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126 Berufe umsonst erworben. Bei der Frage, welchem Beruf ein junger Mann zugeführt werden soll, darf deshalb auch nicht vergessen werden, Erkundigungen darüber einzuziehen, welche Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt des betreffenden Erwerbs zweigs vorherrschen. Die Rechtsfähigkeit der Berufsvereine. (Schluß). 8 20. Die im 8 19 Abs. 2 vorgesehene Bescheinigung wird auf den Antrag des Vorstandes des Vereins von der Landes-Zentralbehörde oder der von dieser bestimmten Behörde ausgestellt. Wird diese Bescheinigung versagt, so sind die Gründe mit zuteilen. Tritt in der Satzung des Vereins eine Aenderung ein, so ist von Amts wegen zu prüfen, ob der Verein dem im ß 19 Abs. 1 bezeichneten Voraussetzungen auch ferner entspricht. Nach dem Ausfälle dieser Prüfung ist die Bescheinigung von neuem zu erteilen oder zu widerrufen. Die Bescheinigung kann ferner widerrufen werden: 1. wenn in den Verhältnissen des Vereins eine Aenderung eintritt, die, falls sie vor der Ausstellung der Bescheinigung bereits vorhanden gewesen wäre, die Versagung der Bescheinigung gerechtfertigt haben würde; 2. wenn der Verein eine Arbeiteraussperrung oder einen Arbeiterausstand herbeiführt oder fördert, die mit Rück sicht auf die Natur oder die Bestimmung des Betriebs geeignet sind, die Sicherheit des Reichs oder eines Bundesstaats zu gefährden, eine Störung in der Ver sorgung der Bevölkerung mit Wasser oder Beleuchtung herbeizuführen, oder eine gemeine Gefahr für Menschen leben zu verursachen. Solange die erteilte Bescheinigung nicht widerrufen ist, liegt dem Vorstande des Vereins die im 8 11 Abs. 2 bezeichnete Verpflichtung ob. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung können die Mitglieder des Vorstandes und die Liquidatoren von der Verwaltungsbehörde nach Maßgabe des 8 16 Abs. 2 durch Ordnungsstrafen angehalten werden. 8 21. Auf Abteilungen (Zweigvereine, Ortsvereine, Orts gruppen, Zahlstellen usw.) eines im Besitze der Bescheinigung (Z 19 Abs. 2) befindlichen Vereins, die nach Maßgabe seiner Satzung für gewisse Bezirke gebildet werden, finden die Vor schriften des Z 18 entsprechende Anwendung. III. Abschnitt. Schlußbestimmungen. 8 22. Wird die Satzung eines Vereins der im 8 I be zeichneten Art, der in das Vereinsregister nach Maßgabe der Vorschriften der 88 55ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs einge tragen ist, dahin geändert, daß der Verein als Berufsverein ein getragen werden soll, so erfolgt die Eintragung der Aenderung in das Vereinsregister gebühren- und stempelfrei. 8 23. Dieses Gesetz tritt am in Kraft. Zum Schluffe sei noch das Urteil über diesen Gesetzent wurf bekannt gegeben, welches der Ausschuß der Gesellschaft für Soziale Reform in einer Sitzung in Berlin fällte. Die Resolution, worin der Ausschuß seine Ansicht über den Entwurf niederlegte, ist einstimmig angenommen worden und lautet: „Auf Grund der Referate der Reichstagsabgeordneten Bassermann und Gisberts hat der Ausschuß der Gesellschaft für Soziale Reform am 4. Mai 1901 „ein Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Berufsvereine als Notwendigkeit und Gebot der Gerechtigkeit" gefordert. Indem der Ausschuß an diesem Verlangen festhält, gibt er der Ueberzeugung Ausdruck, daß der jetzt dem Reichstag vorliegende Entwurf in sehr vielen und wichtigen Punkten den Bedingungen widerspricht, deren Er füllung für eine freie und gedeihliche Entwicklung der Berufs vereine — und zwar derjenigen der Arbeitgeber und der Arbeit nehmer nötig ist. Rückhaltslos wird der Fortschritt anerkannt, den die Vorlage durch die vermögensrechtliche Sicherung und die Erweiterung des Koalitions- und Vereinsrechtes den Berufs vereinen gewährt. Aber dieser Fortschritt wird gehemmt, ja zerstört durch die Einschnürung der Bewegungsfreiheit und das willkürliche Ermessen der Aufsichtsbehörden. Insbesondere sind die Bestimmungen über den Bereich des Gesetzes und den Be griff des Berufsvereins teils zu eng, teils ganz unklar gefaßt. Die Befugnisse der Verwaltungsbehörden ebenso wie die Vor schriften über Pflichten und Rechte der Vorstände, Beamten und Mitglieder der Berufsvereine schlagen deren Tätigkeit geradezu in Fesseln. Die Auferlegung der Haftpflicht gibt in ihrer All gemeinheit die Handhabe zu schikanöser Bedrängung. Die Vor schriften über die Entziehung der Rechtsfähigkeit stellen durch ihre Dehnbarkeit das ganze Leben der Berufsvereine in Frage. Würde der Entwurf in dieser Form Gesetz, so müßte dies ein toter Buchstabe bleiben, da die Verbände der Arbeitgeber und der Arbeiter die Erwerbung der Rechtsfähigkeit verschmähen würden. Um aber den Berufsvereinen die Vorteile der ver mögensrechtlichen Sicherung und der Erweiterung ihrer Be wegungsfreiheit zu gewinnen, gibt der Ausschuß der Gesellschaft für Soziale Reform dem Wunsche und der Hoffnung Ausdruck, der Reichstag möge den Entwurf im Sinne einer den tatsäch lichen Bedürfnissen der Berufsvereine entspechenden freien und gerechten Regelung ihrer Rechte und ihrer Pflichten abändern und ausbauen, wie dies zugleich auch im Interesse des Gemein wohls liegt." - Ein Urteil über den Befähigungsnachweis. Auf der 36. Delegierten- und Ingenieur-Versammlung zu Mailand am 17. Dezember vorigen Jahres wurde von Herrn Direktor Zwiauer-Wien ein schriftliches Referat vorgelegt über die Einrichtungen für die Unterrichtung und Unterweisung von Kesselwärtern. Aus der durch dieses Referat angeregten leb haften Diskussion ergibt sich, daß diese Angelegenheit schwierig sei und daß vor allem die amtlichen Bescheinigungen über die Befähigung der Heizer ein zweischneidiges Schwert bilden, während der Nutzen und die Erfolge von gut organisiertem Unterricht und Uebungen allgemein anerkannt werden. Lehr heizer werden als zweckmäßige Einrichtungen erachtet, wenn die selben zu dem Amte nicht nur technisch, sondern auch hinsichtlich des Taktes wohl befähigt sind. Seitens eines unserer Kollegen wurde nun ein Teilnehmer an dieser Mailänder Ingenieur-Versammlung um Auskunft darüber gebeten, weshalb die amtlichen Bescheinigungen über die Befähigung der Heizer ein zweischneidiges Schwert bilden? Dieser Herr hob hervor, daß dies nicht so scharf gemeint und auch nicht als ein gefaßter Beschluß zu betrachten sei. Der Bayrische Revisionsverein sei es gewesen, der zu diesem Punkt Veranlassung gegeben habe, da dieser durch die Einrichtung der staatlichen Prüfung der Heizer seiner Nachbarstaaten Oesterreich und Hessen sehr zu leiden hat. Die Heizer von Bayern gingen nach Hessen, ließen sich hier einen Stempel in ihr Buch drücken und seien somit geprüfte Heizer. Dieselben gehen dann nach Bayern zurück und treten hier auf als wunder was für groß artige Kräfte. Der Teilnehmer schilderte uns nun eine solche Prüfung wie folgt: Der Prüfling tritt in das Bureau, „Guten Tag." — „Tag, was wünschen Sie?" „Möchte geprüft werden!" Mit scharfem Blick wird derselbe angesehen und in scharfem Tone gefragt, ob er Heizer sei, sodaß der Prüfling unwillkürlich eine militärische Haltung einnimmt. Die Antwort lautet „Ja." „Wie heißen Sie?" „Müller." „Einen Vornamen nicht." „Adolf." „Bloß einen? Bischen wenig!" „Wo sind Sie ge boren?" „Da, da." „In Hessen nicht?" usw. usw. Also haben wir gehört, daß es mit der Prüfung hier nicht so scharf genommen wird und meist nur nebensächliche Fragen gestellt werden, und mancher staatlich geprüfter Heizer oft noch gar keinen Kessel gesehen hat und nur vom Hörensagen kennt. Ferner teilte man uns mit, würde eine staatliche Prüfung der Heizer eingeführt, so dürfte dann auch nur ein geprüfter Heizer am Kessel arbeiten und so der Fabrikant beim Krankwerden seines Heizers in eine unangenehme Situation geraten, wenn er nicht gleich einen Ersatzmann hat, da er nicht einmal selber seinen Kessel bedienen darf, wenn er es auch verstände. Aus diesem Grunde würden sich die Arbeitgeber auch gegen eine staatliche Prüfung der Heizer sträuben, so lange es eben geht.