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110 sind, so müssen wir wohl aus ihrer Anordnung annehmen, daß die von ihnen gebildeten Kurven, die in so charakteristischer Weise vom Nordpol zum Südpol hinüberführen, in jedem Punkte ihres Verlaufes die Richtung angeben, in welche sich ein frei beweglicher kleiner Magnet unter dem Einfluß des festen Magnetstabs einstellen würde. Oder wir können uns auch so ausdrücken: diese Linien geben die Richtung an, in welcher der Magnet seine Kraft äußert. In der Tat nennen wir diese ge dachten, nicht wirklich vorhandenen Linien magnetische Kraftlinien. Wir nehmen an, daß die Kraftlinien eines Magneten aus dem Nordpol heraustreten, die Luft in bestimmten Kurven durch setzen und zum Südpol zurückkehren. Innerhalb des Magneten laufen sie dann zum Nordpol, so daß also die einzelne Kraft linie eine geschlossene Linie ohne Anfang und Ende ist. Diese „Kraftlinien-Theorie" ermöglicht es uns, die magnetischen Gesetze einfach und allgemeinverstädlich zu formulieren und sie in Parallele zu stellen zu den uns schon bekannten Anschauungen und Gesetzen aus der Elektrizitätslehre. Wie wir von einem elektrischen Stromkreis gesprochen haben, so wollen wir nunmehr auch den Ausdruck „magnetischer Kreis" einführen. Der elektrische Kreis sitzt sich zusammen aus einer Stromquelle, deren Eigenschaft eine elektromotorische Kraft oder Spannung war, und einem oder mehreren leitenden Körpern, deren Eigenschaft der Widerstand ist: nach dem Ohmschen Gesetz ruft die Spannung einen Strom in dem Stromkreis hervor, der gleich ist Spannung : Widerstand. Wir begegnen beim magnetischen Kreis genau den gleichen Gesetzen. Wir haben eine Quelle, deren Eigenschaft eine magnetomotorische Kraft ist, und haben einen Kreis, der sich aus mehreren magnetischen Leitern zusammensetzt, deren Eigen schaft der magnetische Widerstand ist; und analog dem Ohmschen Gesetz ruft die magnetische Kraft einen Kraftlinienstrom hervor, der gleich ist magnetomotorischer Kraft: magnetischen Widerstand. Diese Behauptung wollen wir uns nun aber einmal etwas genauer ansehen. Zunächst sagen wir, es wäre eine Quelle da, deren Eigenschaft eine „magnetomotorische Kraft sei, also gewisser maßen eine „magnetische Spannung". Diese Quelle ist bei unserem Stabmagneten zweifellos der Stab selbst. Wir können uns auch, wenn wir an die in seinem Innern regelmäßig ge richteten Molekularmagnete denken, sehr wohl vorstellen, daß er die Eigenschaft einer „magnetischen Spannung" besitzt. Der oder die Leiter, welche den „magnetischen Strom" leiten sollen, werden in Figur 10 durch den zwischen den Polen des Stabes befindlichen Luftraum dargestellt; und zwar besitzt dieser Leiter die Eigenschaft des „Widerstandes"; und dieser Widerstand ist — genau wie der elektrische Widerstand eines Leiter — ab hängig von der Länge, dem Querschnitt und einer Material konstante. Dem Strom des elektrischen Stromkreises entsprechen die „magnetischen Kraftlinien" des magnetischen Kreises. Ehe wir weiter gehen und uns noch vertrauter mit den Beziehungen des magnetischen Kreises machen, müssen wir uns über die für uns im Dynamobau allein vorkommende Methode der Magnetisierung von Eisen klar werden. Wir haben nicht nur die umständliche Methode zur Verfügung, einen Stahlstab durch Streichen mit einem bereits magnetischen Stabe ebenfalls magnetisch zu machen. Außerdem nutzt uns ersichtlich eine solche Art nichts, wenn wir an Stelle von Stahl beispielsweise Eisen anwenden und magnetisch nicht nur für den Augenblick machen, sondern auch in diesem Zustand erhalten wollen. Umwickeln wir einen Eisen- ^ stab (Figur 11) mit mehreren Windungen eines isolierten Kupferdrahtes; die Drahtenden dieser „Spule", welche wir auch „Solenoid" nennen, verbinden wir mit den Polen einer Elek- trizitätsquelle; es fließt also dann ein elektrischer Strom durch die zahlreichen Windungen T>- des Solenoids um den betr. Stab herum. Wir bemerken, 11. daß der vorher unmagnetische Stab jetzt unter der Einwirkung des ihn umkreisenden Stromes magnetisch geworden ist. Wenn wir wissen, in welcher Richtung der Strom die Windungen des Solenoides durchfließt, so sind wir schon von vornherein imstande, die beim Einwirken des Stromes entstehenden magnetischen Pole zu bestimmen. Wir merken uns zur Be stimmung der Magnetpole eines Elektro magneten folgendes sehr wichtige Gesetz: Wir blicken den zu bestimmenden Pol an, indem wir auf seine freie Polfläche sehen, und verfolgen den Stromlauf in den ihn umgebenden Windungen; dann kann zweierlei möglich sein; ent weder fließt der Strom um den Pol in der Richtung des Uhrzeigers, also rechts herum, dann ist der betreffende Pol ein Südpol. Fließt der Strom Figur 12. aber links herum, entgegengesetzt dem Uhrzeiger, um den be trachteten Pol, so ist der letztere ein Nordpol. (Figur 12.) Die Pole werden um so kräftiger, je mehr Strom wir durch die Windungen senden oder je mehr Windungen wir um den Stab legen; und besonders wollen wir beachten, daß z. B. die Magnetisierung die gleiche ist, ob ich nun 10 Windungen von 10 A. durchflossen anbringe, oder 100 Windungen, die von 1 A. durchströmt werden. Also nicht vom Strom allein, und auch nicht von der Windungszahl allein ist die Magnetisierung abhängig, sondern von dem Produkte Windungszahl mal Strom stärke, wofür wir den Ausdruck „Ampöce-Windüngen" ein geführt haben. Diese Methode, einen Stahl- oder Eisenstab magnetisch zu machen, ist natürlich viel bequemer als die früher erwähnte des L-treichens mit natürlichen Magneten. Und bei dieser Art des Magnetisierens können wir das verschiedene Verhalten von Stahl und Eisen gut beobachten. Magnetisieren wir Stahl, so bleibt er nach Unterbrechung des Stromes permanent, magnetisch. Schieben wir aber einen Elsenstab in unsere Solenoidspule, so merken wir vielleicht, daß der Stab bei Anwendung der gleichen Stromstärke stärkere Pole hat; aber, sobald der Strom unterbrochen wird, verliert das Eisen seinen Magnetismus bis auf einen ganz kleinen Rest, den sogenannten remanenten (zurück- bleibenden) Magnetismus. Nunmehr kehren wir noch einmal zur Betrachtung unseres magnetischen Stromkreises zurück und überlegen uns, wie wir beim elektrischen Stromkreis überlegt hatten: Was ist die Quelle? Wir werden jetzt, wo wir einen Elektromagneten benutzen, sofort sagen können, das Erzeugende sind hier die Ampöce-Wmdungen; sie bringen in dem magnetischen Leiter die Kraftlinien, das Erzeugte, hervor. Der höhere oder niedrigere Wert der Amptzce- Windungen bringt mehr oder weniger Kraftlinien in dem mag netischen Leiter hervor. Also gilt auch, wie schon früher bemerkt, das Ohmsche Gesetz ebenfalls für magnetische Beziehungen. Wir können uns also einen magnetischen Kreis ganz nach unserem Geschmack zusammensteüen. Vorher wollen wir aber, wie bei der Elektrizitätslehre, über den magnetischen Widerstand noch etwas sagen. Oben erwähnten wir, daß wir mit einer magnetischen Materialkonstante zu rechnen hätten, gerade wie beim elektrischen Widerstand uns die Materialkonstante von Kupfer, Messing, Eisendraht usw. bekannt wurden. Da haben wir es nun beim Magnetismus recht bequem. Es haben nämlich — mit Ausnahme der hochwertigen sehr guten magnetischen Leiter — alle Leiter, wie z. B. Luft, Kupfer, Papier, Messing, Zink, Glimmer usw. die gleiche Materialkonstante. Das heißt, alle diese Materialien sind für die Kraftlinien in gleicher Weise leitfähig oder durchlässig. Die drei hochwertigen Materialien dagegen, welche uns interessieren, Verhalten sich ganz anders. Darauf können wir aber jetzt noch nicht eingehen; es genügt, daß wir wissen, daß die Materialkonstante dieser Materialien, wozu Gußeisen, Schmiedeeisen, sogenannter Tynamostahlguß und Dynamo-Eisenblech gehören, einen unter normalen Verhältnissen sehr guten Wert besitzt, so daß die Leitfähigkeit und Durch lässigkeit für Kraftlinien bei diesen Materialien sehr bedeutend ist. Daraus werden wir aber sofort einen Schluß ziehen dürfen. Wenn wir die Absicht haben, eine möglichst große Kraftlinien zahl mit möglichst wenig Ampsce-Windungen hervorzurufen, so muß der magnetische Widerstand klein sein. Das wird er