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198 wie zwei Gestirne, deren Bahnen sich niemals schneiden oder auch nur berühren; der eine ist nicht der Vorgesetzte, aber auch nicht der Untergebene des anderen. Jeder hat seine Arbeit für sich zu verrichten, das Verlangen, ihm dabei zu helfen, kann der andere mit der Bemerkung: Hilf dir selbst! ablehnen. Selbst verständlich steht es dem gemeinsamen Prinzipal frei, die geeigneten Anordnungen zu treffen, damit aus diesem Nebeneinander ein Miteinander werde, aber wo er solche besonderen Bestimmungen nicht getroffen hat, verrichtet jeder seinen Dienst, ohne nach dem andern zu fragen oder sich um ihn zu kümmern. Soweit es sich um zwei Gehilfen handelt, wird man das in gewissem Sinne verständlich finden, sich dagegen aber ohne weiteres der Ansicht zuneigen, daß dort, wo Gehilfe und Lehrling einander gegenüberstehen, sich von Haus aus ein Subordinations verhältnis ergeben müsse. In der Tat pflegt auch jeder noch so jugendliche Gehilfe in sich den Beruf zu fühlen, nicht nur den Lehrer, sondern auch den Erzieher und sogar den Straf richter gegenüber dem Lehrling seines Prinzipals zu spielen; wo er einem Fehler oder einer Ungehörigkeit begegnet, greift er nicht nur lehrend und warnend, sondern nicht selten auch mit einer Züchtigung ein. Mag nun aber die Ohrfeige, die er dem Lehrlinge wegen einer Unaufmerksamkeit oder wegen irgend einer Unart verabreicht, noch so wohl verdient sein, so stellt sie dennoch eine rechtswidrige, ja sogar eine strafbare Handlung dar, sie ist eine Körperverletzung im eigentlichen Sinne des Wortes und kann, so wunderbar es auch für manchen klingen mag, wenn der erforderliche Strafantrag in gehöriger Weise gestellt ist, zur Verurteilung des wohlmeinenden Gehilfen führen. Der K 127 s der Gewerbeordnung sagt, daß der Lehrling der „väterlichen Zucht des Lehrherrn unterworfen" ist, und die Gerichte haben in Uebereinstimmung mit der Rechtswissenschaft diesen Satz stets dahin ausgelegt, daß nur der Lehrherr allein die aus der väterlichen Zucht fließenden Befugnisse auszuüben vermag, daß er aber nicht in der Lage ist, sich hierin von einem anderen vertreten zu lassen. Es steht hier, wie man es in der Juristen sprache zu bezeichnen pflegt, ein höchst persönliches Recht in Frage, das von seinem ursprünglichen Träger, also hier dem Lehrherrn, nicht gelöst werden kann. Wenn sich daher der Lehrling irgend etwas zu schulden kommen läßt, so darf selbst derjenige, der zu seiner Unterweisung und Anleitung vom Meister bestellt worden ist, ihn deshalb nicht abstrafen, sondern er muß die Sache seinem Prinzipal selbst melden, der dann darüber zu befinden und die Strafexekutionen, die ihm angemessen erscheinen, selbst vorzunehmen hat. Die Sache liegt hier nicht anders, wie etwa beim Militär, wo auch der Unteroffizier, ja selbst der Leutnant keine Strafgewalt über den ihm untergebenen Mann besitzt, sondern die einzelnen Vorfälle, die ihm strafwürdig erscheinen, dem zuständigen Abteilungschef, also dem Hauptmann oder dem Rittmeister, melden muß, der seinerseits Träger der Strafgewalt ist. Es kann zugegeben werden, daß in dem hastigen Treiben des praktischen Lebens es nicht immer ganz bequem und oft vielleicht auch garnicht einmal zweckmäßig sein mag, daß insbesondere ein älterer Gehilfe, zumal wenn er die Aus bildung des Lehrlings übernommen hat, sich beschwerdeführend an den gemeinschaftlichen Dienstherrn wenden muß, allein das Gesetz hat es so gewollt, und zwar aus Gründen, denen man die Billigung nicht wohl wird versagen dürfen. Der Lehrling soll nicht mehr, wie es in früheren Zeiten wohl geschehen sein mag, der Prügelknabe für die ganze Werkstatt sein, so daß jeder Gehilfe seine üble Laune an ihm ausüben, sein Mütchen an ihm kühlen darf, sondern einer allein, der auch nach außen hin die Verantwortung dafür trägt, der Lehrherr, ist dazu berufen, mit geeigneten Strafen dem Erziehungswerke nachzuhelfen. Man darf nicht vergessen, daß die Befugnisse, deren er sich hierbei erfreut, auch immer nur eine Abzweigung sind von der eigentlichen väterlichen Gewalt, und daß der Lehrherr darüber, wie er sich ihrer bedient, unter Umständen Rechenschaft geben muß. Das hindert aber natürlich nicht, daß trotzdem zwischen dem Lehrling und dem Gehilfen, der seine Ausbildung in dem Betriebe des Lehrherrn leitet, ein straffes Verhältnis der Ueber- und Unterordnung bestehe. Das Gesetz will durchaus, daß eine straffe Zucht gehandhabt werde, und es hält keineswegs für wünschenswert, daß man den Lehrling etwa verhätschele oder verweichliche. Der bereits angeführte 8 127 a der Gewerbe ordnung erklärt denn auch ausdrücklich, daß der Lehrling „dem Lehrherrn, sowie demjenigen, welcher an Stelle des Lehrherrn die Ausbildung zu leiten hat, zur Folgsamkeit und Treue, zu Fleiß und anständigem Betragen verpflichtet" ist. Und damit spricht es keineswegs bloß einen frommen Wunsch aus, der erfüllt werden oder auch unberücksichtigt bleiben kann, sondern es legt hierauf so viel Gewicht, daß nach 8 127 b Abs. 2 der Lehrling, der es in dieser Hinsicht schuldhafterweise an sich fehlen läßt, davongejagt werden darf. Von den Beziehungen, welche aber zwischen dem Lehrlinge und den übrigen Gehilfen seines Meisters, die nicht zu seiner Ausführung bestimmt worden sind, obwalten, sagt das Gesetz nichts, und man wird sich hier lediglich auf die Ergebnisse beschränken müssen, zu denen Uebung und Gepflogenheit im Handwerke geführt haben. Aber auch hier muß man zwischen Gebrauch und Mißbrauch sorgfältig unterscheiden. Selbstver ständlich ist der Lehrling, wie kaum gesagt oder vollends erläutert zu werden braucht, zu einem gewissen respektvollen Verhalten den Gehilfen seines Meisters gegenüber verpflichtet, er hat ihnen auch die herkömmlichen kleinen Dienste zu leisten, denen er sich unterziehen kann, ohne daß darunter seine Ausbildung zu leiden braucht, er hat von ihnen Tadel und Weisung entgegenzunehmen; selbst wenn ihnen seine Anleitung und Ausbildung nicht obliegt, aber damit ist auch die Grenze dessen erreicht, was einem solchen Gehilfen dem Lehrlinge gegenüber zusteht. Wo immer aber die Grenze zwischen dem, was erlaubt und was unstatthaft oder unklar sein könnte, muß man sich gegenwärtig halten, daß der Lehrling unter einem ganz besonderen, man darf wohl sagen liebevollen Schutze des Gesetzes steht, daß die Rechtsordnung Gewicht darauf legt, daß er ungestört und ungefährdet dem Ziele entgegengeführt werde, und daß er verschont bleiben soll von jedem Mißbrauche, der etwa mit seiner Jugend, seiner Unerfahrenheit und seiner Hilflosigkeit getrieben werden könnte. Es ist mit vollem Bedachte geschehen, wenn das Gesetz in 8 127, Abs. 1 der Gewerbe-Ordnung unter den Verpflichtungen des Lehrherrn auch erwähnt: „Er hat ihn gegen Mißhandlungen seitens der Arbeits und Hausgenossen zu schützen und dafür Sorge zu tragen, daß dem Lehrlinge nicht Arbeits-Verrichtungen zugewiesen werden, welche seinen körperlichen Kräften nicht angemessen sind". Und im Zusammenhänge hiermit steht es, wenn am Schluffe des folgenden Absatzes gesagt wird: „Zu häuslichen Dienstleistungen dürfen Lehrlinge, welche im Hause des Lehrherrn weder Kost noch Wohnung erhalten, nicht herangezogen werden." Darf dies schon der Meister selbst nicht, um wieviel weniger dann seine Gehilfen. Aus der Praxis des Maschinenbetriebes. Betriebsstörungen infolge Uebergang ,uni Ar beiten nrit überhitztem Dampf. An einer größeren Dampf anlage, bestehend aus drei Kesseln und Compounddampfmaschine mit Rundschieber und Korlißsteuerung, wurde, wie „Dampf" mitteilt, zur Ueberhitzung des Dampfes übergegangen, da man dadurch die notwendige Vergrößerung der Anlage noch glaubte ein paar Jahre hinausschieben zu können. In letzter Zeit mußte die Anlage sehr angestrengt arbeiten, um dem Betriebs bedürfnis nach Kraft zu entsprechen, mit der Ueberhitzung er hoffte man daher mit Recht einen minder forcierten Betrieb und daherige Kohlenersparnis, die auch genau der Voraus berechnung des Ingenieurs eintrat. Dafür aber gab es fast täglich eine Betriebsstörung, einmal schweißte ein Kupferbogen oder eine Flanschenpackung, dann saß wieder einer der Rund schieber fest, trotz mehr als reichlicher Schmierung. Bevor man aber zu einem Entschluß gekommen war, ob man die Ueber hitzung ausschalten und mit forciertem Betrieb wieder weiter arbeiten soll oder ob man die Schiebersteuerung des Hochdruck zylinders in eine Ventilsteuerung umbauen soll, riß eines Tages ein Kupferbogen auf und nur der Entschlossenheit des Maschi nisten war es zu verdanken, daß es kein weiteres Unglück gab,