Volltext Seite (XML)
257 Der Kurzschluß. Das illustrierte Fachblatt für die Fortschritte in Technik, Industrie und Kunstgewerbe „Die Welt der Technik" bringt in seiner Nr. 15 Jahrgang 1907 unter der Rubrik Elektrotechnik nachstehende interessante Aufzählung von Kurzschlüssen, die auch unsere Leser interessieren dürften. Der Direktor der Budapester Allgemeinen Elektrizitäts gesellschaft in Budapest, Herr Etienne de Fodor, hat 1000 Kurz schlüsse, wie sie sich innerhalb eines gewissen ununterbrochenen Zeitraumes bei den Budapester Stromkonsumenten der genannten Gesellschaft ereigneten, auf ihre Ursachen geprüft und nachstehend znsammengestellt und im „Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung" veröffentlicht. Von 1000 konstatierten Kurzschlüssen fanden statt: Durch verschiedene Fehler in Lampenfassungen . . . 364 Durch schlechte Drähte in Beleuchtungskörpern . . . 177 Durch Abnutzung der Doppelschnur in Stehlampen . 78 In fest verlegten Doppelleitungen 72 Durch unbeaufsichtigte freie Drahtenden 61 Durch Fehler in Glühlampen 48 Während der Montage von Beleuchtungskörpern . . 41 Durch Umwerfen von Stehlampen 26 Infolge von Uebermut, Neugierde usw 20 Durch Wettereinflüsse 19 Durch schlechte Kontakte in Wandfasfungen .... 18 In Verteilungstafeln ohne Schutzhülle 15 Durch Drehen von Lüstern 15 Durch verschiedene Handwerker 14 Durch unberufene Elektrotechniker ....... 9 In verschiedenen Gebrauchsgegenständen 9 Durch die Kette von Wasserreservoiren 6 Durch abgebrochene Glühlampen . 4 Verschiedenes 4 1ÖÖÖ Aus den Ausführungen, welche Herr Fodor zu den einzelnen Ursachen der Kurzschlüsse macht, heben wir folgende hervor: Gerade unbegreiflich sind die häufigen Kurzschlüsse, welche während der Montage von Beleuchtungskörpern hervorgerufen werden. Es ist ein längst gefühlter Mißstand, daß die Installa teure in manchen Fällen die innere elektrische Einrichtung einer Wohnung Herstellen müssen, ohne daß ihnen manchmal auf die Auswahl und auf die Montage der Beleuchtungskörper, wie Lüster, Wandarme usw-, ein Einfluß eingeräumt würde. Die Installation ist bereits vollständig fertig, wenn hinterher der Lieferant mit seinen Beleuchtungskörpern erscheint und die wit- gebrachten Lüster mit den vorhandenen Leitungen verbindet. Der Lüsterlieferant, der zu Hause die dünnen Drähte schlecht und recht in die mangelhaften Hohlgänge des Beleuchtungskörpers eingezwängt und dabei halb abgeschunden hat, prüft die seiner seits eingezogenen Drähte mit einem primitiven Apparat, mit einer elektrischen Glocke oder mit einem kleinen Galvanometer oder aber er prüft sie gar nicht. Hat er die Beleuchtungskörper an Ort und Stelle angebracht, verbindet er die Lüsterdrähte mit der vorhandenen Leitung, schaltet volle Spannung ein und der Rest ist ein — Kurzschluß. Solange die Einschaltung von seiten der Lüsterlieferanten geschieht, wäre die Sache noch halb wegs verzeihlich, weil der Mann eben kein Berufselektriker ist. Geradezu verblüffend aber ist es, daß die meisten Kurzschlüsse während der Montage von Beleuchtungskörpern durch Leute ge macht werden, die bei elektrischen Firmen ständig als Monteure bedienstet sind und die als Berufs elektriker bei dieser Montage die elementarste Jsolationsprüfung vollständig unterlassen. Diese Monteure machen übrigens nicht nur bei der Montage von Lüstern, sondern auch bei Anbringung der einfachsten Beleuchtungs gegenstände, wie Wandfassungen usw., oder bei der Montage von Ausschaltern usw. Kurzschluß, weil sie es für bequem finden, ihre Arbeit sofort mit voller Stromspannung zu überprüfe«, an statt sich zu diesem Zweck wenigstens eines Galvanometers oder eines Klingelapparates zu bedienen. Verhältnismäßig zahlreich sind die Kurzschlüsse, welche durch Neugierde, Uebermut, oder aber durch das Bestreben hervorge rufen werden, das geheimnisvolle Wesen der Elektrizität zu er gründen. Ein wißbegieriger Junge steckt sein Taschenmesser oder eine Stahlfeder in eine leere Fassung, ein anderer ergründet die Tiefen der Fassung mit dem metallischen Ende eines Regen schirms, ein dritter Jüngling benutzt hierzu ein Stück Eisendraht, ein vierter stochert mit einer Gabel in der Fassung herum, ein fünfter steckt eine Haarnadel in die Fassung, ein sechster bohrt mit einem Zirkel herum usw. Aehnliche Neugierde bekunden Diener, Stubenmädchen, die ebenfalls mit Messern, Drahtstücken, Nägeln, Schraubenziehern die Fassung ausfüllen. Die dienstbaren Geister werden auch manchmal von den Töchtern des Hauses abgelöst, die mit Vor liebe Schuhknöpfler, Stecknadeln, Stricknadeln, Blechstreifen aus Korsetts usw. zu ihren elektrischen Forschungen benutzen. Aber selbst ältere und intelligente Personen sind von Neu gierde und Uebermut nicht frei und manipulieren mit den ver schiedensten Gegenständen in leeren Fassungen, Wandkontakten usw. herum. Um nur ein Beispiel anzuführen, wollen wir einen sehr intelligenten, aber von Rheuma geplagten Herrn erwähnen, der einen Kupferdraht in eine Fassung steckte, um sich auf diese Weise zu „elektrisieren". Anläßlich von Reparaturen, Reinigungen und verschiedenen Handwerksarbeiten in Wohnungen, in welchen die elektrischen Leitungen bereits installiert sind, geschehen ebenfalls zu wieder holten Malen Kurzschlüsse. Zimmermaler überstreichen offene Verteilungsschalttäfelchen oder Doppelschnüre mit Farbe, verlegte Leitungsschnüre werden von Maurern heruntergerissen oder ent zwei geschnitten, Tischler schlagen in unter Putz befindliche Leitungen Haken ein, Tapezierer verletzen mit Nägel die in der Mauer befindlichen Drähte oder vergreifen sich an Doppelschnüren usw. Andere Handwerksleute manipulieren in unvorsichtiger Weise mit Leitern und verursachen durch zerbrochene Lampen und beschädigte Fassungen etliche Kurzschlüsse. Dieselben Unfälle werden auch anläßlich des Wohnungswechses durch unvorsichtigen Transport von Möbelstücken hervorgerufen. Bezeichnend ist, daß viele Kurzschlüsse durch Leute verursacht werden, welche den Elektrotechnikern ins Handwerk pfuschen wollen. In einem mit brennbaren Waren gefüllten Modewaren geschäft bemerkte ein Handlungsgehilfe, daß eine von ihm ein geschraubte Glühlampe nicht den Boden der Fassung berühre. Rasch entschlossen nahm er ein Stückchen Blech und legte es auf den Boden der Fassung, damit der Kontakt zwischen letzterem und dem Lampensockel hergestellt werde. Beim Einschrauben der Lampe war natürlich der Kurzschluß fertig. Ein anderer Handlungs gehilfe wollte an einem Verteilungsbrett seine elektrotechnische Fertigkeit bekunden und fuhr mit einer Zange zwischen die nackten Kontaktstücke, wobei es natürlich Feuer gab. Zahlreich sind die Fälle, wo Handlungsgehilfen und andere Bedienstete Fassungen, Stechkontakte, Leitungen usw. reparieren wollen und sich dabei die Hände verbrennen, ja es ist schon vorgekommen, daß sogar Küchenmädchen und andere weibliche dienstbare Geister den Elektro techniker spielen wollten, Leitungen mit dem Küchenmesser ab- schnitten, Drähte zusammenbanden usw. Ein Herr wollte sich die Mithilfe eines Elektrotechnikers ersparen, montierte eigenhändig einen Lüster ab und durchschallt die unter Strom befindlichen Leitungen mit einer Kneipzange, und zwar beide Pole auf ein mal. Daß er sich hierbei die Finger verbrennen würde, hatte er nicht vorausgesehen. In den meisten Haushaltungen werden, wie bereits er wähnt, die Lüster einer periodischen Reinigung unterworfen. Die hiermit betraute Person, anstatt nun um den Lüster herum zugehen, zieht es vor, auf einem fixen Standplatz zu bleiben und den Lüster so lange einer Drehung zu unterziehen, als es die Länge der am Plafond in einer Schale verborgenen Leitungs drähte gestattet. Diese Drähte werden während des Reinigens des Lüsters wie ein Seil zusammengedreht, ihre Isolation wird brüchig und beim Einschalten des Lüsters ist der Kurzschluß da. Zu den merkwürdigsten, sich aber häufig wiederholenden Kurzschlüssen gehört folgender: In den Klosetts werden gewöhnlich einfache Wandarme montiert. Irgend eine schablonenhafte Anordnung oder eine un verständige Gewohnheit bringt es mit sich, daß dieser Wandarm gerade unter dem Wasserreservoir angebracht wird, dessen Schwimmer