche Volkswirtschaft überhaupt, und schwächt die Kraft des deutschen Volkes anderen Völkern gegenüber. Der heutige Zustand in der Großindustrie zeitigt anarchistische Verhältnisse, erbittert die Menschen und setzt Menschenwert hinter Kapitalwert. Aus diesem Zustand der Anarchie und wachsenden Verbitterung in der Großindustrie vermag nur eine gesetzliche Regelung von Pflichten und