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deutsche Volk gar nichts, gegen dasselbe mehr als genug gethan, selig entschlafen. An diesem Tage waren für Frankfurt am Main, wo bekanntlich der Bundestag hauste, die preußischen Truppen bereits in Sicht und so blieb den noch vorhandenen Mitgliedern deS Bundestages nichts übrig, als sich rückwärts zu konzentriren. Die Herren zogen nach Augsburg und das war die letzte Thal des Bundestages, von dem man nun nichts mehr Wesentliches erfuhr. Am selben Tage kam eS zu einem blutigen Gefecht bei Aschaffenburg; auf der einen Seite ver einigte österreichische, kurhessische und Darmstädtische Truppen, aus der anderen Seite die Preußen, Die Letzteren siegten und besetzten Aschaffenburg. Und doch hatten sich die Süddeutschen, wie immer, sehr gut gehalten. Aber eS liegt eine gewisse Wahrheit in dem Ausspruch, den 1870 ein bayrischer Land wehrmann zu dem preußischen Kronprinzen, späteren Kaiser Friedrich, that: „Hätten wir 86 Sie zum Führer gehabt, dann wäre es anders gekommen", 15. Juli. Der 15. Juli dieses JahreS ist der 600jährige Todestag eines Fürsten, der in der Geschichte eine glänzende Stellung einnimmt, dem bei Lebzeiten als einem der mächtigsten Herrscher der Erde gehuldigt worden und um den nach seinem Tode der Volksmund einen Sagenkranz wob. Rudolf von Habsburg war dieser Mann, der deutsche Kaiser und der Begründer der österreichischen Dynastie, der in, Liede und in zahlreichen Volks büchern verherrlicht worden. ES ist hier nicht der Ort, deS Näheren Kaiser Rudolfs Leben und Thaten zu schildern ; nur in Kürze sei das Wesen dieses Mannes berührt. Wie alle hervorragenden Fürsten jener Zeit war auch Kaiser Rudolf ein gewaltiger Kriegsmann, der di« in König Ottokar personi- ficirte Uebermacht Böhmens brach und mit vielen anderen Eroberern Abrechnung hielt. Ein besonderes Verdienst hat er sich durch die Sicherung des Landfriedens erworben, durch die Herstellung der gesetzlichen Ordnung, die in den sturmvollen Tagen des Zwischenreiches ^Interregnum) harte Stöße und Störungen erlitten hatte. Er zog im ganzen Reiche umher, hielt strenges Gericht über den sehdelustigen Raudadel und nahm sich der gedrückten und in ihren Gerechtsamen bedrohten Städte an ; in Thüringen allein ließ er LS Raubritter hin richten und 66 Burgen zerstören und in Franken und am Rhein erlagen in eine,n einzigen Jahre über 70 Schlösser seiner strafenden Hand. Durch den Tod seiner beiden Söhne wurde Kaiser Rudolf sehr schwer getroffen und er ging dadurch Wohl früher dein Tode entgegen. Zu Germersheim, wo er zum letzten Mal unter den alten Genossen weilte, befiel ihn eine Krankheit, Loch begab er sich heiter und scheinbar gesund nach Speyer, wo er starb. Der vielfach poetisch verherrlichte TodeS- rilt, den er nach Speyer, der Begräbnißstätte der Kaiser, init Ausbietung aller Kräfte unternommen Haden soll, nachdem ihm die Aerzte nur noch fünf Tage LebenSsrist gegeben hatten, ge hört wohl in das Reich der Fabel. Sein Name wuchs nach seinem Tode und sein Andenken ward populär, wie es seine Regierung nie gewesen. Seine Einfachheit, Tugend und Recht schaffenheit gewannen ihm nicht weniger Anerkennung und Verehrung, als sein Verstand, seine richterliche Unparteilichkeit und seine Ariegsthaten. Die poetische Heldcngröße der Hohen staufen, die seine Vorbilder waren, wohnte allerdings nicht in ihm. Ein nüchterner, praktisch kluger Mann ohne ideale Bestrebungen, besaß Rudolf keinen Sinn und keine Begeisterung für die alte Herrlichkeit des deutschen Reiches. Erna. Novelle von L. Haid heim. (2. Fortsetzung.) „Unglücklicher, ist es renn wahr? hast Du Dich für Albert verbürgt?" „Ja, Onkel! — Ich kam, es Dir zu sagen. Wir sind Bettler, die Schwestern und ich! Kein Borwurf, den Du mir machen könntest, kommt denen gleich, die ich mir schon selbst gemacht habe." „Und Du wußtest nicht, daß er an der Börse spielte?" „Nein, Onkel, ich wußte nichts von Alberts Bör senspiel, er Hal mir und Hedwig nicht die Wahrheit gesagt," antwortete der Leutnant. „Ich gab ihm auf wiederholtes Drängen die Bürgschaft — er und der Agent Blümeler behaupteten, cs sei nur eine Form — gar keine Gefahr dabei. Ich wehrte mich, aber —" „Dann schickte er mich zu Erich!" rief die Grä fin. „Ich that's in meiner Angst. Albert sagte, er würde seinen Abschied nehmen müssen, wenn Erich nicht hülfe! Und — eS sei ja nur auf einen Mo nat — er war so sicher, daß er mit einem Schlage Tausende verdienen würde." „Auch mir stellten sie die Sache al« durchaus —" „Ja, ja, und Dir war das Neinsagen unbequem und Du schriebst Deinen Namen unter das verwünschte Papier. Da« ist so die Planier. — Immer kava- tierement bis zum Aeußersten!" „Schilt nicht, Grumbach, hilf dem armen Jungen!" rief seine Frau in zornigem Schmerz. „Ja, Helsen! Da ist was zu Helsen!" lachte der General bitter. „Vor der leichenhaften Blässe seines Lieblings — er und seine Frau hatten keine Kinder und die Waisen seiner Schwester schon seit deren frühester Jugend erzogen — wurde er jedoch plötzlich milder. Das junge hübsche Gesicht mit dem männ lichen offenen Ausdruck sah heute aus wie die Ver zweiflung selbst, die stumme bittere Verzweiflung." „DaS Unglück ist geschehen, Erich stehe ihm bei wie em Mann und laß sehen, was man thun kann!" Damit reichte er ihm die Hand. „Deine Schwestern find, so lange ich lebe, natürlich versorgt." Aus diesen milderen Ton schien die blonde, junge Dame nur gewartet zu haben. Sie flog zu dem Bruder und umarmte ihn. „Erich, lieber, armer Erich, ich bin Dir nicht böse, ich mache Dir keinen Vorwurf!" „Ich danke Dir, Emmy, mein gute«, liebe« Schwesterchen." Er rang sich die Worte förmlich ab. E« war so schrecklich, er, der Abgott der Seinigen, der Liebling, der Angestaunte, mußte sich verzeihen lassen! Dabei flogen seine Blicke nach der dunkelhaarigen Schönheit, die, ihre Hände fest in einander gekrampft. neben dem Blumentische stand und finster auf ihn sah. „Du bist mir böse, Theo, Du hast auch da« Recht dazu, Ihr alle!" sagte er beklommen. „Ja, ich bin Dir böse, ich kann nicht gegen meine Natur! In mir ist nur Groll und Bitterkeit auf Euch Beide — auf Dich und Albert! Ich sehe die Welt wie sie ist und nicht mit Emmy« Phantasie! Jetzt vergiebt sie Dir Alle«, hat Thränen der Rühr ung und große, schöne Worte; wenn aber zum ersten Male unser Geld auSbleibt und sie sich ein Kleid versagen soll, dann beginnt bei ihr da« Lamento und wirb nicht aufhören. Ich muß vom Herzen haben, wa« darauf lastet! Du hast an un« gesündigt, Erich! Wir, Deine Schwestern, hatten ein Recht auf den Theil unseres elterlichen Vermögens, der unsere Zin sen abwarf. Wenn Dir dies Geld in die Hände ge legt wurde, so ist eS schlimm genug, daß Familien statute die Söhne in dieser Weise bevorzugen! Dop pelt ist dann aber die Ehrenpflicht, und ein Mann soll mit dem Verstände handeln, nicht mit der be quemen Gutmüthigkeit, die kavalierement sich und die anderen in« Elend stürzt." „O, laßt mich ausreden," fuhr sie mit flammenden Augen fort, al« der General und ihre Schwester sic unterbrachen. „Wer den Muth hat, mit einem Feder zuge Schicksal zu spielen, der muß auch den Muth haben, die Wahrheit zu hören. Nun wohl, Erich! Du hast mir den Becher des Glückes vom Munde gerissen, und zertrümmert liegt er vor mir! Sieh her — ich bin DiringerS Braut, und mit meinen Zinsen waren wir im Stande zu heirathen, jetzt ist das vorbei!" Theodora halte einen Ring aus ihrem Mieder gezogen, der an einer Schnur um ihren Hals hing. Ein Schreckensruf antwortete ihr. Alle waren sichtlich überrascht; Erich taumelte förmlich zurück und lehnte dann, schwer athmend, an der Thür. Hauptmann Diringer, eines Pastors Sohn, der aus leidenschaftlicher Neigung Soldat geworden, war gänzlich vermögenslos. Wer hätte aber gedacht, daß die schöne anspruchsvolle Theodora von Willwart, die gefeiertste Dame ihres Kreises, den schlichten, stets in gelehrte Forschungen vertieften Offizier liebte? Theodora hatte sich abgewandt. Jetzt war eS heraus, der flammende Zorn sank plötzlich in sich zu sammen, die vollständige Hoffnungslosigkeit ihrer Lage stand grell vor ihr. Ader auf den Bruder hatten ihre Worte den tief sten Eindruck gemacht. Diringer war ihm ein lieber Freund. Er saß wie vernichtet. Konnte er noch leben nach diesem Auftritte? War es nicht anständiger, nicht der einzig mögliche Weg, sich aus dem Leben zu flüchten. Achtundzwanzig Jahre alt und sein Leicht sinn ließ ihn das anvertraute Erbe hingeben für nichts, zu keinem auch nur halbwegs vernünftigen Zwecke! Theo hatte in Allem recht. Ihm brach das Herz fast vor Qual. „Komme mit, Erich, laß uns in meiner Stube überlegen," forderte der Onkel ihn auf. „Der Herr Gras Kyburg!" meldete der Diener. Alle fuhren auf, wie ein Schrecken kam es über sic. „Albert! Albert!" Da stand er schon in der Thür, eine aristokratische Erscheinung, ein auf den ersten Blick schöner Mann. Aber genauer betrachtend, entdeckte man in den etwas vorstehenden grellblauen Augen und den feinen Zügen ein stetes geistloses Lächeln, eine fahrige Un ruhe des Blickes, und ganz zuletzt hinter einer schein baren Gutmüthigkeit etwas anderes, Widersprechendes über das sich nur seine Nächsten klar wurden. Lächelnd, lebhaft, mit der größten Herzlichkeit trat er ein; die ehrlichste Gutmüthigkeit in Ton und Mienen. „Da ist der arme Junge! Gott, Erich, wie mir das leid thut! Hättest Du mich doch zum Kuckuck geschickt, als ich Dich um die Bürgschaft anging! Du weißt ja doch, wie wenig ich von Geschäften ver stehe und daß ich Dir'« gar nicht übel genommen hätte!" Und damit schüttelte er seinem Schwager die Hand und war ganz Mitleid. Erich versagte ihm dieselbe nicht einmal. „Du hättest mir wenigsten« volle Wahrheit geben sollen," stieß Erich heraus und entfernte sich, auf springend mit einem Blick voll Zorn und Verachtung von ihm. „Na, laß nur gut sein, lieber Junge, die Geschichte ist rettungslos verpufft, das ist klar, unk wenn ich die« Ende geahnt hätte, so —" „So würdest Du genau da« gethan haben, wa« Du tbatest, Schwager Albert, bitte, versuche doch ein einziges Mal, wahr gegen Dich selbst zu sein!" fuhr Theodora mit einem Hohn und einer Schärfe gegen ihn los, daß er eine Sekunde erröthete und ein gif tiger Blick aus seinen Augen schoß. Aber schon hatte er sich gefaßt. „Arme Kinder! Ich dachte mir gleich, Ihr Frauen zimmer würdet ein hübsche« Geschrei machen," sagte er gutmüthig. „Albert! Albert! Sie hat sich mit Diringer verlobt, und nun können sie sich nicht heirathen!" rief seine Frau vorwurfsvoll — außer sich. Er schaute überrascht auf. Dann zuckte er die Achseln. „Da- ist ja ein wahrer Segen. Wie kann Theo an solchen Unsinn denken, Diringer zu heirathen. DaS würde für sie passen. Hauptmannsfrau — Kommiß, Pah. Diese Geschichte ist ja in Bezug auf ein so tolle« HeirathSprojckt wie ein direkter Eingriff der Vorsehung zu betrachten." „Albert! Albert!" ries seine Frau beschwörend. Tbeodora lachte höhnisch auf. „Bitte, Kyburg, lassen Sie gefälligst die Vorseh ung au« dem Spiel!" sagte scharf der General. „Ja, was soll denn nun mit diesem armen Jungen werden?" fragte der Graf und liebkoste mit seiner feinen, weißen Hand seinen in zwei langen Enden auf die Brust fallenden Bart. „DaS wünschte ich eben mit meinem Neffen zu berathen. Sie werden uns wohl entschuldigen!" ver setzte kalt und finster der alte Herr. Mit einer tadellosen Verbeugung trat Gras Ky burg zurück. Nicht eine Miene verrieth, daß er diese Behandlung empfand. Lächelnd schaute er umher, küßte zart die Hand seiner Frau, in deren Wangen ein tiefes Erröthen der Beschämung über seine Fühl losigkeit trat, nahm das Taschentuch der Generalin vom Teppich und überreichte eS ihr mit bestem An stand und flüsterte Emmy zu: „Tröste Dich nur. Kleine, Du machst eine brillante Partie, daS ist un fehlbar!" (Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — Konstantinopel. Ein falscher Atha nasios wurde am Donnerstag in der Person eines soeben aus Brussa angelangten Franzosen verhaftet. Derselbe wurde während eines Concertcs plötzlich von zwei Polizisten verhaftet, die ihn aufforderten, ihnen zu folgen. Blitzschnell verbreitete sich das Gerücht, Athanasios sei verhaftet. Auf dem Wege zum Polizeigebäude kamen sie an der Conditorei eines Franzosen vorbei, dem der Arretirte, jenem bekannt, zurief, die französische Botschaft zu benach richtigen. Es bedurfte auch thatsächlich einer for mellen Einwirkung derselben, um am nächsten Tage seine Freilassung zu erwirken, denn die Polizei, ge täuscht durch die frappante Aehnlichkeit mit Athanasios, hätte sonst nur schwer von dem Glauben gelassen, in dem Franzosen den so lebhaft gesuchten Räuber hauptmann gefaßt zu haben. — Mayen. Eine fast unglaublich rohe That verübten, dem „Düss. An;." zufolge, am vergangenen Mittwoch mehrere Schulknaben in dem Orte WirfuS. Dieselben hatten seit einiger Zeit Streit mit einem ihrer Kameraden, der ein schreckliches Ende nehmen sollte. Tie Burschen verabredeten sich, ihrem Gegner, der nach Illerich zur Kirche gegangen, aufzulancrn. Als nun Letzterer auf dem Heimwege in den Wald gekommen, stürzten sie wie Banditen aus dem Dickicht hervor, fielen über den armen Knaben her und schlugen so lange auf ihn los, bis das unglückliche Opfer seinen Geist aufgab. — Ein Mittel, um die wildesten Pferde zu bändigen, ist von den Indianern zu entnehmen, welche gefangenen Büffeln, Pferden rc. schnell mit der Hand die Augen bedecken und einige. starke Athcmzüge in die Nasenlöcher des ThicreS hauchen. Dieses Einblasen des menschlichen Athems ist schon im Jahre 1842 in dem Buche eines Engländers Ellis (..llorso trnininß"') beschrieben und damals vielfach probirl worden. Wir bringen das so einfache Ver fahren aufs Neue in Erinnerung, da es, wenn es allgemein bekannt wird, sicher dazu dient, vielen Miß handlungen der Pferde vorzubeugen. — Damenmoden können zuweilen Anspruch aus Anerkennung haben. Oder verdiente eS nicht hohes Lob, daß die Damen jetzt alles falsche Haar endgültig verworfen, auf alle Haarthürme verzichtet haben. „Griechisches Haar" herrscht allgemein; cs ist hübsch, einfach und gicbt dem Kopf ein gewisses künstlerisches Gepräge. BemerkenSwerth ist auch die Verminderung des Schmuckes. Ohrringe und gar Ohrbommeln werden nicht mehr getragen. Die Damen begnügen sich mit einer kleinen Perle, welche mittels eingeschränkten Knöpfchens im Ohrläppchen gehalten wird. Das Armband ist kleiner geworden, besteht nur aus einem Reifen, wenn eS noch getragen wird. — Eine köstliche Schmuggelgeschichte wird im „Pest. Ll." von einem französischen Jndustrieritter berichtet. Der englische Handschuhzoll ist ungemein hoch. Ein erfinderischer Kopf gab nun unter Angabe fiktiver Adressaten in Calais zwei Kisten Handschuhe auf, die eine nach London, die andere nach Edinburgh. Die eine Senduug traf in London ein, wurde natür lich nicht ausgelöst, und als man die Kiste öffnete, fand man in derselben lauter linke Handschuhe. Kurz darauf stellte ein unbekannter Liebhaber von linken Handschuhen ein Kaufangebot und die Offerte, welche allerdings nur die Fracht deckte, wurde mit Vergnügen acceptirk. Diese Komödie wiederholte sich in Edin burgh, nur fand man dort lauter — rechte Hand schuhe in der unbestellbaren Kiste. Der Zufall fügte es, daß in Schottland ein Liebhaber von rechten Handschuhen aus der Erde wuchs, der die ganze Sendung, allerdings um einen Spottpreis, ankaufte. Wie in jeder rechten Komödie „kriegten" sich natür lich auch hier die richtigen Paare.