Volltext Seite (XML)
X. Band. Chemnitz, den 1. Juli "1900. Nr. 19. Der JnserttonSpreis beträgt pro biergeipaltene Peiitzeile oder deren Raum 2L Ps. Bei Wiederholungen Rabatt. ^ Deutsche Beilagen, von denen der Redaction ein Probeexemplar einzusenden ist, werden j unter genauer Angabe der Auflage billigst berechnet. Maschinisten- und Heizer-Zeitschrift. HrM der der Herme jßx Ma^miste« Heizer. Erstes Fachblatt für alle Maschinisten und Heizer Deutschlands und Oesterreich-Ungarns. Die Zeitschrift erscheint am 10. und 28. jeden Monats und kostet jährlich 3,60 Mk. — 2 fl. 25 kr. österr. Währ. Alle Postämter nehmen Bestellungen zum Preise von 0,90 Mk. — 60 Kr. vierteljährlich entgegen. (Deutsche Reichs-Post-Zeitungs-Liste Nr. 1750a I. Anhang für 1898.) Alle Zahlungen und Sendungen, welche sich aus den Anzeigentheil beziehen, sind an die persönliche Adresse Ernst Pilz, Chemnitz, Aue Nr. 9 — alle Beilagen, sowie redaktionellen Berichte u. Postsendungen an die Redaction Ernst Wurr, Leipzig, Querstraße 1, zu richten. Alle Mittheilungen für den Verband sind an den Vorsitzenden des Sächsischen Verbandes, Julius Emmerich, Chemnitz, Sonnenstr. 11, zu adressiren. Psingsturlaub. Wie die Kinder nach dem Weinachtsbaum, so sehnen sich die erwachsenen Arbeiter das ganze Jahr nach dem Pfingstfest, ist es doch die einzige Zeit, wo ein Ausflug in's Freie, welcher mehrere Tage beansprucht, eine kleine Gebirgsreise, Besuch bei entfernten Verwandten oder dergleichen ermöglicht werden kann. Besonders für die Arbeiter in unserem Beruf hält es schwer, im Laufe des Sommers einige freie Tage zu erlangen, ja selbst der gänzlich dienstfreien Sonntage sind nur wenige, und tritt zu dem langersehnten Pfingsten ungünstige Witterung ein, so muß manche Hoffnung schweren Herzens zu Grabe getragen, mancher Reiseplan aufgeschoben werden. Hoffentlich ist die Zeit nicht allzufern, wo es nicht mehr zu den Ausnahmen gehört, daß jedem Arbeiter ein acht- oder vierzehutägiger Sommer urlaub bewilligt wird. Die allgemein zunehmende Intensität der Arbeit bedingt nothwendig eine Verlängerung der Ruhe und Erholungszeit, wenn nicht der Gesundheitszustand des ganzen Volkes beeinträchtigt, die durchschnittliche Lebensdauer verkürzt werden soll. Besonders für die Arbeiter in unserem Beruf, der so hohe Anforderungen an die Aufmerksamkeit stellt, so nerveuauf- regend ist, und bei welchem die zumeist große Hitze nicht unter schätzt werden darf, wäre ein solcher Urlaub nothwendig und würde die körperliche Rüstigkeit und Arbeitsfreudigkeit wesentlich erhöhen. Die Schwierigkeit, einen geeigneten Ersatz während dieser Zeit zu finden, dürfte im Sommer nicht unüberwindlich sein. Schreiber dieses war es vergönnt, während der diesjährigen vom Wetter ausnahmsweise begünstigten Feiertage und noch darüber hinaus, bis Donnerstag Abend Urlaub zu erhalten, und wenn derselbe auch in der Hauptsache zu einem Besuch der zur Zeit in Bautzen wohnenden Frau und Kinder seines sich seit 20 Jahren in Centralamerika aufhaltenden Bruders diente, war es ihm doch nebenbei möglich, auch einige andere Orte, wo sich Brudervereine befinden, aufzusuchen, die Bekanntschaft einer Anzahl braver College« zu machen und möglicherweise auch manche Anregung zu geben. Was an Erfahrungen und Mit theilungen bei dieser Gelegenheit gesammelt wurde, findet sicher zu geeigneter Zeit Verwendung, doch soll schon heute etwas vom Oschatzer und Dresdner Bruderverein als voraussichtlich von allgemeinem Interesse erzählt werden. . In Nr. 18 dieses Bandes ist angedeutet, in welcher Weise die Ausbildung der Heizer in praktischer wie theoretischer Be ziehung unserem Verband überlassen werden könnte, erfreulicher weise ist das dort nur als schüchterner Wunsch ausgesprochen, schon in einer denselben weit übertreffenden vollkommenen Weise durch die Hochherzigkeit eines wahren Arbeiterfreundes und das einsichtsvolle Entgegenkommen der Arbeitgeber in's Werk gefetzt und wird sicher ein schöner Beweis von der Durchführbarkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Heizerschule erbracht, der hoffentlich auch an anderen Orten bald Nachahmung findet. Die werbende Kraft unseres Verbandes, dem trotz geringer Ausgaben für Agitation sein stetes Wachsthum mit zu danken ist, zeigt sich recht deutlich am Bruderverein in Oschatz. College Eberlein, der derzeitige Vorsitzende desselben, war früher Mitglied des Vereins in Zschopau. Als er vor einigen Jahren in der freundlichen, durch einen weithin sichtbaren Doppelthurm gekrön ten Stadt am Fuße des Colmberges in Stellung kam, unternahm er es dort, einen Verein zu gründen und waren seine Bemühungen derart von Erfolg gekrönt, daß der dortige Verein vor ca. zwei ^ Jahren sich dem Verband anschließen konnte und heute ihm die Mehrzahl der Berufsgenossen in der Stadt und Umgegend an gehören. Damit begnügte er sich indeß nicht, sondern erwarb dem jungen Verein einflußreiche Freunde und Gönner, zunächst seinen Chef. Durch denselben wurde Herr Ingenieur Polster, Director der Filzwaarenfabrik Marthaus, aufmerksam auf die Bestrebungen desselben und beschloß, in hochherziger, uneigen nütziger Weise dieselben zu unterstützen. Die Dankbarkeit und Aufmerksamkeit, welche er bei gelegentlichen Vorträgen fand, ließen in ihm den Plan reifen, eine Heizerschule, welche für Mitglieder des Vereins unentgeltlich ist, in's Leben zu rufen und hat dieselbe, auf deren Ergebnisse wir wohl später noch zurückkommen, am 8. Juni dieses Jahres unter Betheiligung von nicht weniger als 20 Schülern mit dem theoretischen Unterricht ihren Anfang genommen. Herr Director Polster- Hat folgende Grundsätze ausgestellt, nach welchen er zu verfahren gedenkt. Für seine Bemühungen sowie Beschaffung der nöthigen Lehrmittel beansprucht er nichts. Der Vereinsleitung ist es freigeftellt, Berufsgenoffen, welche dem Verein nicht angehören, an dem Unterricht theilnehmen zu lassen und einen von ihr festzusetzenden Betrag, welcher der Vereinscasfe zufließen soll, für die Erlaubniß zur Theilnahme am Unterricht zu erheben. Von dem Grundsätze ausgehend, daß der praktische Unterricht au Kesseln und Maschinen verschiedener Construction durchge führt werden müsse, ist von einer Anzahl Dampfanlagebesitzern nicht nur in Oschatz, sondern auch in Riesa, Mügeln u. s. w. die Erlaubniß erwirkt worden, denselben in deren Anlagen durch zuführen und haben sich die Arbeitgeber der Schüler bereit er klärt, die dazu nöthige Zeit freizugeben, indeß trotzdem sie einen Ersatzmann stellen müssen, zu bezahlen. Herr Gewerbeinspector Müller in Wurzen hat versprochen, nach beendigtem Cursus die Prüfung vorzunehmen. Dies ist in leichten Umrissen das, was bei einem kurzen, vorübergehenden Besuch in Erfahrung gebracht werden konnte, es dürfte indeß genügen, das Interesse für das dankenswerthe zeitgemäße Vorgehen des Herrn Director Polster und das Entgegenkommen der betreffenden Arbeitgeber zu erwecken und hoffentlich dazu dienen, zur Nachahmung auch an anderen Orten anzuregen. Ein glücklicher Umstand fügte es, daß an dem einzigen Abend, welcher für den Aufenthalt in Dresden zur Verfügung j stand, eine Vorstandssitzung des dortigen Brudervereins abgehalten ! wurde und es mir vergönnt war, derselben beizuwohnen. Die Verhandl ngen einer solchen Sitzung gehören nicht an die Oeffentlichkeit und soll nur constatirt werden, daß auch dort