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Cassette gefunden worden. Sofort angeslellte Erörter ungen haben ergeben, daß dieselbe aus dem Comptoir eines hiesigen Geschäfts (Franz Seidel) entwendet worden war. Die Cassette, die einen größeren Geld betrag enthalten haben soll, war noch »»eröffnet, so daß zu vcrnultdcn ist, die Diebe sind bei ihrer Arbeit gestört worden und haben sich, mit Hinterlassung ihres Raubes, aus dem Staube machen müssen. Als der Thal verdächtig sind noch im Laufe des heutigen TageS zwei jüngere Leute festgenomme» worden. — Dresden. Am Donnerstag ist auf dem Weißen Hirsch eine drollige Geschichte passirt. Ein herrschaftlicher Kutscher war nach der Post expedition geschickt worden, um dort einen Hundert markschein einzuzahlen. Auf dem Postamt angelangt, vermißt der Kutscher den Schein, den er mit anderen Papieren in der Hand getragen hatte. Der tödtlich erschrockene Kutscher meldet seinen Verlust auf dem Gemeindeamt und im Gasthof zum Weißen Hirsch an. Zehn Minuten vor der Anmeldung hat ein junges Mädchen an der BierauSgabe des Gasthofes einen Hundertmarkschein gewechselt und sofort wendet sich der Verdacht auf diese Person, die man der Fundunterschlagung schuldig wähnt, von deren Ver bleib man aber nichts weiß. Es wird eifriges Suchen nach dem Mädchen angestellt, welches Niemand kennt. Da — etwa nach einer Stunde kommt der Kutscher ganz vergnügt mit dem Schein wieder an, aber nicht ein Mädchen hat den letztere», sondern — der Hund deS Herrn jenes Kutschers. Das Thier hat den Schein wahrscheinlich aus der Hand des Kutschers fallen sehen und ist damit schleunigst »ach Hause zu seinem Herrn geeilt. Dort natürlich Staunen und schließlich allgemeine Freude über de» Ordnungs sinn des vierfüßigen Finanz-Genies. — Leipzig. Am Freitag Vormittag in der 9. Stunde verunglückte auf dem großen Exerzierplatz bei Connewitz ein Soldat der 4. Compagnie des >07. Regiments bei den Gefechtsübungen. Auf bislang noch unaufgeklärte Weise hatte sich sein mit einer Platzpatrone geladenes Gewehr entladen und der Holzmantel der Patrone ihm eine nicht unerhebliche Verletzung an ter rechten Seite des Kopfes bcigebracht. — Leipzig. Aus Berlin ist der Kässirer Eduard Gerber aus Johanngeorgenstadt nach einer Unter schlagung von 10,000 Mark flüchtig geworden. Ger ber ist 29 Jahre alt, schlank, hat dunkles Haar, klei nen, dunkelblonden Vollbarl, blasses Gesicht, trägt Kneifer und spricht deutsch, englisch und französisch. Er ist hier wohlbekannt, da er vor einigen Jahren hier in einem großen Geschäft in Stellung war. Seine Verhaftung hat inzwischen in Wien stattge funden. Man fand nur 58 Gulden bei ihm vor; über den Verbleib der Hauptsumme verweigert er jede Auskunft. — Der Kölnischen Zeitung schreibt man aus Chemnitz: „Die sächsischen Eisenbahnen sind sämmtlich längst in den Besitz des Staates überge gangen und bringen ihm jährlich einen Reinertrag von 30 Millionen Mark, das ist mehr, als die ge- sammten sächsischen direkten und indirekten Steuern dem Staate ergeben. Diese hohen Erträge sind die Folge der großen Sparsamkeit, mit welcher unter dem im vorigen Jahre verstorbenen Finanzminisler von Könneritz gewirlhschaflet worden ist, und sie wurden erzielt, obgleich fortwährend zur Erschließung des Erzgebirges und der Lausitz neue Strecken und Seiten bahnen gebaut wurden, von denen ein hoher Ertrag nicht zu erwarten ist. Die unerfreuliche Nachwirkung aber jener lange festgehaltenen Sparsamkeit ist, daß jetzt eine Menge früher zurückgedrängter Bedürfnisse gleichzeitig befriedigt werden muß, wenn das sächsische Bahnnctz hinter seiner Aufgabe nicht zurückbleiben soll. Dazu sind große Aufwendungen nölhig. Der Bestand an Lokomotiven und Wagen aller Art war bisher dem Bedürfnisse gegenüber äußerst ärmlich zu nennen; er bat bereits Vermehrungen erfahren und wird noch immer bedeutend vergrößert werden müssen. Die Bahnhofsanlagen in Leipzig genügen nicht mehr; an Stelle des dortigen Thüringer, des Dresdener, res Berliner und Magdeburger Bahnhofs muß ein großer Zentralbahnhof errichtet Werve», wegen dessen die Verhandlungen mit dem preußischen Eisenbahn ministerium, das, wie man hört, die Verwaltung des Zentralbahnhofs beansprucht, noch schweben. ES muß ferner eine ganze Anzahl Bahnhofsanlagen in unser» rasch gewachsenen Mittelstädten Erweiterungen erfahren, weil sie längst dem Bedürfnisse nicht mehr genüge», und dies wird zum Theil sehr erhebliche Kosten verursache». Es muß aber auch vor allem die erste Industriestadt des Landes, Chemnitz, eie Äahneinrichtungen erhalten, welche seine großartig entwickelte Industrie nicht länger entbehren kann. Dahin gehört vor allem eine Gürtelbahn, welche den Fabriken den Anschluß an das Schienennctz ermög licht — ein längst empfundenes Bedürfniß. ES ge hört dahin die Vergrößerung der unzulänglich ge wordenen BahnhosSanlagen, welche durch Wegvcr- legung reS GülerbahnhofS wird bewirkt werden müssen. Es gehört dahin die Beseitigung res großen, rcn Verkehr störenden Ucbelstantes, daß die Bahn einen Theil der Straßenübergänge in Wezhöhe durchzieht, streckenweise in solcher Ausdehnung, raß eine Ab sperrung durch Schranken unmöglich ist und sogar Eilzüge deshalb mit größter Langsamkeit unter Vor antritt schellender Bahnbeamten fahren müssen. E» gehört dahin eine besondere Bahnverbindung mit unfern volkreichen Vororten durch Legung dritter Geleise, damit nicht, wie jetzt, der gesammte Verkehr dahin auf die Postzüge der Hauptlinien angewiesen ist, sondern durch häufiger verkehrende OmnibuSzüge vermittelt werden kann. Dies alles sind Wünsche, die für einen Hauptsitz der deutschen Industrie wie Chemnitz durchaus nicht unbescheiden zu nennen sind." — Die mechanische Weberei in Zittau ist am 2. d. M. durch ein Schadenfeuer nicht unbedeutend geschädigt worden. Wie die „Zittauer Nachr." melden, liegt die Vermuthung sehr nahe, daß in der Unvor sichtigkeit eines Arbeiters, der sich Abends beim Weg gehen Tabak angezündet hat, die Ursache des Brandes zu suchen ist. Als die Scheiben des Glasdaches sprangen und die werthvollen Stühle nach und nach mit mächtigem Getöse in das Parterre stürzten, wurde mancher Wehelaut der zahlreich zuschauenden Arbeiter und Arbeiterinnen gehört, welche ihre liebgewordenen Maschinen beklagten, die ihnen nun auf lange Zeit keine Arbeit mehr geben können. Im Ganzen waren 17 Spritzen und die Dampfspritze der Mechanischen Weberei in Thätigkeit. Verschiedene Feuerwehrleute haben Verletzungen an Händen und Gesicht davon getragen, sonst ist zum Glück kein Unfall passirt. DaS Militär war in Stärke von gegen 200 Man» unter Hauptmann Feller ausgerllckk. Von 423 Stühlen sind etwa 180 verloren. Das Waarenlager ist in der Hauptsache gerettet. Fünf der größten Feuerversicherungsgesellscbaften sind betheiligt. Man hofft, daß sämnuliche brovloS gewordenen Arbeiter und Arbeiterinnen bald wieder beschäftigt werden können. — Das in der Nähe des Bahnhofes in Aue stehende Fabrikgebäude der Herren Georgi und Elster brannte am Freitag früh gänzlich aus. — Der deutsche Lehrerverein, eine mächtige Organisation von ziemlich 50,000 Mitgliedern, die wohlgeregclt und geordnet ist und in planvoller Weise ihre Thätigkeit ausübt, tritt jetzt für die all gemeine Volksschule ein. Deutschlands Lehrer erklären sich nicht für Standes-, nicht für Klassen schulen, sie wollen eine für alle Stände gleiche Grund bildung bis zu einem gewissen Lebensalter, bis zum zehnten oder zwölften Jahre. Von da ab soll dann erst die Trennung, je nach den Fähigkeiten und Lebenszielen, erfolgen. Für den nächsten deutschen Lehrertag, 1892, ist diese Frage und ihre Bedeutung für die sozialen Verhältnisse als Hauptverhandlungs- gegeustand auf die Tagesordnung gesetzt und jetzt schon berathen die Einzelvereine über dieselbe und bald wird ein reiches litterarisches Material auf dem Büchermarkt erscheinen. — Sächsische Steine finden beim Bau deS Norvostsee-Kanals Verwendung. Aus den an der Eisenbahnlinie Roßwein-Hainichen gelegenen Ber- bersdorfer Granitbrllchen werden 10,<XX) Kubikmeter kleingeschlagene Steine zu dem Baue deS Nordostsee- Kanals geliefert. Dieselben sollen zur Herstellung von Beton für die Gründung der großen Einlaß- schleußen an der Elbmündung verwendet werden. Die Beförderung erfolgt bis Riesa auf der Eisenbahn, von da bis Hamburg auf Steinzillen und von Ham burg bis zur Verwendungsstelle bei Bornbüttel auf seetüchtigen Ewern. Die Transportkosten belaufen sich auf ungefähr 9 Ai. für den Kubikmeter. Auch auö Granitbrüchen bei Meißen und aus Sandstein brüchen der Sächsischen Schweiz wird Stcinmaterial für den Nordostsee-Kanal bezogen. — Seitens der Forstbeamten wird Klage geführt über rücksichtsloses Gebühren von Bcerenpflückern und Spaziergängern in den Wäldern. Bei Beginn der Waldbeerernie ist deswegen daran zu erinnern, daß man die Beerenkräuter thunlichst schonen muß. Ins besondere möchten auch Spaziergänger, welche nicht selten Stöcke auSreißen, bedenken, welchen Schaden sie anrichten. Aus vergangener Zeit — für unsere Zeit. Die große „Freundschaft'^Rußlands für Deutschland, — ob sie damals auch thurmhoch war, weiß mau nicht genau, — zeigte sich in ihrem Glanze am 7. Juli 1807. An diesem Tage schloß Kaiser Alexander I. von Rußland mit Napoleon den Frieden von Tilsit ab. Der Czar ließ seinen Freund und Wasfengesährle» König Friedrich Wilhelm III. von Preußen einfach im Stich und war so wenig scrupulös, daß er sich von Napoleon einen Theil preußischen Eigenthums, den Bezirk Bialpstock, „schenken" ließ. Rußland erkannte den von Napoleon geschaffenen Rheinbund an, schloß sich der gegen England ge richteten Continentalsperre an und wurde vorläufig ganz und gar napoleonisch gesinnt. Besser keine Freundschaft, als solche russische Freundschaft. 8. Juli. Zahlreiche Thatsachen beweisen es, wie rasch man in unserer Zeit lebt. Eine solche Thatsach« zeigt sich uns in Boulanger. Am 8. Juli 1887, also vor vier Jahren, trat dieser französische General gleichsam als werdender Diktator und Kronprätendent auf die politische Bühne und beute ist er nur noch die lustige Figur aus den Pariser Borstadt-Bühnen. Rasch, wie der Mann gekommen, ist er auch wieder verschwun den, aber auch ebenso rasch kann er wieder aus der Bildfläche alS ernsthaft zu nehmender Politiker auftauchen; denn in Frankreich, speziell in Paris, ist Alles möglich, vor Allem das anscheinend Unmögliche. Es ist doch gut, daß wir im lieben deutschen Vaterlande im politischen und bürgerlichen Leben, in unserem Erwerbe nicht abhängig sind von plötzlich aus der Versenkung austauchenden und ebenso plötzlich verschwindenden Abenteurern. Lcnbach über Bismarck. „Der Westen," ein in Chicago erscheinende« Blatt, veröffentlicht eine Unterredung, welche sein deutscher Korrespondent mir dem berühmten Bildnißmaler Lenbach vor einiger Zeit in München hakte. Len- bach, welcher bekanntlich ein glühender BismarckS- bewunderer ist, hat sich sehr offen über den Fürsten ausgesprochen und manche seiner Bemerkungen wirken belustigend. Bismarck hat nach Lcnbach unermüdliche Augen. Abends, nach Tisch, sieht er eine Masse von Büchern und Zeitungen durch, und dampft seine vier Pfeifen dazu. DaS geht so von halb neun bis halb elf, wo er zu Bett geht. In diesen beiden Stunden liest er beständig. Er steht ungefähr um halb zehn Uhr aus. In neuester Zeit ist er sogar manchmal schon um acht Uhr aufgestanden. Was das Essen anbelangt, so hat er e« früher ganz fürchterlich getrieben; jetzt ißt er ziemlich mäßig. Am liebsten sind ihm ge räucherte Sachen aller Art, besonders auch Fische. Er ist übrigens wieder ungefähr 200 Pfund schwer. ES gab eine Zeit, wo er die 300 erreicht hatte. Von Weinen trinkt er nicht«, als einen mittelmäßig guten, leichten Moselwein. Er darf keinen andern trinken, und ebenso ist ihm das Bier streng verboten. Er raucht auch keine Cigarren mehr, die er früher so sehr liebte, sondern einen ordinären holländischen Kanaster. Die Cigarren gab er auf, als er merkte, daß er nicht schlafen konnte. Wie er über Alles nach einem gewissen System raisonnirt, so sagte er damals: Der Mensch verträgt von Allem und Jedem nur ein gewisses Ouantum. Ist er damit durchtränkt, so bekommt er einen Widerwillen, gegen das Genußmittel. Die Fürstin Bismarck, so behauptet Lenbach, habe die ihrem Manne widerfahrene Behandlung viel schlimmer empfunden, als er selbst und habe sich noch immer nicht davon erholt. Sie findet speziell, daß Moltke im Verhältniß zu Bismarck so viel besser behandelt worden sei. „Man hatte den Felbmarschall zum Präsidenten der Landesvertheidig- ungskommission gemacht und Halle ihm Wohnung und Gehalt gelassen. Die Stellung, die man ihm gegeben, war in einer Beziehung der vorzuziehen, welche er früher hakte. Als Vorsitzender der Landes- verthcidigungs-Commission hatte er die Exekutive in dem Bereiche von Festungen rc. Früher hatte er der Behörde, deren Chef er zuletzt war, nur Vor schläge zu machen. Mein Mann hat 18,000 Mark Pension und ist heraus, der Marschall aber ist drin geblieben und halte eine würdige Thätigkeit. Meinem Manne hat man nicht einmal eine Wohnung in Berlin angeboten und hat ihn mit der lumpigen Pension ziehen lassen. Freilich hat ihm der Kaiser noch sein Porträt geschickt — das war Alles." Weiterhin bezeichnet der Münchener Maler den Fürsten als die Spitze der Gescheitheit, und von seinen Gegnern sagt er: „Sie haben eben diese Sonne auslöschen wollen, damit ihre Talglichter besser brennen können. Bismarck hat eine ungeheuere Fähig keit, zu beobachten und Eindrücke in sich aufzunchmcn. Seine geistige Maschine arbeitet ohne Unterlaß und seine einzige Freude ist jetzt, daß er das, was sich in ihm geistig produzirt, zum Vorscheine kommen läßt. Er amllsirl sich mit der Gestalt, welche die Eindrücke in seinem Kopfe annehmen; daher seine Freude am Monologischen und am Formuliren seiner Gedanken in der denkbar knappsten und präzisesten Form. Merkwürdig ist eS dabei, daß sich diese künst lerische Arbeit an ihm auch äußerlich als solche kund- giebt, nämlich durch seine höchst merkwürdigen Hand bewegungen. Seine Hand ist, wenn er nicht spricht, energisch in ihrer Form, beim Sprechen aber wird sie ganz weich und modellirt oder skandirt jedes Wort, das er sagt. Er hat in seinem Leben stets zwei Dinge gethan: riesig gearbeitet und seiner Natur nicht den geringsten Zwang auferlegt. Alles, was nach diesem großen Manne kommen wird, Kaiser und Reichstage, wird stets wie GlaS sein, immer wird man dahinter die ungeheuere Gestalt Bismarcks sehen. Und ist er einmal todt, dann wird es nicht anders sein. Den Mann kann man eben nicht hinauSrücken aus dem Leben der Nation, aus der Geschichte. Ueber den Leuten, welche Dekrete er lassen und Ernennungen und Absetzungen machen, ragt er wie eine Pyramide empor. So ein Mann ist ein Triumph der Menschheit, er ist mehr werth, als ein ganzes Reich. So ist mir anch Shakespeare lieber als ganz England." „Uebrigens ist Bismarck," meinte Lenbach, „in seiner gegenwärtigen Lage nicht zu bedauern. Er ist beleidigt, gekränkt worden, aber damals, als man ihn mit Lorbeeren überschüttete und ihn fast darunter erstickte, war er lange nicht so glücklich wie heute. ES hat ihm gutgethan, baß er sich ein Stück Fett heruntergeärgert hat." Ueber Bismarcks Vermögen-Verhältnisse befragt, sagte Lenbach, daß der Fürst sozusagen „keinen Kreuzer Geld habe." Viel von seinen Einkünften verschlingt die offene Tafel, die stets bei ihm ge halten werbe, und den Rest verzehre die Leidenschaft