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87 — eine innere Untersuchung hat nicht stattgefunden. Den Revision^ bemerkungen wurde Folge gegeben. Genannten Tages gegen 6 Uhr abends hat der Heizer die Wartung des Kessels übernommen und denselben in ordnungs gemäßen Zustand vorgefunden. Kurz vor der Explosion hat der Maschinenmeister den Heizer gefragt, ob genügend Wasser im Kessel sei, was derselbe bejahte und auf die noch in Betrieb be findliche Dampfpumpe verwies. Bald darauf, während die Dampfpumpe noch arbeitete, erfolgte die Explosion. Die Dampf spannung im Kessel soll 6 Atm. Ueberdruck betragen haben, die üblicheBetriebsspannung. Eintreffen des Revisors am 20. November, vormittags 91/2 Uhr. Eine Person wurde hierbei schwerer verletzt, eine andere leicht verwundet. Das von den Flammen direkt berührte untere dritte Siederohr der rechten Sektion wurde in einer Entfernung von 250 min von der vorderen Sektionskammer auf eine Länge von 285 mm auf- ! ^ gerissen, s. Fig. 3. -5- Die entstandene r Oeffnung liegt auf der unteren Seite des Siederohrs und klafft an ihrer wei- Fig- 3. testen Stelle ca. 75 mm auseinander, während die Schweißnaht auf der rechten oberen Seite liegt und nicht beschädigt worden ist. Die Bruchstelle zeigt ein körniges Gefüge und hat ver branntes Aussehen. Die Wandstärke des Siederohrs an der Bruchstelle betrügt 3 mm, während die Wandstärken an den Enden ca. 4 mm betragen. Wie aus den Anlauffarben zu er sehen ist, hat das Rohr vor der Explosion geglüht. Wie die Untersuchung ergeben hat, ist die jeweilige Reinigung des Kessels nicht sachgemäß ausgeführt worden, denn es wurden in den Siederohren und den Sektionskammern Ab lagerungen von Kesselstein bis zu 10 mm Dicke angetroffen, auch waren die Schlammsammler stark mit zähem Schlamm an gefüllt. Das Speiserohr mündet in ein am Hinteren, unteren Ende des Kessels liegendes Rohr von 120 mm lichtem Durch messer. Von diesem Rohr aus geht das Wasser in die beiden Schlammsammler und von da aus durch die an die einzelnen Sektionskammern angegossenen Krümmer in die einzelnen Sektionen. Während die einzelnen Verbindungen zwischen Schlammsammler und Sektionskammer stark verstopft waren, war die Verbindung zwischen dem Schlammsammler und der hintersten Sektions kammern vollkommen mit Schlamm versetzt und diese Sektion mithin ohne Wasser. Mit Rücksicht darauf, daß das nach den Wasserständen führende Rohr nicht mit den einzelnen Sektions kammern direkt, sondern mit diesem durch die beiden Schlamm sammler und ein Rohr indirekt in Verbindung steht, war es dem Heizer nicht möglich zu erkennen, daß, während er genügend Wasser in den Wasserständen hatte, eine Sektion leer war. Sämtliche Ausrüstungsgegenstände waren bis auf die beiden unteren Hahnköpfe der Wasserstände, welche durch die vorge quollenen Gummidichtungsringe bis zu einer Oeffnung von ca. 5 mm Durchmesser verstopft waren, in ordnungsmäßigem Zustande. Das auf dem Aschenfall liegende Riffelblech ist etwas zur Seite geschleudert worden, die vor der Reinigungsöffnung be findliche Tür wurde aufgedrückt. Am Kesselhause fanden keine Zerstörungen statt, dagegen wurden in dem benachbarten Maschinenraum und in dem an diesen anstoßenden Raum einige Fensterscheiben eingedrückt. Durch die aus der Feuerung aus geworfenen glühenden Kohlen wurde ein im Maschinenraum be findliches Mutterschlüsselbrett in Brand gesetzt. Als Ursache kam Wassermangel in dem Rohrsystem der rechten Sektion, verursacht durch Verstopfung der Wassereintritts stelle zur Sektionskammer infolge mangelhafter Reinigung in Betracht. Den Schluß der vorstehenden Zusammenstellung der Dampfkessel-Explosionen machte ein liegender Zwei- flammrohrkeffel. Am 4. Dezember 1905, früh 5 Uhr, explodierte in Volpriehausen (Kreis Uslar, Oberberg amt Clausthal) im Kali- und Steinsalzbergwerk der Gewerkschaft Justus I ein solcher. Derselbe diente zur Krafterzeugung, war von F. Dippe in Schladen 1901 er baut und an dieser Stelle in Betrieb gesetzt. Der Kessel hatte eine Länge von 11 m, der Durchmesser betrug 2,2 m, der Be triebsdruck 8 Atm. Die Vorfeuerung war für Braunkohlen eingerichtet, die Rostfläche betrug 2,8 gm und die benetzte Heiz fläche 95,1 gm. Aus den Konstruktions-Einzelheiten ist noch anzuführen: Die Mantelbunde sind zylindrisch überlappt genietet, ebenso auch die einzelnen Flammrohrschüsse. Die gewölbten Stirnböden haben sowohl für den Mantel, wie auch für die beiden Flammrohre nach innen gerichtete Krempen, mit denen Mantel und Flammrohre durch einfache Nietung verbunden sind. Das Material war Flußeisen, für die Flammrohre, Böden und Stirnwände Feuerblech, für den Mantel Mantelblech I. Als Speisevorrichtung dienten zwei dreifach wirkende Dampfpumpen und eine Duplexpumpe. Das Speisewasser setzt etwas Kesselstein und auch etwas Schlamm ab. Der Kessel wurde jedes Jahr einmal ausgeklopft und einmal ausgeschlämmt, die letzte Ausschlämmung erfolgte im Mai 1905. Reparaturen hat der Kessel nicht erfahren. Der Kessel war im Jahre an 360 Tagen zu 24 Stunden in Betrieb. Der Kesselwärter war seit 20. August 1905 ange stellt und hatte nur die Speisung der Kessel zu besorgen und die Armaturen zu probieren. Letzte äußere Untersuchung am 22. Juni 1905, letzte innere am 9. Juni 1904. Es fand sich bei den Revisionen nichts zu erinnern. Nach Angabe der Werkleitung und des Werkmeisters soll der Betrieb in der Zeit vor der Explosion ganz normal gewesen sein. Der kontrollierende Nachtaufseher gibt an, daß er am 4. Dezember 1905 morgens um 3 Uhr durch das Kesselhaus gegangen sei und alles in Ordnung gefunden habe. Das Personal ist vollständig überrascht worden. Die Speisepumpen waren auch nach der Explosion noch im Gange. Eintreffen des Revisors am 4. Dezember 1905, mittags 21/2 Uhr. Als Opfer dieser Explosion wurde eine Person tödlich und eine andere schwer verletzt. Der Befund der zerrissenen Keffelteile ergab folgendes: Die beiden vorderen Bunde des rechten Flammrohrs sind defor miert und in der sie verbindenden Naht auseinandergegangen, infolge Reißens der Niete. Der Kessel hat sich im ganzen an scheinend garnicht bewegt, sondern ist genau in seiner Lagerstelle liegen geblieben. Der vordere Bund des rechten Flammrohrs ist in seiner Rundnaht auf ca. 2/z des Umfanges durch Reißen der betr. Nieten abgetrennt und kegelförmig zusammengedrückt, indem er an der vorderen Stirnwand fest sitzen geblieben ist. Der folgende Bund des rechten Flammrohres ist nur auf 400 mm Länge im Scheitel herunter gebogen, da der erste Versteifungsring das Rohr rund erhalten hat. Die Bleche sind überall, auch an den Löchern aller abgerissenen Nieten, intakt geblieben. Alle Ausrüstungsgegenstände, wie Sicherheitsventil, Absperrventil, Speiseventil und Rückschlagventil sind unversehrt geblieben, nur am Wasserstandsapparat ist beim linken Glase der untere Hahnkörper, jedenfalls durch das fortfliegende Mauer werk, abgerissen worden, auch die Wassergläser wurden zertrümmert. Das Kesselmauerwerk vor der Hinteren Stirnwand ist umge worfen und die Gebäudewand hinter dem Kessel in Größe von ca. 3 gm mitsamt dem Fenster ist zerstört worden. An den Nachbargebäuden erfolgten keine Zerstörungen. Wassermangel kann anscheinend nur die Ursache der Explosion gewesen sein, denn auch beim linken Flammrohr, welches rund geblieben ist, war ebenso wie beim rechten zu erkennen, daß die beiden vorderen Bunde im oberen Bogen glühend ge wesen sind. Rekapitulierend sei bemerkt, daß bei diesen 8 Explosionen vier durch Wassermangel, eine durch zu hohe Dampfspannung, eine durch Festlegung des Sicherheitsventiles verbunden mit zu hohem Druck, eine durch lokale Ueberhitzung infolge Schlamm- und Kesselsteinauflagerung und eine durch mangelhafte Schweißung hervorgerufen wurden. Die Zahl der verunglückten Personen betrug 9, davon sofort gelötet 4, schwer verwundet 2, leicht ver letzt 3 Personen.