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Beilage zu Nr. 69 des „Amts- und Anzeigeblattes". Eibenstock, den 13. Jnni 1891. Die Jüdin von Heidelberg. Rach historisch«» Quellen erzählt von Fr. E. von Wickede. <3. Fortsetzung.) „Antwortet, wo habt Ihr Euer Gold?" „Es liegt an einem Orte, den Ihr hoffentlich nie anffinde» werdet." Als der Jnde diese entscheidenden Worte sprach, erhob sich der Mann mit dem Brillantring am Finger und schritt ans ihn zu. „Narr, der Ihr seid," sagte er, „Wollt Ihr Euer Leben aufs Spiel setzen, uni Euer Gold zu retten?" Krampfhaft schloß Jakob seine Lippen nnd ließ den Harrenden ohne Antwort. Die Henkersknechte drehten die Schrauben zu, und die Gliedmaßen des Gefangenen wurden gestreckt, daß die Gelenke krachten. „Wo ist Euer Gold?" Keine Antwort erfolgte. Ein verzweifeltes Stöhnen war alles, was man von ihm vernahm. Wieder zog man die Schrauben an und noch einmal ward dieselbe Frage an ihn gerichtet. Der Jude stöhnte und schrie nicht mehr. „Haltet ein!" rief der vermnmmte Fürst, „der Mann darf nicht sterben." „Ich fürchte, Ihr sprechet zu spat; jenes Zeichen ist kein gutes," sagte der Henker, indem er ans die Lippen des Opfers deutete, von denen das Blut herabströmtc. „Er war schwächer, als ich glaubte," bemerkte der Inquisitor, „drehet die Schrauben zurück und zer schneidet die Bänder, damit wir sehen, ob er noch einmal zum Leben erwacht." Der Befehl war schnell ausgcfllhrt, als aber der Inquisitor die Hand auf des Juden Herz legte, hatte es aufgchört zu schlagen nnd alle Wiederbelebungs mittel, welche angewandt wurden, waren vergeblich. Ei» Aderbruch hatte stattgefundcu und Jakob Olsheim war der ferneren Qualen überhoben. Während die Knechte sich mit der Leiche zn schaffen machten, immer noch hoffend sie zu beleben, warf der Inquisitor die lästige Mütze und den Man tel von sich, nm sich von den gehabten Anstrengungen in einer freundlicheren Umgebung zu erholen. Sein würdiger Gefährte, der Markgraf, zögerte nicht lange ihm zu folgen. Konrad von Marburg war ein Mann von mitt leren Jahren mit niederer zurückgedraugter Stirn; seine kalten grauen Augen und die stumpfe Nase machten seine Züge im höchsten Grade unangenehm. Aber sein Herr und Meister auf dem Stuhle Petri schlug die wichtigen Dienste hoch an, die er ihm ge leistet hatte, als er ihn an die Spitze des heimlichen Gerichts in Deutschland stellte. Fürsten und Prälaten waren ihm untergeordnet und Gnade war für ihn ein Fremdwort. Berthold, der Markgraf in Baden, hatte seine Stellung durch den kaltblütigen Mord seines älteren Bruders errungen, und wenn er auch nicht direkt des Vatermordes schuldig war, die Volksstimme machte ihn zum Anstifter desselben. Er war kaum dreißig Jahre alt, von kräftigem Körperbau und nicht unschön. Aber er hatte ein Gesicht, welches kein Vertrauen erweckte, aus den Augen blitzte niedere Sinnlichkeit und der kurze gedrungene Hals gab ihm ein brutales Aussehen. Jedenfalls war er ein wackerer Gefährte des Inquisitors von Marburg, und manche gute Ernte hatte er bereits mit demselben gehalten, wobei Men schenleben nicht in Betracht kamen. „Verdammt, daß der Jude so schnell abfuhr!" sagte Konrad, indem er zum Becher griff. „Mir auch nicht lieb," entgegnete der Angeredete, indem er mit ihm anstieß, „es mag aber nichts da bei verloren sein; sorgfältiges Durchsuchen seines Hauses mag uns die Schätze finden lassen." „Wir sollten indessen vorher seine Tochter ein fangen und sie auf die Probe stellen," bemerkte der Inquisitor „Freilich," sagte Berthold, „so denke ich auch, und das schönste Mädchen in ganz Baden ist sie!" „In diesem Falle wollen wir ein glattes Geschäft machen, Konrad, setzt Euren Preis für das Mädchen aus, und überlaßt sie mir." „Ei, ei, Herr Markgraf," lachte Konrad, „steht es so mit uns?" „Ich bekenne es offen, seit dem Augenblick, wo ich die Jüdin sah, habe ich das Verlangen sie zu be sitzen, nicht unterdrücken können. Ueberlaßt sie inir, Konrad." „Wenn Ihr so verliebt seid in sie, nehmt sie hi», aber gestattet, daß meine Leute sie einholen und ich sie erst ausforsche, nachher könnt Ihr mit derselben machen, was Euch beliebt" „Ihr werdet nicht viel dabei gewinnen," entgegnete der Markgraf. „Doch, doch, — sie wird ihres Vaters Schätze schon z» finden wissen, diese Juden haben eigenthüm- liche Begriffe inbezug auf Vertrauen gegen ihre Familienglieder, und es ist bekannt, daß sie es lieben, ihre Schätze zu verberge». Entsinnt Ihr Euch Davids, des alte» Wucherers? Ich bin überzeugt, daß wir nicht den dritte» Theil seines Goldes gefunden haben." „Aber foltern dürft Ihr die Schöne nicht, das sage ich Euch. Um alles Gold ihres Vaters möchte ich die schönen Formen nicht verunstaltet haben. Dies versprecht mir, Konrad." „Von Herzen gern, da ich sehe, wie Ihr auf das Judenkind versessen seid." „Daun macht Anstalten, sie alsbald holen zu lassen, damit Ihr sie noch am Tage ausforschen könnt und ich sie noch unter dem Schutze der Nacht in mein Schloß führen kann." „So sei es." „Sendet aber znverlässigc Leute." „Ich habe nur solche, Herr Markgraf," „Ich meine nur Leute, die das Mädchen nicht roh behandeln, denn dies könnte mich rasend machen." „Seid unbesorgt, meine Leute haben sich gegen seitig zu bewachen nnd das bürgt Euch für der Schönen volle Sicherheit. Aber Euch dürfte cs doch schwer werden sie zu zähmen, denn diese Juden kinder sind nicht leicht von Unsereiuem zu erobern." „Ueberlaßt das mir," entgegnete der Markgraf mit einem bedeutenden Blick, „dafür gicbt es andere Mittel als Eure Folterwerkzeuge." -Die Beiden leerten ihre Becher und trennten sich. Konrad von Marburg in der Absicht, seine Vertranten in das HanS der Jüdin zu senden, und Berthold, um i» seinem Schloß Anordnungen zu ihrein Empfang zu treffen. Jünftes Kapitel. Des Ritters Sendung. Martin Wilsdorf saß in seinem Waffensaal — es war spät geworden, als er seinen letzten Zögling entließ, und Bardolf war im Begriff die Riegel vor das Thor zu schieben, als von außen ein Pochen ver nehmlich ward. Der Knappe öffnete lind ein großer Mann, in einen weiten Mantel gehüllt, trat ein und verlangte nach seinem Herrn. „Der Ritter ist im Saal," antwortete er, „ich werde Euch zu ihm führen." „Seid mir gegrüßt, mein Bruder," redete Martin den Eintretendcu an, der sich seines Mantels entledigte. „Mein Besuch ist ein später," sagte Viktor von Antiochien, denn dieser war cs, „aber ich habe einen wichtigen Auftrag für Euch. Seid Ihr bereit?" „Zu jeder Zeit, wo es sich um einen guten Zweck handelt." „Nur eines solchen wegen bin ich gekommen. Ihr kennt Jakob Olsheim, den reichen Juden?" „Ich habe ihn schon gesehen." „Und wisset Ihr wo sein Haus liegt?" „Auch dieses ist mir bekannt." „Jakob ist zwar kein Mitglied unserer Verbrüder ung, nicht« desto weniger aber ein werthvoller Freund, dessen Beistand wir später nutzbar machen können. Olsheim ist der Inquisition verfallen. Konrad von Marburg und der Markgraf haben ihr Auge auf seinen Reichthum fallen lassen, und ich habe Grund zu glauben, daß sie seine baldige Verhaftung beab sichtigen. Der Mann muß gerettet werden, und wir haben Euch ausersehcn, ihn den Händen der Ge fürchteten zu entreißen. Unternehmt Ihr den Auf trag?" „Mit Freuden!" entgegnete Wilsdorf eifrig. „Jakob Olsheim war ein aufrichtiger Freund meines Vaters. Mir ist es noch so gut erinnerlich, als ob cs erst gestern gewesen wäre, wie er ihm zweitausend Dukaten auf bloßen Handschlag lieh." „Das ist des Alten wahrer Charakter, und wir müssen ihn retten. Gehet bei guter Zeit morgen früh in seine Wohnung und führt ihn zunächst in Euer HauS, dann wolle» wir weiter berathschlagcn, was zu thun ist. „So viel ich weiß hat er nur eine Tochter, und auch diese müßt Ihr mit Euch nehmen. Balduin von Thrus und ich reiten diese Nacht nach Mann heim und kommen vor morgen Abend nicht znrück." „Seid Ihr sicher, daß man eS auf den Juden abgesehen hat." „Durchaus sicher, einer unserer Brüder gehört zum heimlichen Gericht, und er brachte mir die Nach richt, daß Olsheim auf der Liste steht. Denket also daran, daß der, welcher einmal die Schwelle des schrecklichen Tribunals überschreitet, nicht lebend über dieselbe zurückgeht." „Würde cS nicht besser sein, den Juden noch diese Nacht abzuholen?" „Lieber nicht, die Diener der Inquisition sind in der Nacht thätig und ihre Wachsamkeit könnte uns verrathen. Es iff schon Mitternacht und Ihr würdet den Juden nicht ohne Lärm zu machen erwecken können, da er sein äußeres Thor fest verschlossen hält. Bei dem Unternehmen werdet Ihr aber zur Tages zeit auf keinerlei Gefahr stoßen, es sei denn, die Tochter wäre schön uud jung." „Ich glaube nicht, daß die Reize einer Jüdin mir gefährlich sind, Viktor." „Wir wollens abwarten," entgegnete der Gast. „Ich habe mir sagen lassen, daß Eleonore Olsheim ein reizendes Mädchen sei, und wenn sie ihren Vater nachartet, so wird cS ihr an Tugenden nicht fehlen, um sie zu einen, vollkommenen Weibe zu mache». Vielleicht seid Ihr aber anderweits gesichert?" „Nein, mein Bruder, ich bin ohne Fesseln, und habe auch noch nicht ven Wunsch, dieselben zn tragen. Ich hoffe daher, den Juden mit seiner Tochter ohne Verlust meines Herzens retten zu können." „Dann seid zu guter Zeit zur Hand, denn Jakob ist keiner von denen, welche ihre beste Tageszeit im Bette znbringen." Mit herzlichem Händedruck schieden die Brüder von einander und Martin zog sich in sein Schlafge mach zurück. Mit dem guten Schwerte an der Seite suchte er sein Lager auf — nicht aus Besorgniß vor Gefahr, sondern um früher erwachen zu können. In der Nacht war ihn, ein Traumbild erschienen, wie er nie zuvor erlebt hatte. Er sah sich in des Juden Haus und während er mit demselben sprach, stieg ein vielköpfiges Ungeheuer aus der Tiefe herauf und trug den Alten fort. Unentschlossen was er thun sollte, fühlte er von einem warmen Hauch seine Wangen berühren und ein liebliches Bild, so schön wie er es nie gesehen, stand mit bittendem Antlitz vor ihm. Es war ein Mädchen in erster Jugend schöne, mit prächtigen Gewändern augethan, und unwillkürlich schlang er seinen Arm um ihren schönen Hals. Sie flehte zu ihm, ihren Vater zu retten, den das Ungeheuer fortgeschlcppt hatte. Voll Entzücken drückte er sic an sein klopfendes Herz und versprach es — dann erwachte er plötzlich nnd ein schwerer Seufzer über die Täuschung rang sich aus seinem Busen. Noch einmal schloß er seine Augen, um sich das liebliche Bild zurückzurufen, aber es war und blieb verschwunden. Enttäuscht öffnete er die Augen wieder und sah wie der junge Tag gegen die Nacht ankämpfte. Schnell erhob er sich, ordnete seinen Anzug und eilte, um Bardolf zu erwecken. Der getreue Knappe war jedoch schon angckleidet und bereitete seinem Herrn das Frühmahl. „Vielleicht habt Ihr meine Begleitung nöthig." sagte er zum Ritter. „'Nein, Bardolf, ich will allein gehen, Ihr könnt inzwischen Vorrichtungen zum Empfang des Juden und seiner Tochter treffen und durch Katharina ein Frühstück für dieselbe bereiten lassen." „Nehmt lieber das Schwert mit, anstatt des Rappiers," bemerkte Bardolf, „es ist zuverlässiger, wenn man einen Gang, wie Ihr ihn vorhabt, unter nimmt." „Sinn denn, so gebt niir jene Damaszcnerklinge, sie hat schon manchen Strauß bestanden." Als er die Waffe angelegt und seine Mahlzeit genossen hatte, machte er sich auf den Weg nach des Juden Haus. Als er das Thor des Vorhofs erreichte, fand er es verschlossen. Einige kräftige Stöße brachten in dessen alsbald eine alte Dienerin herbei, welche zaghaft nach seinem Begehr fragte. Während das Weib mit der Antwort zögerte, hörte Wilsdorf Schritte hinter sich nnd gewahrte, sich nmwendend, einen dicht in seine» grauen Mantel eingehüllten Mann. „Wer seid Ihr?" fragte Wilsdorf. „Die Frage richte ich an Euch!" sagte jener. „Ich bin in guter Absicht hier — könnt ihr das Gleiche sagen?" „Ich kann noch mehr sagen," entgegnete der Fremde. „Ich habe einen gefährlichen Weg gemacht, um hierher zu gelangen. Könnt Ihr das Gleiche sagen?" Diese Antwort machte Martins Aufmerksamkeit rege und mit einer nur dem Eingeweihten verständ lichen Bewegung seiner rechten Hand machte er das Zeichen des Kreuzes auf der Brust und deutete dann mit dem Zeigefinger auf das Herz. „Ein Freund — kommt Ihr von Antiochien?" sagte der Fremde mit gedämpfter Stimme. „Von Tyre," entgegnete Martin. „Euer Name?" „Heinrich." „Wie soll ich Euch glauben?" „Ueberzengt Euch." Der Fremde reichte Martin die Hand und gab ihm ein wohlbekanntes Erkennungszeichen, daß er ebenso erwiderte, worauf der Fremde weiter sagte: „Gottes Sohn trug ein Kreuz."