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dauernd bei diesem segensreichen Bunde gehalten werden, wenn eS eine Gewähr dafür empfing, daß seine langgestreckten, meist gänzlich ungeschützten Küsten gegen französische Angriffe wirksam geschützt werden würden. Eine dahingehende Bürgschaft hat, wenn auch nicht England, doch da» Kabinet Salisbury übernommen. So hat sich der gegenwärtige europä ische Zustand ganz folgerichtig und natürlich aus dem Verhältniß Rußlands zu Frankreich entwickelt. Der Drei- oder Vierbund ist gleichsam eine Ver sicherungsgesellschaft gegen kriegerische Gelüste der beiden unablässig rüstenden Staaten im Osten und Westen. Hoffen wir, daß eS uns erspart bleibt, den Bund auf eine ernste Probe gestellt zu sehen! — Die heftigen Auseinandersetzungen, die seit einigen Wochen innerhalb der sozialdemokratischen Partei stattfinden, nehmen an Ausdehnung und Leidenschaftlichkeit in ungeahntem Maße zu. ES stehen nicht allein die Führer der „Jungen" gegen die eigentlichen Parteiführer, sondern auch unter diesen ist ein vollständiger Zwiespalt ausgebrochen. Vorläufig läßt sich noch nicht absehen, wohin diese Bewegung hinauslaufen wird. Es ist sehr leicht möglich, daß sie ebenso im Sande verläuft, wie jene Auflehnung der „Jungen", die mit dem Parteitage in Halle einen vorläufigen Abschluß mit dem voll ständigen Siege der „Alten" fand. Wahrscheinlich wird der bevorstehende Parteitag in Erfurt dasselbe Ergebniß haben. Aber es ist auch nicht ausgeschlossen, daß es schon jetzt zu dem über kurz oder lang un vermeidlichen Bruch kommen wird. Die Presse der Ordnungsparteien kann natürlich nicht umhin, von diesen bemerkenswerthen Vorgängen ihren Lesern Kenntniß zu geben. Sie wird aber im Uebrigen gut thun, sich so wenig, als möglich, in den Streit der feindlichen Brüder zu mischen, die bei Angriffen von außen doch wieder fest zusammenstehen würden. ES ist am gerathenslen, ruhig beobachtend den weiteren Verlauf der Dinge im sozialdemokratischen Lager ab zuwarten. Diese allein richtige Haltung bewahrt auch die Berliner Polizei, deren Vertreter in den sozial demokratischen Versammlungen häufig genug Veran lassung hätten, gegen die Radaumacher und die Herolde der sozialen Revolution einzuschreiten. Sie lassen aber die Herren ruhig gewähren, eingedenk des bekannten Goetheschen Wortes, wonach Einer vom Anderen abgethan wird. — Breslau, 10. Juli. Gestern Nachmittag fiel bei dem gegen 3 Uhr von Liegnitz nach Breslau abgehenden Schnellzuge während der Fahrt zwischen Liegnitz und Spittelndors in Folge Selbstöfsnung der Thür eines Koupees 3. Klasse ein ungefähr 5 Jahre altes Kind aus dem Zuge, worauf die gleichfalls im Koupee befindliche Mutter demselben nachsprang. Nachdem der Zug zum Stehen gebracht war, wurden Mutter und Kind mit dem nächsten Güterzuge, welcher zu diesem Zwecke zum Halte,' gebracht wurde, nach Liegnitz übergeführl und hier auf Anordnung des zuständigen Bahnarztes in das Liegnitzer Krankenhaus ausgenommen. Das Kind ist inzwischen gestorben, während die Mutter noch lebt, aber zur Zeit noch bewußtlos ist. Die Dame, welche mit 3 Kindern und einem Dienstmädchen reiste, ist die Gattin des KreiSphysikus l)r. Löser in Nimptsch. Die Ursache des Unfalles ist nach dem vorläufigen Ergebniß der sogleich eingeleiteten Untersuchung va- rauf zurückzusühren, daß der Riegel des oberen Koupeethür-VerschlusseS anscheinend in Folge Bruche» der Feder nicht cingegriffen und der untere Vorreiber wahrscheinlich durch die Erschütterungen beim Fahren und in Folge Nichteingreifens des Riegels am oberen Drückerschlosse sich selbst gedreht hat, in Folge dessen die Koupeethür beim Anlehnen des Kindes aufge gangen ist. — Mannheim. Der Rhein, sowie die Neben flüsse desselben sind seit einigen Tagen in starkem Steigen begriffen. Der Rhein ist bereits an ver schiedenen Stellen über seine User getreten und hat die angrenzenden Felder unter Wasser gesetzt; ebenso ist der Neckar mehrfach ausgetreten. Weiteres Steigen wird befürchtet. — Oesterreich-Ungarn. Die großen Manö ver des 2. und 8. österreichischen Armeekorps werten, wie nunmehr feststehk, vom 1. bis 7. September dauern und sich in dem Gelände zwischen Waidhofen a. d. Thaya und Schwarzenau abspielen; den Schluß bildet eine am 7. September vor dem Kaiser Franz Joseph und seinen erlauchten Gästen, Kaiser Wilhelm und König Albert von Sachsen, stattfindende Truppen schau, an welcher 70,000 Mann theilnehmen. — Die beiden Einbrecher, welche aus dem Krakauer Korpskommando den MobilmachungSplan de» 1. Korps und einige ArmirungSpläne stahlen, sind ein Unteroffizier und ein Gefreiter des Genie- regimentS, beide Tschechen. Au» ihrem umfassenden Geständniß ergab sich, daß sie an der russischen Grenze von Offizieren der russischen Grenzwache mit Ein bruchswerkzeugen versehen und zur Durchführung des Einbruchs von einem russischen Offizier nach Krakau begleitet worden waren. Der Offizier, rer russische Geniehauptmann Nikolaus Lhodorowicz, ist in Krakau verhaftet, dann aber über die russische Grenze geschafft worden. Die Frage ist nicht unberechtigt: Weshalb ließ man dem auf frischer Thal ertappten russischen Spion solche Milde ange deihen? ES wird schwer halten, die öffentliche Meinung von der Nothwendigkeit einer Verschärfung des Strafgesetzes zu überzeugen, wenn man die be stehenden strasgesetzlichen Bestimmungen zum Schutze gegen Kundschaftung anzuwenden unterläßt. — Frankreich. Französische Blätter melden ein bedeutendes Minder-Ergebniß der diesjährigen Re- kruten-AuShebung. Daffelbe soll gegen das Vor jahr 21,000 Mann betragen. Es handelt sich um die JahrcSklasse 1890, also diejenigen jungen Leute, welche im Jahre 1870 geboren sind. Die Ursache kann mithin nur in der größeren Sterblichkeitsziffer der während des Krieges zur Welt gekommenen Kinder liegen. In Deutschland, welches ein Jahr früher aushebt, hat sich in vielem Jahre gleichfalls ein erheblicher Ausfall herauSgestellt, selbstredend aus anderer Ursache, indem im Jahre 1871 die Geburts ziffer wesentlich hinter den früheren Jahren zurück geblieben war. — Belgien. Nach einer Verordnung der bel gischen Regierung soll, um den Eisenbahn-Be diensteten eine ausgedebntere Sonntagsruhe gewähren zu können, vom 20. Juli d. I. ab an den Sonn- und Feiertagen jeder Güterverkehr unter bleiben, und es dürfen an diesen Tagen, abgesehen von leicht verderblichen Gegenständen, die mit Schnell zügen befördert werden, keine Maaren zur Beförder ung angenommen werden. Bis zum 20. Oktober sollen diese Bestimmungen mit Vorsicht angewendet werden, um die Bevölkerung nach und nach daran zu gewöhnen. — Rußland. Wie die gerichtliche Obduktion der Leiche des in einem Koupee des Warschau-Peters burger Blitzzuges todt aufgefundenen Grafen Plater ergab, ist derselbe nicht ermordet worden, sondern an einem Herzschlage gestorben. Beim Fallen war der Graf mit dem Kopfe gegen die Spitze eines im Kou pee befindlichen eisernen Reservoirs gefallen unv hatte sich mehrere Wunden zugezogen, sodaß man beim An blick der Blutlache zunächst an ein Verbrechen den ken mußte. Nachträglich wurden auch die Werthsachen des Todten auigefunden. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 13. Juli. Das gestern Abend im Saale des „Feldschlößchen" Hierselbst abgehaltene Concert der Kapelle der Kgl. Sächs. Militär- musikerschule aus Colditz unter persönlicher Leit ung ihres Directors Hrn. R. Wutke hatte sich eines zahlreichen Besuchs zu erfreuen, denn der geräumige Saal war von ca. 400 Personen besetzt. DaS gut gewählte Programm, welches für die jungen Musiker theils recht schwierige Nummern enthielt, wurde zur vollen Zufriedenheit der Zuhörer durchgefübrt und fand die Präcision des Spiels wohlverdientes Lob. Herr Wutke bewies sich als ausgezeichneter Piston- VirtuoS, so daß seine Solls stürmisch <iu cuxo ver langt wurden. Wir sind überzeugt, daß das erst seit dem Herbst vorigen Jahres bestehende Institut in guten Händen ist und Hr. Wutke mit seinen Schülern allerwärtS die verdiente Anerkennung finden wird. — Schönheide, 13. Juli. Der hiesige „Män nergesangverein" veranstaltete am vergangenen Frei tag eine theatralische Abendunterhaltung. Es wurde ein Volksstück mit Gesang, „Die Lieder des Musikanten" von R. Kneisel, aufgeführt. Die Leist ungen waren, wie wir dies von dem strebsamen Ver eine gewöhnt sind, ganz vorzügliche. Die Rollen waren so passend vertheilt, daß die Darstellung den Eindruck machen konnte, jede Rolle sei der Indivi dualität der einzelnen Darsteller besonders angepaßt worden. Lobender Erwähnung verdienen besonders auch die diesmal mitwirkenden neuen Kräfte; sie haben sich hier auf den die Welt bedeutenden Bret tern mit dem besten Erfolge eingeführt. Die Vor stellung fand die verdiente Anerkennung in den von den Zuhörern reichlich gespendeten Beifallsbezeug ungen. Auf Verlangen wurde das Stück am Sonn tag zum zweiten Male unter gleich gutem Erfolge gespielt. An beiden Abenden, ganz besonders jedoch am Sonntag, war der Besuch ein guter zu nennen. Der Reinertrag der Vorstellungen soll zum Besten bedürftiger Schulkinder Verwendung finden. — Dresden. Se. Maj. König Albert feiert in diesem Jahre und zwar am 18. d. ein militäri sches Jubelfest seltener Art. An diesem Tage vor einem Vierteljahrhundert wurde der damalige Kron prinz vom Kaiser Franz Joseph durch Verleihung des Kleinkreuzes vom militärischen Maria Theresia- Orden — de» vornehmsten Kriegsordens der Habs burgischen Monarchie — und vom König Johann von Sachsen durch Verleihung des GroßkreuzeS de« St. HeinrichS-OrdenS, de« höchsten sächsischen KriegS- orden», ausgezeichnet. Beide Ordensverleihungen be ziehen sich in der Hauptsache auf die denkwürdige Schlacht bei Königgrätz am 3. Juli 1866. Der Oberbefehlshaber der sächsischen Armee war Kron prinz Albert, welcher sich in dieser Schlacht durch die umsichtige und heldenhafte Vertheidigung de« Höhenzuges ProbluS-Nieder-Prschim höchsten Ruhm erwarb und mit seinen Truppen den Rückzug der Oesterreicher in mustergiltiger Weise decken half. Für diese von Freund und Feind einstimmig anerkannte Waffenthat wurde die Brust de« Helden mit den genannten Orden am 18. Juli 1866 geschmückt. — Dresden Da» im hiesigen National- Panorama seit 8 Jahren ausgestellte Schlachten- rundgemälve „Sturm der Sachsen auf St. Privat" wird demnächst Dresden dauernd verlassen. Man hofft, daß an Stelle dieses Kunstwerke« da» Rund gemälde „Ausfallsschlacht" bei Villier« am 2. Sept. 1870" «ritt, welches bekanntlich auch eine glänzende Waffenthat der sächsischen Truppen im deutschfranzö- fischen Kriege darstellt. Im laufenden Sommer haben öfters auswärtige Schulen das Panorama besucht und eS war kürzlich ergreifend, aus jugendlichen Kehlen die „Wacht am Rhein", „Den König segne Gott" und andere patriotische Weisen in dem von einer trefflichen Akustik begünstigten Gebäude singen zu hören. Durch freiwillige Spenden der Besucher sind in den letzten Jahren ca. 1000 Mk. gesammelt und «zur Schmückung der Kriegergräber um Metz verwendet worden. — Dresden. DaS Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, welchem bekanntlich auch die Medizinalangelcgenheiten unterstellt sind, hat vor Kurzem an die Besitzer der Apotheken eine Ver fügung erlassen des Inhalts, daß e« der Würde des Standes nicht entspreche, auch die betreffenden Ge- werbtreibenden dadurch nur geschävigt würden, wenn seitens der Apotheken, wie dies zur Zeit in verschie denen derselben geschieht, ein ausgedehnter Handel betrieben wird, z. B. mit Wein, Essig und anderen Gegenständen, welche eigentlich gar nicht hinein ge hören in die Apotheke, sondern Verkaufsgegenstände der Droguisten oder Materialisten sind. DaS KultuS- ministeriuty giebt in gedachter Verordnung auf, jene mit dem Apothekerberufe nicht recht würdigen 'Neben dinge, wozu auch Agenturen und Kommissionen ge hören, schleunigst aufzugeben; für Fortsetzung der selben oder Anfang derartiger Handels- und anderer Geschäfte ist fernerhin stets die ausdrückliche Ge nehmigung des Ministeriums einzuholen. Diese Ver fügung des Kultusministeriums ist eine durchaus ge rechte und zeitgemäße zu nennen. — In Leipzig wurde ein jüdischer Kaufmann zu 7 Monaten Gefängniß verurtheilt, weil er den Mäd chen, die bei ihm Stellung suchten, die unverschämte Zumuthung gemacht hatte, sich vor ihm zu entkleiden, damit er sehe, ob sie reinlich seien. — Plauen. Es ist lebhaft zu bedauern, daß sich von hier immer mehr gute, im Fache durch und durch bewanderte Maschinensticker vom Stickerei geschäft zurückziehen und zu einer anderen Beschäf tigung übergehen, wodurch den Fabrikanten, die nur gute, bessere Sachen Herstellen lassen, das Geschäft immer mehr erschwert wird. Abhilfe könnte dadurch geschaffen werden, daß den Stickern wieder ein besserer Lohn gezahlt würde. Wie dies aber zur Zeit fertig zu bringen, ist ein Räthsel, das möglicher Weise erst dann wird gelöst werden können, wenn wieder einmal ein recht flotter Geschäftsgang in der Stickereibranche vorhanden, dessen recht baldiger Eintritt nur sehr zu erwünschen ist. — Aehnlich wie in Plauen ist es auch in anderen Städten des Vogtlandes und Erzge birges, woselbst das Stickereigeschäft sehr darnieder- liegt. — Die Stadt Plauen hat in diesem Jahre die Trauung von drei taubstummen Paaren zu ver zeichnen. Im Monat Mai wurde das erste, vor gestern das zweite dieser Paare in der Hauptkirche St. Johannis getraut. Im Herbst wird da« dritte Paar in den heiligen Ehestand treten. — Meißen. Ein bedauernswerthes Unglück hätte leicht in einem hiesigen Gartenrestaurant ge schehen können. Eine mit ihrem Gatten darin an wesende Dame hatte SelterSwasser bestellt und nahm von demselben eben einen Schluck, als sie plötzlich an heftigen Schmerzen im Munde und im Halse erkannte, daß sie eine giftige Flüssigkeit vor sich haben mußte. Der Wirth hatte fahrlässiger Weise nicht nur in einer Selterswasserflasche Salzsäure holen, sondern diese auch mitten unter den SelterSwasser- flaschen stehen lassen. Daher die gefährliche Ver wechselung der Flaschen. Ein zum Glück mit an wesender Arzt veranlaßte die einstweilige Ueberführung der Verletzten in das Krankenhaus, wo alsbald alle angezeigten Gegenmittel angewendet wurden, so daß ernste Bedenken über den Zustand der Dame nicht mehr gehegt werden. — Der Höhepunkt des Jahre» liegt hinter un« und die Tage neigen sich abwärts und werden wieder kürzer. Gegenwärtig beträgt die Abnahme zwar nur anderthalb Minuten, gegen Ende dieses Monat« be läuft sie sich jedoch schon auf drei Minuten. Die Dämmerung, welche e« bis jetzt nie ganz Nacht hat werden lassen, hält noch bis zum 20. b. M. an, von da ab wird e» aber um Mitternacht wieder vollkommen finster. Am 25. Juli tritt die Sonne in da« Zeichen de« Löwen und damit beginnen die „HundStage". Die Zeit der HundStage währt vom 23. Juli bi« zum 23. August. Ans »ergangener Aett — für «nser« Jett- 14. Juli. (Nachdruck verboten.) Am IS. Juli 1868 ist der deutsche Bundestag, jene Kör perschaft, die für die deutschen Fürsten nicht viel, für da«