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Band XVIII. No. 12. Chemnitz, den 10. März 1908. ^ Ter Jnlerlionspreis beträgt) i pro vtergespattene Petitzeile oder deren Raum 30 W. I Bei Wiederholungen Rabatt. - Deutsche Beilagen, von denen der Geschäftsstelle ein Probeexemplar einzusenden ist. werden unter genauer Angabe der Auslage billigst berechnet. Maschinisten- und Heizer-Zeitschrift Fachlilatt des Freien Maschinisten- und Heizer-Bundes Deutschlands, Sitz Chemnitz (vormals Sächsischer verband). Die Zeitschrift erscheint am 10. und 25. jeden Monats und kostet jährlich 3.60 Mk. Alle Postämter nehmen Bestellungen zum Preise von 0,90 Mk. vierteljährlich entgegen. (Deutsche Post-Zeitungs Preisliste Seite 91.) kille Zahlungen und Sendungen, welche sich auf den Anzeigenteil beziehen, sind an die Geschäftsstelle: Ernst Pilz, Chemnitz, Fritz Renterstr. 27, redaktionelle Berichte an die Redaktion: Juli an Aralapp, Chemnitz, ^artmannstr. 15, III zu richten. Schluß der Redaktion am 3. bezw. 18. jeden Monats. Alle Mitteilungen für den Bund find an den Vorsitzenden Julius Emmerich, Chemnitz, Sonnenstr. 11, zu adressieren. -> Inhalts-Verzeichnis: 1. Dampfkessel-Explosion in Liebwalde. 2. Ein Wort über die Kohle. 3. Die Dampfkessel-Explosionen während des JahreS 1906 in Deutschland- 4. Berufskrankheiten und Unglücksfälle, deren Erkennung und erste Hilfe. 5. Verschiedene Mitteilungen. 6. Flut motor an der Elbmündung. 7. Gewerblich-Soziales. 8. Welche Nachteile haben die Heiratsbeitragserstattungen :c. 9. Volkswirtschaftliches. 10. Schaden ersatzpflicht des Automobilbesitzers. 11. Rechts- und Gesetzeskunde. 12. Explosionen und Unglücksfälle. 13. Patent- und Gebrauchsmusterschutz. 14. Bücherschau. 15. Technischer Fragekasten. 16. Bundes- und Vereinsnachrichten. 17. Äereinsberichte. 18. Eingesandt. 19. Berichtigung. Dampfkessel-Explosion in Liebwalde. *) Auf dem Lande begegnet man häufig der naiven Anschau ung, daß Dreschlokomobilen im Gegensatz zu eingemauerten Dampfkesseln nicht explodieren könnten. Diese sonderbare An schauung gründet sich, wie man bei näherer Nachforschung er fahren kann, auf das Vorhandensein des Sicherheitspropfens,- welcher in der Decke der Feuerbüchse befestigt ist, bei Wasser mangel schmilzt und das Feuer zum Verlöschen bringt oder jedenfalls auf die drohende Gefahr aufmerksam macht. Daraus geht hervor, daß man in jenen Kreisen von Kesselbesitzern eine andere Ursache als Wassermangel für die Explosion von Dampf kesseln nicht kennt. Wenn auch statistisch nachgewiesen ist, daß in der Mehr zahl der Fälle Wassermangel als Ursache der Explosion fest gestellt wurde, so zeigt doch anderseits die Statistik noch eine Anzahl von anderen Ursachen, die bei einer Explosion vorliegen können. Von diesen Ursachen hat „zu hohe Dampfspannung" in der Regel die heftigsten Folgen, wofür die am 30. September 1907 erfolgte Dampfkessel-Explosion in dem Dorfe Liebwalde in dem ostpreußischen Kreise Mohrungen als Beispiel dienen kann. Ein Besitzer in dem Dorfe Miswalde hatte sich aus der benachbarten Provinz Westpreußen im August 1907 eine 24 Jahre alte englische Dreschlokomobile von 5 Atm. Betriebs druck gekauft und dieselbe sowohl bei sich selbst in Betrieb ge nommen, als auch an benachbarte Besitzer verliehen. Als Führer der Lokomobile war ein Schmied angestellt, welcher vorher be reits aushilfsweise ähnliche Maschinen bedient hatte. Am Tage der Explosion sollte die Lokomobile bei einem Besitzer in dem benachbarten Dorfe Liebwalde dreschen und wurde zu diesem Zweck von dem Maschinisten um 4 Uhr morgens angeheizt. Gegen 51/2 Uhr zeigte das Manometer ll/4 Atm. und bald darauf blies das mittels Hebel und Feder belastete Sicherheitsventil ab, was dem Maschinisten, der inzwischen zur Einnahme seines Frühstücks in das Haus gegangen war, von dem Besitzer gemeldet wurde. Diesem „Uebelstande" wußte der tüchtige Schmied bald abzuhelfen, indem er mittels Strick und Knebel den Hebel des Sicherheitsventils fest auf das Ventil preßte, um sich dann wieder zum Frühstückstisch zu begeben. Als ihm nach kurzer Zeit wiederum das Abblasen des Sicher heitsventils angezeigt wurde, knebelte er den Strick noch fester und vollendete in Ruhe seinen Morgenimbiß. Inzwischen war es 6 Uhr geworden, weshalb sich der Maschinist an die Lokomobile begab, um die zur Bedienung des Dreschkastens erforderlichen Mannschaften mittels Dampfpfeife herbeizurufen. Kaum aber hatte er das Signal mit der Pfeife gegeben, als es einen kanonenschlagartigen Knall gab, so daß die Fensterscheiben des nahen Wohnhauses zertrümmert wurden, Mit gütiger Erlaubnis des Herrn Verfassers der „Zeitschrift für Dampfkessel- und Maschinenbetrieb", Berlin, entnommen. und der Besitzer auf den Hof hinauseilte. Die Lokomobile war von ihrem Standort verschwunden, ebenso der Heizer. Letzterer wurde 16 ni rückwärts mit mehrfach gebrochenen Gliedmaßen tot aufgefunden. Die Lokomobile selbst war in entgegengesetzter Richtung, ebenfalls ca. 16 m weit durch die Luft geflogen, hatte dabei die massive Mauerecke eines Saalanbaues mitgenommen und war in die Tenne auf den dort stehenden Dreschkasten ge fallen. In wenigen Minuten fing der leicht brennbare Inhalt der gefüllten Scheune Feuer, das von dort auf einen massiven Stall und auf ein anderes Gehöft mit Wohnhaus, Stall und Scheune übersprang, welche vollständig eingeäschert wurden. Die Stirn wand des Kessels war in der Nietnaht oberhalb der Feuertür und in der Nähe der Krempung ausgerissen und fand sich in einer Entfernung von ca. 110 nr, in derselben Richtung wie der getötete Heizer, auf einem andern Gehöft wieder. In der selben Flugbahn waren viele Aeste sowie ein ca. 20 oiu starker Baum eines Obstgartens abgeschlagen. Auch fand man hier die Feuertür und die Kohlenschaufel. Das Schwungrad der Lokomo bile hatte sich an der demolierten Hausecke abgestreift, die Maschinenteile waren arg verbogen und teilweise durch Feuer zerstört. Die herausgerissene Stirnwand hatte knapp 8 mm Wandstärke und bestand vermutlich aus Schweißeisen, welches augenscheinlich recht spröde war. Auf der Innenseite der Stirnwand waren zwei Winkeleisen aufgenietet, welche zur Versteifung dienen sollten, aber nur über die halbe Breite reichten. Von den beiden Längs ankern, welche einerseits an dem Winkeleisen mittels Auge und Bolzen, anderseits an der Rauchkammerrohrwand durch Ein schrauben befestigt waren, fehlte der eine, während das Auge des noch vorhandenen Längsankers keine Beschädigung zeigte, so daß es zweifelhaft erscheint, ob dieser Anker zur Zeit der Explosion mit dem Winkeleisen verbunden war. Das direkt belastete Sicherheitsventil war unwirksam, da die Gänge der aus Quadratstahl hergestellten Feder fest auf einander lagen und die Feder keine Elastizität mehr besaß. Das andere Sicherheitsventil, dessen Hebel durch den Maschinisten festgeknebelt worden war, war falsch zusammengesetzt. Das Druckstück befand sich zwischen der Sperrhülse und dem Hebel, anstatt zwischen dem Hebel und der Mutter. Hierdurch wurde ein vorzeitiges Abblasen des Ventils bedingt und vermutlich der Maschinist veranlaßt, mittels Strick und Knebel den Hebel fester herunterzudrücken. Das Manometer wurde erst ca. sechs Wochen nach der Explosion auf einem benachbarten Gehöft aufgefunden. An dem Manometer befand sich noch das einen Wassersack bildende Ver bindungsrohr zwischen dem Kessel und dem Manometer nebst Absperrhahn. Die Untersuchung ergab, daß das Rohr von der Verschraubung des Manometers ab auf ca. 160 mm Länge mit einer schlammartigen Masse vollständig verstopft war, ebenso die Durchgangsöffnung des am tiefsten Punkt des Wassersacks