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13S Handlung nach dem Drucken unterworfen, sich gleichmäßig schön und voll entwickeln, ohne sich gegenseitig zu stören. Er darf nicht echte Farben neben unechte setzen, nicht Farben, welche zum Schluß ein Seifen- oder Chlorbad verlangen, neben solche, die ein derartiges Bad nicht ver tragen, nicht Farbe», welche gewisse Dämpfe aushauchen, neben solche, die unter diesen Dämpfen leiden. Er muß indessen auch verstehen, derartige Einwirkungen der Farben auf einander sich zu Nutzen zu machen bezw. zu paralysiren. Wäh rend die Receptenkunde der Druckerei allgemein bekannt ist, und neue Befestigungsmethoden von Farbstoffen, Dank der in den meisten Druckereien herschenden Freimüthigkeit, stets bald an die Oeffentlichkeit gelangen, wird der Lehre von der Vereinigung der verschiedenen Farben weit weniger öffentliche Beachtung geschenkt. Die dritte Aufgabe des Coloristen ist eine künstlerische. Sie bezweckt eine harmonische Vereinigung der Nüancen, die das Auge nicht beleidigt, ihm vielmehr wohlthut. Zu ihrer erfolgreichen Lösung bedars der Colorist des angeborenen Farbensinns*), der noch durch lang jährige Uebung ausgebildet sein muß. Die erfolgreiche Lösung dieser letzten Auf gabe erhebt den Coloristen zum Künstler. Nach diesen Bemerkungen gehe ich über zu einer Schilderung der thatsächlich angewendeten Farbstoffe, doch muß ich zunächst von denjenigen Methoden und Körpern reden, die in der Bei zung der Gewebe gewisse Dienste geleistet haben und deren näheres Studium geschehen ist. Hier sind vor allem die interessanten Beobachtungen von dem Coloristen Witz in Rouen über die Oxycellulose oder Hydrocellulose**)zu erwähnen. Diesem Forscher verdanken wir die ersten Mit theilungen über eine Veränderung aller vege tabilischen Fasern, der Cellulose, welche sich täglich und stündlich vor unfern Augen vollzieht. Durch den Einfluß oxydirender Agentien, be sonders der Oxyde des Chlors wird Cellulose in eine neue Substanz, über deren chemische *) Und Chevreul s „Farben kreise" benutzt er dabei nicht? **) Siehe unsere Zeitung Jahrg. 1883, Nr. 47, S. 502. Natur die Ansichten noch sehr getheilt sind, übergeführt, die von Witz Oxycellulose, von Croß, der sich um das Studium dieser Sub stanzen ebenfalls sehr verdient machte, Hydro- cellulose genannt wird und im Gegensatz zur Cellulose große Affinität zu Farbstoffen besitzt. Grspinnstfasern, welche oberflächlich in Oxy cellulose verwandelt sind, färben sich in Lö sungen von Antlinfarbstoffen direkt, während reine Cellulose es nicht thut. Deshalb zieht Papier, welches stets mit Chlorkalk behandelt ist, Farbstoffe aus ihren Lösungen an, und zwar um so mehr, je stärker es gebleicht ist. Man kann dies in hübscher Weise demonstrieren, indem man auf Papier mit einer etwas Va- nadinchlorür enthaltenden Lösung von Alu- miniumchlorat schreibt. Beim Trocknen zersetzt sich das Chlorat unter gleichzeitiger Bildung von Oxycellulose. Bringt man nun das so vor bereitete Papier in eine Lösung von Methylen blau, so zieht die Oxycellulose den Farbstoff an und die vorhin farblose Schrift erscheint dunkelblau auf hellblauem Grund. Dies ist ein erster Originalversuch von H. Schmid. Aber nicht allein heftig wirkende Agentien, wie Chlor erzeugen Oxycellulose, auch der Sauer stoff der Luft thut es unter dem Einfluß des Lichtes. Getragene Stoffe sind auf den dem Licht ausgeseßt gewesenen Stellen in Oxycellulose verwandelt und gleichsam gebeizt.*) Bei nochmaliger Färbung ziehen diese Stellen den Farbstoff stärker an und bereiten so dem Färber viele Mühe. Die Entdeckung der Oxy cellulose ist von höchster Wichtigkeit für die Er klärung vieler bisher räthselhafter Erscheinungen in der Druckerei und Färberei; praktische Ver- werthung zur Beizung von Geweben hat sie noch nicht gefunden, weil man bisher kein Mittel besitzt, eine Schwächung des Gewebes bei der Oxycellulosebildung zu umgehen. Interessant ist ferner die neuerdings beob achtete Thatsache, daß die vegetabilische Faser gewisse alkalische Metallsalze zu zersetzen und sich den einen ihrer Componenten anzueignen vermag. *) Daher das leichte Uncgalfärbcn getragener Kleider in den Falten.