Volltext Seite (XML)
187 bilden, der aus den diesjährigen Ueberschüssen gebildet werden soll. Er soll im Laufe der Jahre, ebenfalls aus Ueberschüssen, bis auf 10 Millionen Pfund (200 Millionen Mark) erhöht werden. Zunächst sollen mit den ersten 20 Millionen Mark die auf 600 000 geschätzten besonders bedürftigen Personen über 75 Jahre unterstützt werden, was natürlich nur in einem außer ordentlich bescheidenen Umfange nach Maßgabe der vorhandenen Mittel geschehen kann. Die spätere Durchschnittsleistung soll 5 Mark wöchentlich betragen und sich auf alle bedürftigen Personen, sofern sie als Briten geboren, nicht wegen Verbrechen bestraft, weniger als 10 Mark wöchentliches Einkommen haben und über 65 Jahre alt sind, erstrecken. Die Zahl der nach diesen Be stimmungen zu berücksichtigenden Personen wird auf 3 Millionen geschätzt. Die Zinsen dieses Fonds würden 8 Millionen Mark betragen. Wenn auch die möglichen Leistungen aus dieser Alters versicherung hinter der deutschen beträchtlich Zurückbleiben würden, so bedeuten sie doch wenigstens einen Anfang, der auch den englischen Arbeiterorganisationen zu Gute kommen würde. Bisher hatten diese mangels einer staatlichen Versicherung für die Unterstützung ihrer Mitglieder außerordentlich hohe Aufwendungen zu machen. Im Jahre 1905 wurden nach dem kürzlich erschienenen 3. internationalen Bericht des internationalen Sekretärs der gewerkschaftlichen Landeszentralen allein für Jnvalidenunterstützung 5 454878 Mark ausgegeben. Diese Summe bezieht sich auf 60,40/g der insgesamt organisierten 1866 753 englischen Arbeiter. Durch die staatliche Altersversicherung würde dieser Betrag nicht unbeträchtlich verringert werden. In Deutschland wurden im gleichen Jahre und für denselben Zweck, (jedoch bezogen auf 94,80/g aller organisierten 1822 343 Arbeiter) nur 273 960 Mark aufgewendet. Ein raffinierter Racheakt. Wie uns aus Philadelphia mitgeteilt wird, so berichtet „Dampf", Andelfingen, hat sich dort kürzlich ein Fall zugetragen, der in den Annalen des Dampfbetriebes wohl einzig dastehen dürfte. In einem großen Etablissement mit weit ausgedehntem Dampfbetrieb, das einer englischen Firma gehört, sind, wie wohl verständlich, alle bessern Stellen von Engländern besetzt, die untere Arbeiterklasse dagegen besteht aus neu Eingewanderten, meist aus Slaven und Italienern. Auch die Heizer in dieser Fabrik gehörten diesen Nationen an, und wurden, da sie eben keine gelernten Heizer waren, streng beaufsichtigt und unter scharfer Kontrolle gehalten. Aus diesem Grunde war der Ober heizer der bestgehaßte Mann im Kesselhause, den man schon längst totgeschlagen, wenn sich hierzu eine Gelegenheit geboten hätte. Vor einiger Zeit sollten einige Dampfkessel gereinigt werden und die Heizer dieser Abteilung hatten diese Arbeit zu verrichten. Dem Oberheizer ging diese Arbeit aber viel zu langsam vor sich, weshalb er selbst wiederholt in die zu reinigenden Kessel stieg, wobei er die Heizer zumeist untätig oder schlafend vorfand. Natürlich gab es da jedesmal einen Auftritt, der den Haß der heißblütigen Arbeiter nur noch steigerte. Als endlich der letzte Kessel gereinigt war, begab sich der Oberheizer auch in denselben, um die Arbeit zu kontrollieren. Kaum aber war er im Kessel, so drückten sich die Heizer einer nach dem andern aus demselben, so daß schließlich sich der Oberheizer ganz allein im Kessel befand. Er achtete das Verschwinden der Heizer erst, als ihm niemand mehr eine Antwort gab. Da er aber den Rachedurst seiner Leute kannte, kroch er auch schnell zurück und sah, zum Mannloch aufblickend, gerade noch zwei Beine verschwinden, und im nächsten Augenblick den Mannlochdeckel einhängen. Natürlich wußte er sofort, wessen er sich zu versehen hatte, und er ergriff, so schnell er konnte, den Maunlochdeckel, um ihn herunterzureißen; dabei erhielt er aber einen Schlag auf die Finger, so daß er den Deckel loslassen mußte, dafür steckte er einen Meißel, den er bei sich trug, zwischen die Dichtungsfugen, wodurch der Kessel wenigstens nicht ganz geschlossen werden konnte. Gleichzeitig hörte er das Wasser in den Kessel brausen, Kohlen auf den Rost werfen und das Feuer prasseln. Er sah nun bald, was man mit ihm im Sinne hatte und rief aus Leibeskräften um Hülfe; auch zog er seine Schuhe aus und hämmerte mit den Absätzen gegen die Domwand. Unterdessen war die Luft im Kessel kaum mehr zu atmen, auf den Feuerröhren konnte er wegen der heißen Bleche nicht mehr stehen, schließlich versagte ihm noch die Stimme und er konnte nur noch mechanisch an die Domwand schlagen. Zwischen hinein hörte er seine Heizer pfeifen und singen, und das Wasser im Kessel hatte bereits den Dom erreicht. Da fiel ihm plötzlich der Meißel, den er in die Dichtungsfuge des Domdeckels gesteckt hatte, auf den Kopf, und überrascht aufschauend, sah er den Domdeckel abheben, sich beim Kragen fassen und aus dem Kessel ziehen, wo er dann ohnmächtig liegen blieb. Die Rettung in der Not verdankte er seiner Frau: sie kam in die Fabrik, um ihren Mann einen pressanten Bericht abzu statten, fand ihn aber nirgends; sie suchte deshalb den Chef maschinisten auf, der natürlich den Oberheizer im Kesselhause beim Kesselreinigen vermutete. Dort angekommen, sah er zwar den Oberheizer nicht, dafür aber sah er, daß ein Kessel geheizt wurde, in welchem das Wasser viel zu hoch gespeist war und gleichzeitig hörte er eigentümliches Klopfen im gleichen Kessel; er fragte daher die Heizer, was das zu bedeuten habe, diese wollten ihn aber nicht verstehen; er kletterte deshalb, nichts gutes ahnend, schnell auf den Kessel, riß den Mannlochdeckel weg und fand seinen Kameraden fast tot im Kessel vor. Als die Heizer ihre Tat entdeckt sahen, verschwanden sie aus dem Kesselhause, so schnell sie konnten; aber der Maschinist war noch schneller, er sprang an das Telephon, läutete den Portier an und befahl ihm, niemand aus der Fabrik zu lassen, bis die Polizei zur Stelle sei. Einen weitern Bericht erstattete er noch der Direktion, die dann die Verhaftung der Heizer anordnete. Wie man zu einer Strafe kommen kann! In Nr. 57 der „Dresdner Neuesten Nachrichten" befindet sich nachfolgender Bericht über eine Gerichtsverhandlung, in welcher ein Kollege auf ganz sonderbare Weise eine Bestrafung über sich ergehen lassen mußte: Das Kesselhaus der Badeanstalt zur Hoffnung liegt unmittelbar an der Hofmauer des Nachbargrundstücks, und ist nur mit einem Pappdach abgedeckt. Die Ander des Nachbar grundstückes machten es sich nun öfters zum Vergnügen, von der Hofmauer aus auf das vorgenannte Pappdach zu klettern und allerhand Unfug zu treiben. Trotz wiederholter Er mahnung seitens des betreffenden Heizers, dies zu unterlassen, trieben sie ihr Spiel weiter. So warfen sie auch einmal Steine in die Betriebsmaschine und schlugen Fenster ein, kurz dem Heizer wurde die Sache zu bunt und eines Tages, als die Kinder wieder ihr Wesen trieben, kletterte er auf das Dach, um die Störenfriede zu verscheuchen resp. zu stellen. Selbst verständlich ergriffen die Kinder bei seinem Erscheinen die Flucht, nur einer blieb stehen, gab jedoch, als der Heizer ihn fassen wollte, ebenfalls Hasenpanier, verfehlte jedoch bei seiner Flucht den sonst üblichen Abstieg und stürzte in den Hof, wodurch er den Oberschenkel brach. Anstatt nun die Eltern dem Kinde den Hosenboden mit einer Portion ungebrannter Asche versahen, gingen sie lieber zum Kadi und zeigten den Heizer an. Der Erfolg dieses war, daß der Heizer unter die Anklage „der gefährlichen Körperverletzung" gestellt wurde. Nachdem das Verfahren sämtliche Instanzen durchlaufen hatte, fällte das Dresdner Oberlandesgericht den Richterspruch, in welchem daß Vorurteil bestätigt und der Angeklagte zu 150 Mark Geldstrafe oder Haft verurteilt wurde. In der Begründung dieses Urteils wurde unter anderem darauf hingewiesen, daß der Heizer habe wissen müssen oder annehmen mußte, daß durch sein Erscheinen auf dem Dache die Kinder erschrecken würden und dadurch der Tatbestand der Fahrlässigkeit genügend gedeckt sei. Hat man diesen Bericht gelesen und sich in die Lage des betreffenden Kollegen versetzt, so fragt man sich unwillkürlich, konnte hier eine Bestrafung möglich sein? Oder wäre es richtiger gewesen, der Kollege hätte sich nicht um die Kinder ge kümmert und auf diese Weise schließlich einen weit größeren Unglücksfall herbeigeführt? Nach den Buchstaben des Gesetzes möchte man letzteres mit „Ja" beantworten, denn in dem Falle würde dem Kollegen wohl kaum eine Schuld beizumessen gewesen sein, da sich doch die Verantwortung eines Heizers in der Haupt sache nur auf den Kessel und die Maschine bezieht, und für