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163 — Die Beschlußfassung über die Feststellung'der Entschädigungen erfolgt: 1. Sofern die Genossenschaft in Sektionen eingeteilt ist, durch den Vorstand der Sektion, wenn es sich handelt a) um die Kosten des Heilverfahrens, b) um die für die Dauer einer voraussichtlich vorüber gehenden Erwerbsunfähigkeit zu gewährende Rente, o) um das Sterbegeld, ä) um die Aufnahme des Verletzten in eine Heilanstalt, s) um die den Angehörigen eines Verletzten für die Zeit seiner Behandlung in einer Heilanstalt zu gewährende Rente; 2. in allen übrigen Fällen durch den Vorstand der Genossenschaft. Das Genossenschaftsstatut kann bestimmen, daß die Fest stellung der Entschädigungen in den Fällen zu 1 durch einen Ausschuß des Sektionsvorstandes oder durch besondere Kommissionen oder durch örtliche Beauftragte (Vertrauensmänner), in den Fällen zu 2 durch den Sektionsvorstand oder durch einen Ausschuß des Genossenschafts- oder Sektionsvorstandes oder durch besondere Kommissionen, zu bewirken ist. Wird der angemeldete Anspruch anerkannt, so ist die Ent schädigung sofort festzusetzen, andernfalls durch schriftlichen, mit Gründen versehenen Bescheid abzulehnen. Soll auf Grund eines ärztlichen Gutachtens die Bewilligung einer Entschädigung abgelehnt oder nur eine Teilrente festgestellt werden, so ist vorher der behandelnde Arzt zu hören. Steht dieser zu der Genossenschaft in einem Vertragsverhältnis, so ist auf Antrag ein anderer Arzt zu hören. Soll die Bewilligung einer Entschädigung abgelehnt werden, so ist diese Absicht dem Verletzten oder im Falle seines Todes seinen Hinterbliebenen, soweit sie nach den gesetzlichen Bestimmungen entschädigungsberechtigt sein würden, mitzuteilen. Soll eine Entschädigung bewilligt werden, so ist den gedachten Personen die Höhe der in Aussicht genommenen Entschädigung mit den rechnungsmäßigen Grundlagen mitzuteilen. Der Verletzte sowie seine Hinterbliebenen sind befugt, auf diese Mitteilung innerhalb zweier Wochen sich zu äußern. Auf ihren innerhalb der gleichen Frist gestellten Antrag hat die untere Verwaltungsbehörde diesen Antrag zu Protokoll zu nehmen. Wird ein solcher Antrag gestellt, so hat hiervon die untere Ver waltungsbehörde unverzüglich dem zuständigen Genossenschafts- orgaue Kenntnis zu geben; dieses hat bis zum Eingang des Protokolles den Bescheid auszusetzen. Auf diese Befugnisse, sowie auf die Berechtigung, die An hörung eines anderen Arztes zu beantragen, sind die Entschädigungs berechtigten in dem vorläufigen Bescheid hinzuweisen. Ueber die Feststellung der Entschädigung hat diejenige Stelle, welche sie vorgenommen hat, dem Entschädigungsberechtigten einen schriftlichen Bescheid zu erteilen, aus welchem die Höhe der Entschädigung und die Art ihrer Berechnung zu ersehen ist. Bei Entschädigungen für erwerbsunfähig gewordene Verletzte ist namentlich anzugeben, in welchem Maße die Erwerbsunfähigkeit angenommen worden ist. Gegen den Bescheid, durch welchen der Entschädigungs anspruch abgelehnt wird, sowie gegen den Bescheid, durch welchen die Entschädigung festgestellt wird, findet die Berufung auf schiedsgerichtliche Entscheidung statt. Die Berufung ist bei Vermeidung des Ausschlusses inner halb eines Monats nach der Zustellung des Bescheides bei dem Schiedsgericht zu erheben, in dessen Bezirk der Betrieb, in welchem sich der Unfall ereignet hat, belegen ist. Die für die Berufung gegebene einmonatige Frist gilt auch dann als gewahrt, wenn innerhalb derselben die Berufung bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Genossenschafts organ eingegangen ist. Der Bescheid der Berufsgenossenschaft muß die Bezeichnung des für die Berufung zuständigen Schiedsgerichts, sowie die Belehrung über die einzuhaltende Frist enthalten. Bildet in dem Falle, daß es sich um eine Hinterbliebenen rente handelt, die Anerkennung oder Nichtanerkennung des Rechts verhältnisses zwischen dem Getöteten und dem die Entschädigung Beanspruchenden die Voraussetzung des Anspruchs, so kann das Schiedsgericht den Beteiligten aufgeben, zuvörderst die Feststellung des betreffenden Rechtsverhältnisses im ordentlichen Rechtswege herbeizuführen. Die Entscheidung des Schiedsgerichts ist den Berufenden und demjenigen Genosfenschaftsorgane, welches den angefochtenen Bescheid erlassen hat, in Ausfertigung zuzustellen. Gegen die Entscheidung des Schiedsgerichts steht in den Fällen dauernder Rente dem Verletzten oder dessen Hinterbliebenen, sowie demGenossenschaftsvorstande das Rechtsmittel des Rekurses zu. Ueber den Rekurs entscheidet das Reichs-Versicherungs- amt. Das Rechtsmittel ist bei demselben zur Vermeidung des Ausschlusses innerhalb eines Monats nach Zustellung der Ent scheidung des Schiedsgerichts einzulegen. Bei Berufsgenossenschaften, deren Betriebe nicht über die Grenzen eines Bundesstaates, für den ein Landes-Versicherungs- amt errichtet ist, hinausgehen, bildet letzteres das Rekursgericht. Arbeiterbeamte im Gewerbeauffichtsdienste. (Von Gewerbe inspektor F. O. Morgner.) Unter den Forderungen, die nach weiterem Ausbau des gewerblichen Arbeiterschutzes erhoben werden, steht zwar diejenige nach „einer durchgreifenden Mitwirkung von Arbeitern bei der Tätigkeit der wissenschaftlich ausgebildeten Gewerbeaufstchts- beamten" nicht obenan, sie ist jedoch wegen der ihr innewohnenden agitatorischen Kraft und wegen ihrer kritischen Stellung zurstaatlichen Gewerbcaufsicht von besonderer Bedeutung. Im Nachstehenden sei sie nun näher betrachtet. Insbesondere soll hierbei untersucht werden, ob die Gründe, die man für sie geltend macht, zutreffend sind und ob die Erfolge, die man von ihrer Verwirklichung erwartet, eintreten werden oder nicht. Bekanntermaßen bewegen sich jene Forderungen nach zwei Richtungen hin; einmal wird die Zuteilung von Beamten aus Arbeiterkreisen zu den Gewerbe-Inspektionen verlangt, andrerseits sollen in jedem größeren Gewerbebetriebe Vertrauenspersonen aus der Mitte der Arbeiter heraus ein Bindeglied zwischen der Arbeiterschaft und den staatlichen Gewerbe aufsichtsbeamten bilden. Durch seine Kenntnis der Praxis, der täglichen Arbeit und ihren Gefahren soll der Arbeiterkontrolleur den Gewerbeaufsichtsbeamten unterstützen und ergänzen. Zur Begründung dieser Forderung führt man in erster Linie an, der Verkehr zwischen Gewerbeaufsichtsbehörde und Arbeiterschaft sei gegenwärtig viel zu gering; er entspräche nicht den tatsächlichen Verhältnissen in den Fabriken, und es stehe dies im Widerspruch zu den Zielen und Aufgaben einer wirksamen Gewerbeaufsicht. Die Ursache dieser unerfreulichen und dringend der Abhilfe bedürftigen Erscheinung sei in der persönlichen Zurück haltung der Arbeiterschaft gegenüber den Organen der Gewerbe aufsicht zu suchen, und ihre Folge sei eine unvollkommene Durch führung des Arbeiterschutzes und eine ungenügende Wahrung der den Arbeitern zugestandenen Rechte im Arbeitsverhältnis. Man erwartete demnach von der Anstellung beamteter Arbeiter, daß alsdann der jetzt vielfach vermißte Verkehr der Arbeiterschaft mit den Gewerbe-Inspektionen sehr gehoben werden würde. Um diese Annahme auf ihre Berechtigung hin nachzuprüfen, lohnt es sich, einmal den Verkehr näher zu betrachten, den die Arbeiter mit den von ihnen selbst ins Leben gerufenen Arbeiter sekretariaten pflegen. Aufs Geradewohl sei hierbei ein Bericht des Dresdner Arbeitersekretariates, dem 56 Gewerkschaften mit rund 60000 Mitgliedern angeschlossen sind, herausgegriffen. Nach der Schrift „Das Dresdner Arbeitersekretariat im Jahre 1908" wurde letzreres in den Jahren 1906 bis 1908 durchschnittlich von 10890 Besuchern jährlich in Anspruch genommen. Im Jahre 1908 zergliederten sich die der Auskunstsstelle seitens der Arbeiterschaft vorgelegten Fragen nach einer in jener Schrift enthaltenen Zusammenstellung wie folgt: Arbeiterversicherung: 2701 Oeffentliches Recht: 3397 Gewerbliches und Gesinde- Arbeiterrecht: 135 recht: 1240 Arbeiterschutz an der Arbeits- Bürgerliches Recht: 3397 stätte 31 Strafrecht: 566 sonstige Angelegenheiten: 452. Für die vorliegende Abhandlung besteht das bemerkens werteste Ergebnis dieser Statistik in dem Nachweise, daß sich die zahlenmäßige Inanspruchnahme des Arbeitersekretariats seitens der Auskunft suchenden Arbeiter, soweit sie den Arbeiterschutz an der Arbeitsstätte zum Gegenstand hatte, auf 31 Fälle beschränkte und gegenüber den sonstigen Auskünften völlig in den Hintergrund