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Zweifel die Pikrinsäure, welche aber gerade häufig zum Gelbfürben von Handschuhleder') die allerbedenk lichste Anwendung findet. Der Pikrinsäure sollte gesetz- lich und von allen Seiten zu Leibe gegangen werden, besonders durch Vermeidung der verdächtig gelbgefärbten Handschuhe, des gelben oder sonst schreiend gefärbten Hutstirnleders, eben solcher Wolle und Bekleidungs stücke, wie besonders Strümpfe und Socken. Am ge fährlichsten muffen aber immer die mit Pikrinsäure gelb oder grün nüancirt gefärbten Handschuhe erscheinen, wenn man bedenkt, wie leicht es geschieht, daß mit den letzteren die Schleimhaut des Mundes in Be rührung gebracht werden kann. Die mit Pikrinsäure gelb oder grün gefärbten Gegenstände aller Art sollten ebenso gemieden und gescheut werden, wie diejenigen, welche das berüchtigte Schweinfurter Grün") an sich tragen, und ebenso wie gegen das letztere bereits der Kampf entbrannt ist, so sollte ein solcher nicht minder gegen die äußerst giftige Pikrinsäure sich erheben. Das Publikum sollte diesen Kampf eröffnen, indem es, wie schon bemerkt, alle verdächtig gelb oder grün gefärbten Gebrauchsgegenstände,' besonders Handschuhe durchaus vermeidet. Dann aber wäre es wirklich auch eine Pflicht der Färberei, solche bedenkliche Farbstoffe, welche ihren Ruf zu gefährden geeignet find, absolut nicht zu verwenden, denn in der Tbat sind Pikrinsäure ebenso wie Schwein- nam- ein 2. ergaben sorgfältige Untersuchungen Hafter Chemiker und Aerzte, daß nicht Theerfarbstoff existirt, welcher der Gesundheit schädlich wäre. Sie thaten im Gegentheil dar, daß manche dieser verschrienen Farbstoffe in bedenklichen Krankheiten Linderung verschaffen, so das Fuchsin bei Albuminurie (Bright'scher Krankheit) rc. Daß dis größten Errungen schaften der neueren Medicin, die Auffindung der Schwindsuchtsbacillen, der Kommabacillen bei Cholera rc. ohne die Theerfarbstoffe gar nicht möglich gewesen wären, ahnt der Vers, des fa mosen Artikels in seiner kindlichen Unschuld gleichfalls nicht. 3. ist von einer Gefahr speciell bei der Pikrinsäure keine Rede. Sie ist übrigens heut in der Färberei weniger angewendet als früher; man hat sie in vielen Fällen durch leichter anwendbare Farbstoffe ersetzt. Die Pikrinsäure ist der älteste Theerfarbstoff; denn seit fast 100 furter Grün "') ob ihrer Giftigkeit zu technischer Ver Wendung gar nicht, zulässige Farbstoffe. WaS eben ^ ^ -s. bekannt und seit 60 .g. von der Pikrinsäure gejagt wurde, gilt indeß, wenn / ^ °r verarmt, uno seil 00 fahren all- auch in minderem Grade von vielen Theerfarben f . '>?n in Anwendung. Trotzdem hörte man unter denen deshalb eine strenge Sonderung sehr gezeigt wäre. Der Artikel enthält von ^ bis 2 Un richtigkeiten und zeigt, daß sein Verfasser in den einschlägigen Verhältnissen ganz fremd ist, mit hin besser gethan hätte, nicht über etwas zu schreiben, von dem er nachweislich nichts ver steht. 1. sind die Theerfärben nicht minder echt als die meisten vegetabilischen Farben. Wir erinnern nur an das unechte Curcumagelb, Orseilleviolett, Blauholz (Falsch-) blau rc. Viele Theerfarben aber, wie Alizarin, Alizarinblau, Coerulein rc. liefern, wie wir noch in letzter Nummer aussiihrten, absolut echte Farben. Selbst der Indigo wird heut in vielen Fällen mit Erfolg durch Methylenblau ersetzt u. s. w. ') Gelb aus Handschuhleder wird in der Regel gar nicht mit Pikrinsäure gefärbt, sondern mit Berbe ritzenwurzel, Azogelb oder Anilinorange (vergl. M. Reimann, Färberei deS Leders S. 16 und 17/. ") Das Schweinfurter Grün enthält einen hohen Procenisatz Arsenik, und dem soll die Pikrinsäure gleich gestellt werden! "') Verf. weiß'also nicht einmal, daß Schweinfurter Grün gar kein Farbstoff ist, sich also auch gar nicht auffärben läßt und demgemäß in der Färberei über haupt keine Anwendung finden konnte. ch) Bescheidene Anfrage: hat Verf. obiger Rodomon- tade schon einmal Pikrinsäure gesehen und die viel geschmähten Anilinfarben? nie von einer daraus resultirenden Unzuträg- ker't. Im Gegentheil stehen mit Pikrinsäure gefärbte grüne Wollenstoffe bei unfern Damen in hohem Ansehen; sie sind nämlich den Motten unzugänglich. Die Pikrinsäure schmeckt, wie schon ihr Name andeutetet: pikrüs bitter — überaus bitter; sie wird deshalb von den Motten gemieden. Aus diesem Grunde wird auch Nie mand in Versuchung kommen, an mit Pikrin säure gefärbten Gegenständen zu lecken. Warum soll aber Jemand gerade seine Handschuhe in den Mund nehmen? Es müßte denn der viel besungene „Daumenlutscherbub" aus dem „Struwwelpeter" sein. Aber auch dieser würde dabei seinen Zweck, etwa wegen „Pikrin säurevergiftung" die Schule zu schwänzen, nicht erreichen, weil die Pikrinsäure nicht giftig ist, außerdem aber nur in so kleinen Mengen auf den Stoffen haftet, daß auch im ungünstigsten Falle eine Vergiftung nicht zu Stande kommt. 4. und letztens, wendet die Medicin die Pikrin säure als Heilmittel gegen eine Reihe von Krankheiten an, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich in Dosen von '/,<>—8 Gramm auf ein mal meist in Pillenform (vergl. „Simon und Wal denburg Arzneimittellehre," ^.eiäum pierieum.)