Volltext Seite (XML)
100 Verstöße vor. An Schutzvorrichtungen fehlt es ja nicht, und wenn dieselben auch zuweilen die Zugänglichkeit zu den Lagern erschweren oder entfernt werden müssen, wenn es gilt, das Kurbel lager nachzuziehen, so muß dies eben nothwendigerweise mit in Kauf genommen werden, da dieselben, wenn ihre Wiederanbringung nicht etwa unterlassen wird, unbestreitbar größere Sicherheit bieten. Zuweilen kann man aber in einer Anlage, wo die Maschine in allen ihren beweglichen Theilen aufs Beste gesichert ist, finden, daß der Zugang auf den Kessel, um die Ventile zu öffnen oder zu schließen, durch eine einfache Holzleiter bewerk stelligt werden muß, welche sich mit der Zeit unter Einwirkung der wechselnden Temperaturen krumm und schief gezogen hat, wohl gar schon mehrfach nothdürftig geflickt ist, und jeden Augenblick zusammenbrechen kann. Unwillkürlich fragt man sich dann, wie eine solche Gesetzwidrigkeit dem Auge des revidirenden Beamten entgehen konnte. Doch das eben Erwähnte ist nur nebensächlich, weil glücklicherweise nicht zu häufig vorkommend, gegenüber der Auswahl der geeigneten Leute zur Ausübung dieses Berufes. Selbst in der lebhaftesten Geschäftsperiode ist es möglich, für solche Stellung einen geeigneten Mann zu finden, wenn ein auskömmlicher, der Verantwortung entsprechender Lohn gezahlt wird. In allererster Linie sollte man es als Hauptaufgabe betrachten, daß zur Bedienung von Kesseln und Betriebsmaschinen nur gesunde kräftige Leute, die auch geistig fähig sind zu erkennen, was für Anforderungen der Dienst an den Einzelnen stellt, angenommen werden. Zu bewundern ist es, daß seitens der Berufsgenossen schaften gerade in dieser Beziehung nicht organisirend eingegriffeu wird. Wie oft kommen Unfälle vor, die unbedingt vermieden sein würden, wenn Leute angestellt worden wären, die den An forderungen einer solchen Stellung genügt hätten. Es seien hier nur die bekannt gewordenen Fälle von Ausglühen von Dampfkesseln oder Theilen desselben erwähnt, mancher derselben wird der Oeffentlichkeit sorgfältig verborgen und beweist dies schon, auf welcher Seite man sich schuldig fühlt. Die gesetzlichen Vorschriften, die in jedem Kesselhaus aus gehängt sein sollen, findet man in manchen nicht, sie liegen im Contor oder sonstwo, nur nicht dort, wo sie hingehören, oder sind bei häufigem Personalwechsel arg vernachlässigt, beschmutzt und dadurch unleserlich geworden. An Erneuerung aber denkt Niemand. Ein nach allen Seiten ausgebildeter Heizer braucht aller dings dieselben nicht gedruckt vor sich zu Haben, er hat sie nicht nur im Kopfe, sondern sie sind ihm gewissermaßen in Fleisch und Blut übergegangen, da sie in ihrer zweckmäßigen, bündigen Fassung Das enthalten, was er täglich, ja stündlich ausüben muß. Ein solcher hat auch nicht nöthig, bei vorkommenden Gefahren sich aus denselben erst Informationen zu holen, in solchem Falle heißt es „Handeln". Ein in raschem Entschluß ausgeführter richtiger Griff kann oft mit einem Schlage alle Gefahren für Kessel, Gebäude und Menschenleben beseitigen, Frauen und Kinder der Arbeiter vor dem Verlust ihrer Ernährer und den Besitzer der Anlage vor einem sich nach Tausenden von Mark beziffernden Materialschaden bewahren. Wo solche energische Handlungen durch andere Personen im öffentlichen Leben aus geführt werden, giebt es seitens des Staates oder von Gesell schaften Belohnungen, öffentliches Lob, wohl auch noch ein Ehrenzeichen. Uns Maschinisten und Heizern wird nichts der gleichen, viel näher liegt die Möglichkeit, daß uns das Straf gesetz mit seinen Paragraphen über Fahrlässigkeit droht, so bald nur eine Nachlässigkeit, ein eigenes, wenn auch noch so geringes Verschulden nachgewiesen werden kann, selbst dann noch, wenn es gelungen ist, durch Geistesgegenwart schlimme Folgen zu ver meiden, viel mehr aber, wenn dies nicht der Fall war. Ein zuverlässiger Heizer und Maschinist soll und darf den Kopf nicht verlieren, mit Einsetzung seiner eigenen Person, ohne Rücksicht auf seine Familie, muß er in die Gefahr hinein; glückt es ihm, dieselbe zu beseitigen, so hat er immer noch eine peinliche Unter suchung zu erwarten; glückt es ihm nicht, so ist er der Erste, der darin untergeht, und in manchem Falle kann man sagen: Wohl ihm, daß er auf dem Kampfplatze des Daseins, d. h. im Berufe, geblieben und Wohl das Leben, nicht aber die Ehre ver loren hat, daß er dem Strafrecht nicht mehr verfallen kann, denn nach den Vorschriften ist er verantwortlich. Jawohl, verantwortlich ist Jeder vor dem Gesetz, welcher an einen solchen Posten gestellt wird. Selbst dann noch, wenn er dem Richter beweisen kann, daß er sich solcher Verantwort lichkeit nicht bewußt war, ihn Niemand darüber aufgeklärt hat, trifft ihn die Strafe. Aber nicht der wirklich Schuldige, der, um einige Mark Lohn im Jahre zu sparen, der eigentliche Ur heber des Unfalles ist, wird getroffen. Dem einfachen Menschen verstände müßte es doch klar sein, daß nur ein Mann verantwortlich für seine Handlungen oder Unterlassungen gemacht werden könnte, der eine Prüfung auf seine Befähigung zu einer solchen Stellung abgelegt hat. Diese Prüfung also ist es, die man von Seiten unserer College» fordert; sie sind unter dieser Voraussetzung bereit, die Verantwortung zu tragen, und doch soll uns diese nicht werden — ein gewiß eigenthümliches Verhältnis. Manche Arbeiterkategorien sträuben sich, eine Verantwortlichkeit zu übernehmen, einem Prüfungs zwang sich zu unterwerfen; wir hingegen wünschen dies und ist es wohl nöthig, nach dem Grund zu forschen, warum er gewünscht wird; doch wohl nur in der Erwartung, die sociale Lage zu verbessern, das Ansehen des Standes zu heben. Wenn nur diese Hoffnung nicht eine trügerische ist, die sich nicht erfüllt. Die bisherigen Erfahrungen sind nicht sehr ermuthigend. Wir haben ja schon eine Anzahl von Heizerschulen an verschiedenen Orten. Eine große Zahl unserer Mitglieder haben dieselben unter Opfern an Geld und Zeit besucht, eine Prüfung bestanden und die Gebühren dafür erlegt in der Hoffnung, durch bessere Entlohnung dafür entschädigt zu werden, in den weitaus meisten Fällen trat dies indessen nicht ein. Die Principale ließen es sich gern gefallen, daß ihr Heizer die Verantwortlichkeit über nahm, für eine Lohnerhöhung sind sie indeß auf Grund dessen nur selten zu haben gewesen. Würde die Prüfung und Erlangung eines Befähigungs nachweises durch Gesetz vorgeschrieben, so hätte wenigstens der Einzelne nicht mehr nöthig, außer seiner Zeit auch noch Opfer an Geld zu bringen, es müßre dann seitens der Industriellen der Unterricht und die Prüfung bezahlt werden, wie es ja an einzelnen Orten, z. B. in Ofchatz, thatsäcklich geschieht. Da die Besitzer von Dampfanlagen einzig den Vortheil davon haben, erscheint dieses Verlangen nur gerecht. Das ist ein Streiflicht über diesen Gegenstand. Es möge uns indeß noch eine andere Frage beschäftigen. In der Einleitung dieser Betrachtungen wurde verlangt, daß nur körperlich gesunde, kräftige Leute als Heizer und Maschinisten angestellt werden sollen. Weshalb? Weil eben der Beruf kein leichter ist und in den meisten Fällen gesundheitlich hohe Anforderungen stellt. Selbst gesunde, kräftige Leute erliegen bald Erkrankungen — den sogenannten Berufskrankheiten — am meisten dem Rheumatis mus und Lungenkrankheiten, beginnend mit einem Katarrh, welchem bald ein zweiter sich zugesellt. Dieser wird zum chronischen Uebel und die Krankheit ist fertig. Ja, diesen sind aber andere Menschen auch unterworfen! Gewiß, aber nicht in dem Maße, wie in unserem Berufe. Wir stehen in einer, in manchen An lagen möchte man sagen tropischen Hitze, und bringt es die Arbeit mit sich, daß man, zumal im Winter, über einen zugigen Hof hinaus muß, um Kohlen zu fahren, Wasser zu besorgen, auch in einen Brunnenschacht zu steigen u. s. w. Ach, da giebts ja hunderterlei Arbeiten; dazu kommt noch, daß man selbst gern > einen frischen Athemzug in freier Luft genießt. Hat man etwa ^ immer Zeit, beim Kohlenfahren erst einen Rock anzuziehen, und ! wenn wirklich, würde man das machen? Etwa, um sich von Anderen, die eigentlich die Arbeit gar nicht beurtheilen können, auslachen zu lassen? Lungenaffectionen sind die Folgen. Da 1 nun meistens ein Heizer im Betrieb alleinstehend ist, so wird dieser Affection keine Beachtung geschenkt, bis es nicht mehr geht und die Lungenentzündung fertig ist. Dann kommt ein Anderer an die Stelle, und wenn man zum Gesundsein kommt, sucht man als Reconvalescent nach Arbeit, die man nicht leicht findet; wer nimmt einen kranken Heizer in Dienst? Der Heizer hat seinen Stand vor dem Kessel und wie wir wissen, wird dem Feuer durch den Rost Luft zugeführt, die dem Kesselhaus entnommen wird, was ja kein Schaden für die Feuerung ist, denn diese Luft ist vorgewärmt. Nun aber schließen