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„Ich fürchte nicht," entgegnete Bardolf, „die Reiter würden sich vielleicht tänschen lassen, aber jenem Spion werden sic nicht entgehen. Ich sage (Luch offen, wenn die Roth es erfordert, dürfen die Drei nicht lebend das Hans verlassen." „Ich will Euch nach beste» Kräften unterstützen, aber vermeidet Blutvergießen bis zum Aeußersten."" „Könnt Ihr Euch auf die Verschwiegenheit Eures Weibes verlassen?" „Unbedingt." „Und Euer Knecht?" „Ist treu wie Gold." „Dann wollen wir, da die Männer von Euren Familien angelegenhciten sicher nichts wissen, die beiden Mädchen als Glieder Eurer Familie aus geben. Ihr könnt ja sagen, sie seien im Wald ge wesen nnd erst beim Ausbruch des Gewitters heim gekehrt. Geht zu den Gästen hinein nnd schickt mir Encr Weib, damit ich das Weitere mit Ihr bespreche." Michel eilte fort nnd kurze Zeit darauf trat dessen Frau zu Bardolf ins Zimmer. „Mein Mann hat mir gesagt," redete sic den Knappen an, und Blick und Haltung zeigten den Muth und die Entschlossenheit, welche den Bewoh nern des Schwarzwaldes eigen ist, „daß Eure Ge fährten Mädchen seien, nnd ihnen durch die Männer drunten Gefahr drohe, ich will Euch helfe», so weit ich cs vermag." „Tausend Dank, gute Frau; Ihr vermöget viel zu thun nnd Gott wird Euch dereinst lohnen, daß Ihr den Bedrängte» helft. Vor allen Dingen wäre es nöthig, eine andere Kleidung für die Mädchen herbeizuschaffcn." „Ich könnte ebenfalls," entgegnete die Frau nach kurzem Nachdenken, „den Anzug eines Mädchens liefern und von unserem Knecht, dessen Figur nur kleiner ist, werden wir Kleider für einen Mann oder wenigstens für einen Knaben bekommen können." „Vortrefflich, dann muß also Euer Mann, wenn die Fremden nach Ankunft neuer Gäste fragen, nur von mir sprechen. Ich will mich ihnen dann schon selbst verstellen." Dann ging Bardolf mit der Wirthin zu dcu Mädchen hinauf, um ihnen in der Kürze die Noth- wcndigkeit der neuen Maßregeln auseinander zu setze«. „Haben wir denn eine neue Gefahr zu fürchten, guter Bardolf?" fragte Eleonore besorgt, „Euer Gesicht.verheißt nichts Gutes." „Seid unbesorgt, liebe Kinder," nahm die gute Wirthin das Wort, „wenn Gefahr da ist, mässen wir derselben begegnen. Vertraut mir, und ich will Euch so in Stand setzen, daß kein Verdacht auf Euch fallen soll. ES ist möglich, daß die drei Männer, welche soeben gekommen sind, nach Euch forschen, Jbr habt aber bisher Muth gezeigt, zeigt ihn auch ferner und seht der Gefahr beherzt ins Auge." Bardolf zog sich daun zurück, um der braven Frau Förster das Weitere zu überlassen, und nahm zunächst den Weg nach dem Stall, wo der Knecht Franz die Pferde der Fremden besorgte. „Habt Ihr Euer» Herrn gesprochen, Franz?" fragte er denselben, nachdem er sich überzeugt hatte, daß sie allein waren. „2a, Herr, er war soeben bei mir." „Was hat er Euch gesagt?" „Daß nur vier Fremde hier seien." „Und wer sind diese?" „Ihr selbst und die drei fremden Reiter." „Dann kennt Ihr also Eure Pflicht?" „Durchaus, Herr." „Und wer ist sonst noch im Hause?" „Der Frau ihr BäSlc und "Reffe." „Und woher kommen die drei Pferde?" „Die habt Ihr mitgcbracht." „So ist es recht, Franz, nehmt dies Silbcrstück zum Andenken von mir." Bardolf drückte ihm ein Silberstück in die Hand und schlug dann den Weg nach dem Gastzimmer ein, wo er die Fremden beschäftigt fand, ihre durchnäßten Kleider zu trocknen. Die Reiter schenkten ihm nur wenig Beachtung, als er mit einem „Grüß Gott, Ihr Herren miteinander!" ins Zimmer trat, der Spion aber sah ihn forschend an und dankte ihm mit einem stummen Kopfnicken. „Woher des Wegs bei solchem Wetter?" fragte Bardolf, gleichgiltig erscheinend, während er am Feuer Platz nahm. „Wir kommen von Heidelberg," nahm der Spion das Wort, „und wollen nach Mainhardt; wohin führt Euch der Weg?" „Ich komme von Mannheim und gehe nach Ulm," entgegnete der Knappe. „In Geschäften vcrmuthlich!" fuhr der Spion fort, ihn mißtrauisch ansehend. „In der Hauptsache ja, doch habe ich auch eine VcrgnügungStour zu Freunden dabei im Auge." „Wie sieht es in Mannheim aus?" „Je nun, wie alle Tage." „Seid Ihr schon lange unterwegs?" „Schon drei Tage; ich habe Pferde bei mir, mit denen ich nicht scharf reiten kann." Der Spion nickte nnd blickte sinnend ins Fener. „Wie nennt Ihr Euch, Freund?" „Ich heiße Eberswald, und Euer Name?" „Der meine ist Dertinger." DaS Gespräch ward bald durch das Erscheinen der Wirthin unterbrochen, welche zum Nachtessen ein lud. Die anscheinend hungerigen Reiter ließen sich das nicht zweimal sagen, während der Spion weniger eilte und erst dem Knappe» folgte. In einem kleinen Raum neben der Küche trug ein niedliches Bauern mädchen die Suppe auf, indessen konnte Bardolf, gegen die Wirthin gewendet, nicht umhin ihr zu em pfehlen, ihre Magd zu etwas mehr Sauberkeit anzu halten. Erröthend und stammelnd brachte die Nichte Viktors als Entschuldigung vor, der Wind triebe den Rauch in den Kamin zurück. „Rufe jetzt dcu Joseph auch zum "Nachtessen, Bertha, und daun laß ihn de» Hühnerstall schließen." Auf Berthas Ruf kam ein junger Mensch in der Tracht der Bauern des Schwarzwaldes ins Zimmer und folgte der Aufforderung, Mahlzeit in der Küche zu verzehren. Dem Spion entgingen die beiden neuen Gesichter nicht. „Sind dies Eure Kinder, Fran?" fragte er die Wirthin. „Das Mädchen ist mein Bäslc und der Knabe gehört meines Mannes Schwester," entgegnete sie. „Sind scheints zum Besuch bei Euch?" „Sic sind schon viele Jahre bei uns, sic sind Beide Waisen, und da wir keine Kinder haben, nahmen wir sie Beide ins Haus." Damit brach der Mann die Unterhaltung ab und »ach beendigtem Mahl erhoben sich die Fremden, nm »ach ihren Pferden zu sehen. „Ich denke," fagte einer der Reiter, „wenn die Thiere gefüttert sind, gehen wir zur Ruhe, denn mit der Sonne wird der Regen nachlasfen, nnd wir können uns bald auf den Weg machen." „Was meint Ihr, Eberswald," fragte der Spion, „geht das Wetter bald vorüber?" „Ich bin kein Wetterprophet," entgegnete der Angeredete, „vielleicht kann unser Wirth, der den Schwarzwald besser kennt wie ich, Euch besser berathen." Aber Förster war jetzt seinerseits beim Nachtessen und so mußte sich der Spion auf sein eigenes Ur- theil verlassen. Die beiden Reiter, welche wenig ge sprächiger Natur zu sein schienen, hatten sich an das Feuer gesetzt, und da Bardolf von dem Spion nicht wcuer behelligt ward, ging er noch einmal hinaus, um in den Stall zu sehen. Kaum hatte er sich überzeugt, daß seine Thiere gut versorgt waren, hörte er Schritte nahen, und da er in den Kommenden die Reiter vcrmuthcte, veranlaßte ihn die Neugierde, sich hinter einem anf- geschichteten Strohhaufen zu verbergen, um deren Gespräch zu belauschen. Die Männer, niit ihnen der Spion, traten in den Stall und zogen sich, nachdem sie nach den Pferden gesehen hatten, in einen fernen Winkel des selben, in Bardolfs unmittelbarer Nähe zurück. „Jetzt sagt, was Ihr habt," begann der eine Reitersmann. „St — st!" warnte der Spion, „sprecht nicht so laut. Ich glaube, eine wichtige Entdeckung ge mach! zu haben." „So — und welche denn?" „Was haltet Ihr von dem Mannheimer? Kommt Euch dessen Gesicht nicht bekannt vor?" Die Reiter verneinten die Frage. „Ich sage Euch, er ist ein Rüstknappe aus Heidelberg." „Dann hat er uns also belogen." „Freilich, ich entsinne mich seiner wohl, nur weiß ich nicht, wem er dient. Aber ich bin ganz sicher, daß eines seiner Pferde, der Rappe dort, erst vor ganz kurzer Zeit von einem von mir gekannten Mann aus Straßburg an einen Ritter in Heidel berg verkauft wurde. Der Kerl hat seine Gründe, warum er uns täuscht." „Vielleicht hat er die Pferde gestohlen." „Alle drei Pferde sind geritten worden, sage ich Euch. Seht den Zaum hier an." Einer der Reiter ergriff die Laterne, um den fraglichen Zaum zu betrachten. „Ihr seht an demselben noch die trockene Stelle, wo die Hand ihn gehalten hat; und dann, wie kommt es, daß alle Sättel trocken sind, wenn nicht Jemand darauf gesessen hat?" „In der That!" riefen die beiden Gefährten in einem Athem, „Ihr habe recht; aber wer hat darauf gesessen? Das ist eine andere Frage." ,O, was ihr Kerle dumm seid!" rief der Spion, „das BSsle und der verwaiste Schwcstersohn, "Nie mand anders." „Sollte das möglich sein?" „Richt allein möglich, sondern ganz gewiß. Als wir am Nachmittag hier waren, war kein Bäslc und Neffe da, wo kommen sie mit einemmale her? Der Mannheimer ist ein Heidelberger und die Sättel sind gebraucht — jetzt reimt mir das zusammen. Ich sage Euch, daß die Wirthin ebenso gut lügt wie der Kerl, und ich gebe meinen Kopf zum Pfände, daß der Neffe ein Mädchen ist." „Zum Henker auch! Am Ende gar die, welche wir suchen." „DaS wollen wir bald hcrauSfinden, die Nacht muß gewacht werde», und ich will den Anfang machen," sagte der Spion. „Wenn es so ist, wie Ihr vermuthet, dann ist der alte Förster im Komplott. —" „Und reif für uns," setzte der Spion hinzu, während er mit den Andern den Stall verließ. Vorsichtig kroch Bardolf aus seinem Versteck her vor und schlich so leise wie möglich zum HauS zurück. Es war unter den obwaltenden Umständen von größter Wichtigkeit, daß er nicht als Horcher ertappt wurde; deshalb suchte er durch die Hofthüre in die Küche zu gelangen und trat von dort in das Schcnkzimmer ein, im Augenblick, als der Spion den Wirth fragte, wo er geblieben sei. „Da bin ich," entgegnete er selbst, „was giebtS?" „Ich glaubte, Ihr seid schon ins Bett gekrochen," war die Antwort. „Noch nicht, ich habe mich nur umgesehen, wo man mich hinlegen wird." Bardolf bemerkte, daß die beiden Reiter ihn schärfer beobachteten wie früher, nnd dabei einen cigenthüm liehen Blick mit ihrem Reisegefährten wechselten; er that aber, als sähe er es nicht, sprach über den anhaltenden Regen, und als schließlich die Reiter ihre Absicht erklärten, ihre Lager aufzusuchen, fragte er nach einer Laterne, nm, ehe er das Gleiche thue, nach seinen Pferden zu sehen. (Fortsetzung folgt.) Was ist Glück? Wer hätte diese Frage sich nicht einmal vorgelegt? Und gab's eine Antwort, wie verschieden lautete sie! — Von Jedem erwünscht, von Jedem erstrebt, herrscht doch eine unendliche Mannigfaltigkeit in den Anschau ungen über das Glück. Dem Einen erscheint Liebe als das höchste Glück des Lebens, der Andere kämpft nm Ruhm und Ehre. Dieser setzt alle Kräfte des Geistes oder des Körpers ein, um Rcichthum zu erwerben. Jener sucht in eigen artigen Genüssen sein Glück. Wer aber von Allen findet es? Und wäre das Erreichte wirklich das Glück — wie flüchtig ist es dann, wie wenig werth, danach zu ringen! Oft ist die Liebe nichts als ein Traum, der beim Sonnenlichte der Wirklichkeit nur zu leicht zerstiebt. Und Ruhm und Ehre, sind sie nicht auch eine trüger ische b'uru mor^unu, der man thöricht die größten Opfer bringt, oft die Ehre selbst opfert? — Können diese Phantasmen Glück sein? Rcichthum!? Ein mächtiger Zauber liegt in den« goldenen Klange dieses Wortes. Viel ist durch seine Macht zu erreichen, große Pläne dannt zu verwirk lichen, Ansehen zu gewinnen — aber Glück läßt sich nicht erkaufen! Nicht an den Besitz, an vergängliche äußere Zeiten ist das Glück verknüpft, denn selbst den, armseligsten Dasein fehlen kurze Glückspausen nicht. Glück ist ein individuelles Problem und Selbst gefühl, die Wurzel aller Glücksempfindung. Das wahre Glücksgefühl beruht auf dem Gefühl der eigenen Persönlichkeit, die, mit günstigen äußeren Bedingungen in's Leben gestellt, ihre Triebe und Wünsche, ihre Aufgaben und Kräfte durch die Innen- und Außen welt gefördert findet. Wo der individuelle Werth empfunden wird in der eigenen Person und in der Schätzung der Gesellschaft, wo äußere und innere Bedingungen Zusammentreffen, um die Kräfte in einem Individuum zu möglichst reiner, starker und harmonischer Entwickelung zu bringen — das heißt Glück! Je stärker die individuelle Begabung, je mäch tiger die Persönlichkeit von dem Werthe, den sie auf sich selber legen darf, erfüllt ist, je kräftiger das Glücks gefühl, das aus dem Selbstgefühl hervorquillt. Ein krankhaft gesteigertes Selbstgefühl dagegen ist fast immer mit der höchsten Unseligkeit behaftet, da es den übermäßigen Anspruch an sich selbst und den Erfolg seine« Strebens niemals befriedigt. Auch das Gefühl leiblicher Vollkraft, frischer, geistiger und physischer Genußfähigkeit, freudiger Thätigkeit, wird sich als Glück bezeichnen lassen und wie Vieles ist Glück, ohne es so zu nennen: die holden Kinderjahre, die Illusi onen der aufblühenden Jungfrau. DaS Ideal der Glücksempfindung ist die harmonische Ausbildung aller individuellen Kräfte. Glück ist etwas Negatives und, nach Schopen hauer'« pessimistischer Ansicht, nur der Schmerz das Positive im Leben. Die Alten lehrten: Nur in Zufriedenheit lebt Glück, nur in Unabhängigkeit von den Gütern dieser Welt. Ohne den Werth dieser philosophischen Maxime schmälern zu wollen, wird individuelles Glücksgefühl weniger entsagungsvoll zu erlangen sein durch ernste Lebensarbeit, treue Pflicht erfüllung, durch Gerechtigkeit gegen sich selbst nnd Andere, durch Gewinnung des Gleichgewichtes zwischen Kopf und Herz, zwischen Sinnen und Seele und vor Allem durch Harmonie mit sich selbst. Druck und Verlag von E. Hannebotzn in Eibenstock.