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186 zu bezeichnen, wenn auch in den einzelnen Branchen die Be schäftigung in den letzten Monaten zurückgegangen ist. Chemische Industrie und Textilindustrie waren mit Aufträgen ebenfalls im allgemeinen gut versehen. Einen starken Anteil an der Steigerung der Beschäftigung im März hat das Baugewerbe, obgleich an einer Reihe von Bauten die Verhältnisse im Baugewerbe durch bevorstehende oder bereits ausgebrochene Streiks und Aus sperrungen nicht unwesentlich beeinträchtigt wurden. Ueberhaupt war der Berichtsmonat durch eine Reihe größerer Arbeitsstreitig keiten charakterisiert, in einzelnen Fällen gelang es, eine gütliche Einigung der Parteien herbeizuführen (Holzarbeiteraussperrung, Arbeitsstreitigkeit im Hamburger Hafen und im deutschen Schneidergewerbe). Hohe Arbeitslosenziffern, die auf eine nicht günstige Arbeitsgelegenheit in den betreffenden Branchen schließen lassen, werden gemeldet aus den Gewerben der Bildhauer, Glaser, Friseure und Bäcker. Die Beschäftigungsziffer bei den an das Kaiserliche Statistische Amt berichtenden Krankenkassen war am 1. April um 100942 Personen höher als am 1. März; im Vorjahr betrug die Steigerung in der gleichen Zeit 79867 Personen. Besonders beachtenswert ist der starke Rückgang der erwerbsunfähig krank Gemeldeten; ihre Ziffer bei den berichtenden Krankenkassen war am 1. April um 35711 geringer als am 1. März. Bei den Arbeitsnachweisen gestaltete sich nach den vorliegenden Berichten die Arbeitslage im allgemeinen günstig. Die Arbeitslosenziffer der an die periodische Arbeitslosenstatistik des Kaiserlichen Statistischen Amts angeschlossenen Arbeitnehmer verbände stellte sich an den drei Stichtagen im Januar, Februar und März auf 1,7, bezw. 1,6, bezw. 1,3 o/o der Mitglieder der angeschlossenen Verbände. Die Verkehrseinnahmen aus dem Güterverkehr deutscher Eisenbahnen waren im März 1907 um 5725228 höher als im gleichen Monat des Vorjahres; es bedeutet dies gegen das Vorjahr eine Mehreinnahme von 76 ^ oder 2,88 o/o auf den lrm. Zur Neugestaltung der Lifenbahnfahrpreise ab f. Mai. Am 1. Mai trat bekanntlich auf den deutschen Eisen bahnen die Neuregelung der Personen- und Gepäcktarife ein, die für den inneren Verkehr der Sächsischen Staatsbahnen wichtige Aenderungen mit sich bringt. Zunächst ist zu erwähnen der Wegfall der gewöhnlichen Rückfahrkarten, der Arbeitermonats karten, der Arbeiterrückfahrkarten, der festen Rundreisekarten und der Sonntagskarten, sowie die Einziehung der Fahrpreisermäßigung für 30 Personen (Gesellschaftsfahrten). Dagegen bleiben die Monatskarten, Schülerkarten und Arbeiterwochenkarten beibehalten. Beiden Preisen der gewöhnlichen einfachen Fahrkarten I.bislll.Klasse für Personenzüge tritt eine Ermäßigung ein, denn an Stelle der bisherigen Einheitssätze für das Kilometer von 8 Pf. in I., 6 Pf. in II. und 4 Pf. in III. Klasse treten die folgenden: 7 Pf. in I.. 4,5 Pf. in II. und 3 Pf. in III. Klasse. Für die Benutzung von Schnellzügen werden feste Zonenzuschläge einge führt, welche betragen: für 1 bis 75 Kilometer 50 Pf. in I. und II. und 25 Pfg. in III. Klasse, für 76 bis 150 Kilometer 1 Mk. in I. und li. und 50 Pfg. in III. Klasse, für Ent fernungen über 150 Kilometer 2 Mk. in I. und II. und 1 Mk. in III. Klasse. Die Schnellzugspreise werden durch Zusammen rechnen der Personenzugspreise mit obigen Zuschlägen gebildet. Platzgebühr für D-Züge wird nicht mehr erhoben. Hiernach tritt künftig für die einfache Fahrt (mit ganz vereinzelten, durch den Fahrkartenstempel hervorgerufenen Ausnahmen bei Fahrpreisen I. Klasse) sowohl in Personen-, als auch in Schnellzügen eine kleine Verbilligung in der II. und III. Klasse ein, bei Hin- und Rückfahrt dagegen eine immerhin erhebliche Erhöhung der Fahrpreise. Ausgenommen ist hiervon die III. Klasse, für die sich bei Hin- und Rückfahrt in Schnellzügen zumeist kleine Er mäßigungen ergeben. Gepäckfreigewicht kommt in Fortfall. An Stelle des jetzigen kilometrischen Gepäcktarifs für 10 lrA tritt ein nach Entfernungszonen und Gewicht abgestufter Gepäcktarif mit herabgesetzten Preisen. Dieser Tarif kommt aber nur bei Vorlegung von Fahrkarten zur Anwendung. Auch für die zu sammenstellbaren Fahrscheinhefte des Vereins Deutscher Eisen bahnverwaltungen werden — soweit deutsche Strecken betroffen werden — veränderte, von den bisherigen jedoch nur unwesent lich abweichende Fahrpreise eingeführt. Rechts- und Gesetzeskunde, entkclieidllng -es SäcliMclien Kan-esvepsicliei'ungs-ffmtes rä. wann ist Lungenbluten als Betriebsunfall anruseben. Ein Arbeiter litt einige Zeit an Bluthusten. Als er genesen war, nahm er sogleich wieder eine Beschäftigung an, in der er genötigt war, schwerere Metallstücke zu heben und zu tragen. Bei einer solchen Gelegenheit wurde er von Lungen bluten befallen, und wiewohl er vorerst noch einige Tage weiter arbeitete, verschlimmerte sich sein Zustand dermaßen, daß er seine Tätigkeit einstellen mußte. — Er verlangte nun die Unfallrente, die ihm jedoch von den beiden ersten Instanzen nicht gewährt wurde, da sie der Meinung waren, es handle sich hier um kein Leiden, das durch einen Betriebsunfall entstanden sei, sondern lediglich um die Verschlimmerung einer Krankheit, die schon lange vorher bestanden habe. Zu dieser Ansicht waren die Behörden besonders auf Grund des Gutachtens des be handelnden Arztes gelangt, das sich dahin aussprach, der Kranke habe schon früher an Lungentuberkulose gelitten, es sei daher anzunehmen, daß die Lungenblutung auch ohne das Tragen des schweren Stückes eingetreten wäre. — In letzter Instanz hat jedoch das Sächsische Landesversicherungsamt den Kläger die volle Unfallrente zugesprochen. Allerdings sei die letzte Ursache der Lungenblutung das Tragen des Eisenstückes gewesen und es sei auch garnicht zweifelhaft, daß die Blutung auf tuberkulöser Grundlage beruhe. Indessen hatte bis zu dem fraglichen Tage die bei dem Kläger vorhandene Krankheit zur Erwerbsunfähigkeit desselben noch nicht geführt, während mit der Blutung eine Verschlimmerung des Leidens einsetzte, die zur völligen Arbeits unfähigkeit des Klägers führte. Der entscheidende Umschwung in dem Leiden des Klägers, welcher die Erwerbsunfähigkeit desselben zur Folge hatte, ist also erst durch den Unfall herbei geführt worden, und sonach liegt ein unmittelbarer Zusammen hang zwischen Unfall und Eintritt der Erwerbsunfähigkeit vor. — Auf Grund dieser Erwägungen mußte dem Kläger die beanspruchte Vollrente zugebilligt werden. (Nachdruck verboten). Snffclieidimg -es SacliMclien obepvei'wallungsgei'iclils. rä )ft das Mitglied einer Arankenkasse berechtigt, die Hilfe des Uaffenarstes ans dem Grunde nicht in Anspruch ;u nehmen, weil es kein vertrauen ?u ihm hat? Ein erkranktes Kassenmitglied nahm die Hilfe eines zu der Kasse in keinem Vertragsverhältnis stehenden Arztes in Anspruch und forderte von der Kasse die ihm durch Konsultation „seines" Arztes entstandenen Kosten zurück. Die Kasse weigerte sich, Zahlung zu leisten, und das Sächsische Oberverwaltungs gericht, welches über diesen Fall endgültig zu entscheiden hatte, hat ihr recht gegeben. Nach § 26a, Ziffer 2d des Kranken versicherungsgesetzes hat die ärztliche Behandlung nur durch bestimmte Aerzte zu geschehen, und danach muß sich jedes Kassenmitglied richten. Ein erkranktes Kassenmitglied kann also nicht schon deshalb verlangen, daß ihm die Kosten zur Inanspruchnahme eines anderen Arztes bewilligt werden, weil es kein Vertrauen zu dessen Behandlung hat. Freilich könnte ein derartiger Anspruch unter gewissen Umständen als berechtigt erscheinen, nämlich dann, wenn der Patient in der Lage wäre, sein Mißtrauen gegen den Kassenarzt auf ganz bestimmte Tatsachen zu stützen. Denn dann wäre ja die Befürchtung gerechtfertigt, daß dieser Arzt nicht geeignet sei, die vom Gesetz gewollte, d. h. die zur Genesung des Kranken erforderliche Hilfe zu leisten. — Da im vorliegenden Falle das Kaffen- mitglied aber nichts derartiges nachgewiesen hat, so war der von ihm erhobene Anspruch abzuweisen. (Nachdruck verboten). Gewerblich-Soziales. sr. Altersversicherung in England. Auch England will dem Muster anderer Kulturstaaten folgen und den Weg der obligatorischen Arbeiterversicherung beschreiten. Die treibende Kraft dieser Bewegung ist die englische Arbeiterpartei, die bekanntlich durch den Ausfall der letzten Wahlen auch im Parlament einen festen Stützpunkt gefunden hat. Zunächst soll die Alters fürsorge in Angriff genommen werden. Die Grundlage hierfür soll ein Fonds von 1 Million Pfund (20 Millionen Mark)