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der Tagespresse über den künstlichen Indigo betrachtet. Unsere Leser sind zwar über den Stand der Jndigofrage genau informirt; brachten wir doch die Nachricht über die Dar stellung des künstlichen Indigo zuerst und sind noch jetzt das einzige Blatt, welches alle Patente zur Bereitung des künstlichen Indigo und der Rohproducte sofort gewissenhaft regi- strirt. Wir glauben aber, ihnen sowohl wie dem größeren Publikum einen Dienst zu er weisen, wenn wir die Sensationsnachricht der politischen Presse richtig stellen und das Wahre- von dem Irrigen sondern. Prof. Baeyer in München entdeckte bekannt lich die Methode, den blauen Farbstoff des Indigo künstlich darzustellen (vergl. Nr. 21, 1880 unserer Ztg. u. ff.) Diese Entdeckung datirt aber aus dem Anfang vorigen Jahres, ist also unseren Lesern seit neun Monaten be kannt. Baeyer erzeugt auch, wie die Reporter notiz sagt, den Farbstoff aus den Derivaten der Zimmetsäure. Soweit ist die Sache richtig. Was aber nun kommt, ist unrichtig und nur geeignet, dem Handel zu schaden und schließlich die Consumentcn und damit viele unserer Leser in eine schwierige Lage zu bringen. Hiervon hat sich der Sensationslüsterne Einsender jener Notiz wohl nicht Rechenschaft gegeben. Er verbreitet nämlich allen Ernstes die Nachricht, das künstliche Jndigoblau würde bereits in großen Mengen fabricirt. Dem ist aber nicht so, wie unsere Leser wissen. Wenn wir die Geduld der zu nächst Jnteressirten, zu denen wir ja sprechen, durch einige Wiederholungen in Anspruch nehmen dürfen — die Sache ist ja von größter Wich- für sie — so weisen wir darauf hin, daß die künstliche Darstellung des Jndigoblau ein lange geplantes Project ist (vergl. Jahrg 1878 uns. Ztg. No. 29). Die Derivate der Zimmtsäure, aus welchen Baeyer das Jndigoblau zuerst Her stellen wollte, sind aber schwer zu erhalten und kostbar. Nach der zuerst aufgetietenen Methode ist also die fabrikmäßige Herstellung kaum mög lich. Man muß sich immer vergegenwärtigen, daß das künstliche Product mindestens so billig, ja noch billiger sein soll, als das natürliche. Während des ganzen verflossenen Jahres folgte Patent auf Patent*) zur Darstellung des Jndigo blau aus leichter erhaltbaren Producten. Von welchem derselben die Fabrikation ausgehen wird, ist noch nicht bekannt. — So liegt die Sache. Die B. Anilin- und Soda-Fabrik, welche das Baeyer'sche Verfahren, wie mehrere ihrer eigenen patentiren ließ, ist wohl mit Laboratoriums arbeiten beschäftigt, bereitet auch die Fabrikation im Großen vor und wird sich alle Mühe geben, das Fabrikat so bald als möglich in den Handel zu bringen. Wer nun aber Beispielsweise die Zeit in Rechnung zieht, welche zwischen dem Auftauchen des Verfahrens, Alizarin, den Farb stoff des Krapps, künstlich darzustellen, und der fabrikmäßigen Herstellung dieses Productes lag, der wird mit Kopfschütteln die Notiz der politischen Blätter lesen, welche die Methode der künstlichen Darstellung des Jndigoblau bereits nach drei Viertelahren eine praktisch greifbare Gestalt annehmen lassen. Bei dem Alizarin war eine Zeit von beiläufig drei Jahren er forderlich. Zieht man die Schwierigkeiten der Darstellung des Jndigoblau in Betracht, welche nicht minder groß erscheinen als bei dem Ali zarin, so kommt man von selbst daaus, diese wich tige Entdeckung, — und wir waren ja die ersten, welche deren Wichtigkeit und Großartigkeit be tonten — werde nicht vor Ablauf einer ge wissen Zeit den colossalen Consum des Jndigo blau decken. Jene Reporternachricht hat nun aber die Consumenten stutzig gemacht, besonders die, welche aus übel angebrachter Sparsamkeit ein schlägige Fachschriften nicht lesen. Diese sehen schon im Geist den Werth des eingekauften Jndigolagers auf Null reducirt und bestürmen die Fabrik, welche die Patente für das Jndigo blau nahm, mit soviel Fragen, daß letztere sich genöthigt sah, bei Gelegenheit der Ausgabe ihres neuen Preis-Courauts (siehe S. 38), öffentlich zu erklären, an eine fabrikmäßige Darstellung des Jndigoblau in den Mengen, wie der Con sum es erfordert, sei vorerst nicht zu denken. Das ist am meisten charakteristisch bei der Sache. / ') Siehe Jahrg 1880 Nr. 21, 27, S2, 39 und 40.