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Die Dampfkessel-Explosionen während des Jahres 1905 in Deutschland. Aus den Vierteljahrsheften7zur Statistik des deutschen Reiches, Heft 3. (Fortsetzung.) Am 25. März 1905, mittags 121/4 Uhr explodierte in Haßlinghausen (Rheinland) auf dem Steinkohlenbergwerk der Gewerkschaft „Deutschland", Schacht Uhlenberg ein liegender Zweiflammrohrkessel. Derselbe war von Reinshagen in Langendreer 1892 erbaut und an dieser Stelle in Betrieb gesetzt. Der für 7 Atm. bestimmte Kessel hatte Jnnenfeuerung für Stein kohle und eine Rostfläche von 3 gm, die benetzte Heizfläche betrug 89,6 gm. Aus den Konstruktions-Einzelheiten ist hervor- zuheben, daß die Längsnühte des Mantels dreireihig überlappt waren, sämtliche anderen Nähte einfach überlappt genietet. Die Flammrohre sind in den ersten beiden Schüssen durch Adamsonsche Flanschen versteift, während in den letzten 6 Schüssen nur jede 2. Rundnaht als Flanschenverbindung angeführt ist, die vordere Kopfplatte ist oben durch einen Konsolanker, unten durch 2 Dreiecksanker, die Hintere Kopfplatte durch Wölbung versteift, die Mannlöcher sind durch aufgenietete Flacheisenringe verstärkt. Das Material ist Schmiedeeisen von 34 leg Festigkeit, also anscheinend Flußeisen. Als Speisevorrichtung dienten 2 Dampfpumpen, jede aus reichend zur Speisung der ganzen Anlage. Das Wasser wird in einem der Zeche gehörenden Pumpwerk aus einem eigenen Stollen entnommen und in einem Hochreservoir durch Koks- und Kiesfiltration gereinigt. Die Filter werden alle drei Monate erneuert: das gereinigte Wasser wird in einem Vor wärmer auf ca. 80 0 angewärmt. Der Kessel wurde im Sommer alle drei, im Winter alle vier Monate gereinigt. Die letzte Reinigung fand im Dezember 1904 statt und bestand darin, daß das Innere des Kessels sauber geklopft und die Züge von Ruß und Asche gereinigt wurden. Auf der Sohle des Kesselmantels fanden sich lose Schlammablagerungen von etwa 30 mm Stärke; unter den zerstörten Flammrohrschüssen wurden jedoch An häufungen bis zu 150 mm Höhe festgestellt; die von den über hitzten Blechen abgeblättert waren. Diese Schüsse waren des halb frei von Kesselstein; während alle übrigen mit einer gleichmäßigen Schicht bedeckt waren, deren Stärke auf den vorderen Schüssen 6 mm betrug, und nach hinten zu bis auf 2 mm abnahm. Die bei einer Revision im Jahre 1903 im unteren Teile als abgerostet Vorgefundene Kopfplatte wurde im unteren Dritteil erneuert, einige Undichtigkeiten wurden ebenfalls 1903 durch Nachstemmen beseitigt. Der Kessel war jährlich an 280 Tagen zu 24 Stunden in Betrieb. Der Kesselwärter war seit dem 15. Februar 1905 ohne Nebenbeschäftigung angestellt. Letzte äußere Untersuchung am 13. März 1905, letztere innere Untersuchung 21. August 1903. Der Kessel war mit vier anderen zu einer Batterie ver einigt, von diesen wurde zur Zeit einer gereinigt, die übrigen vier waren in Betrieb; der Druck betrug angeblich nicht ganz 6 Atm. Seitens der beiden im Kesselhause anwesenden Kessel wärter und des die Aufsicht führenden Maschinensteigers, der noch I I 2/4 Uhr die Wasserstandsapparate geprüft haben will, sei nichts Auffälliges bemerkt worden, der Wasserspiegel habe in allen Gläsern ca. 40 mm über 17.1 bei dem explodierten Kessel, der zuletzt gespeist wurde, noch etwas höher gestanden. Ein treffen des Revisors ain 26. März 1905, morgens 9,40 Uhr. Der Kesselwärter wurde leicht verletzt. Der Befund der zerrissenen Kesselteile ergab nachstehendes: Der dritte und vierte Schuß des linken Flammrohres sind von beiden Seiten eingebeult und in der sie verbindenden Nietnaht unter Sprengung von 27 Nieten auseinander gerissen, wobei der Scheitel des dritten Schusses bis auf 20 mm von der Flammrohrsohle, der des vierten bis auf 320 wm herunterge drückt worden ist, so daß durch die nach hinten klaffende Oeffnung der größte Teil des Wasserinhalts des Kessels rück wärts herausgeschleudert wurde. Die Flammrohrschüffe selbst zeigen außer der durch das Erglühen verursachten Deformation keinerlei Beschädigung, (siehe nachstehende Figuren). -Z—T-z Die gemeinsame gußeiserne Speiseleitung für sämtliche Kessel wurde zertrümmert, mit ihr das Speiseventil des benach barten Kessels. Wasserstandsapparat, Manometer, Speiserück schlagventil, Sicherheitsventil und Ablaßhahn waren in Ordnung. Von Zerstörungen am Kesselhause und an den Nachbar gebäuden ist folgendes zu berichten: Die Hin tere Kopf und linke Seiten wand des Keffelmauer- werks wurde vollständig vom Kessel körper abge drückt und zertrümmert, s.Fig.1. Die ca. 1/2 m hint. dem Kessel liegende Wand Fig. 1- des Kesselhauses wurde unerheblich beschädigt, dagegen die Hälfte der Ziegel des Daches von den Sparren gelöst und fortge schleudert, so daß das Dach erneuert werden muß; ebenso sind zwei gußeiserne Säulen zum Tragen der Dachbinder, die in dem Gange zwischen dem explodierten und den ihm zur linken Seite benachbarten Kessel standen, aus ihrer Lage gerückt worden. Als Ursache der Explosion wurde örtliche Ueberhitzung der beiden Flammrohrschüsse infolge starker Kesselstein- und Schlammablagerung vermittelt. Das zerstörte linke Flammrohr muß im dritten und vierten Schuß glühend gewesen sein, das geht einerseits aus der Art seiner Deformation hervor, die beim kalten Bleche ohne erhebliche Materialzerstörungen nicht denkbar wäre, als auch besonders aus den deutlich wahrnehmbaren An lauffarben der Einsenkungen. Die Ursache dieser Erscheinungen könnte Wassermangel sein, indessen sprechen hiergegen folgende Gründe: 1. Die Einbeulungen und Anlauffarben zeigen sich nur am linken Flammrohr, während das rechte vollkommen unver sehrt geblieben ist. Fig. 2. 2. Das Flammrohr ist von den Seiten her zusammengedrückt während bei Wassermangel die Einsenkung vom Scheitel aus erfolgt. 3. Die für Wassermangel typischen Wasserlinien am Mantel und den Flammrohren fehlen gänzlich. 4. Die größte Tiefe der Einsenkungen mußte ein ebenso tiefes Sinken des Wasserstandes bedingt haben, dann wäre aber der Wasserinhalt des Kessels zu gering gewesen, um am Kesselmauerwerk und am Gebäude derartige Verheerungen anzurichten. Die Ursache der Explosion ist demnach in lokaler Ueber hitzung des zerstörten Flammrohres zu suchen. Die Möglichkeit, daß Oel die Schuld trage, ist zu verneinen, da bei der Bauart des Vorwärmers, durch den in einer Rohrschlange der Abdampf der Fördermaschine geleitet wird, eine Berührung zwischen Dampf