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Aus vergangener Zeit — für unsere Zeit. Am 8. Juni ISIS wurde die Schlußakte des Wiener Con- gresses vollzogen. Diese wichtige Urkunde faßte die Ergebnisse des Congresses in ILI Artikeln zusammen. Es ist charak- teristisch, wie man noch in den ersten Jahrzehnten dieses Jahr hunderts über Fürsten und Volt dachte. Die gewaltige Hand eines Napoleons hatte die Staaten Europas durcheinander geworsen, Kronen gegeben und genommen, Bevölkerungen nach Willkür vertheilt; diese Völker aber waren es gewesen, di« mit ihrem Blute die Throne wieder ausgerichtet, die aus den Fugen gegangene europäische Welt wieder einzurichten geholten halten. Nicht weniger als !07 Artikel der Congreßakte enthielten Be stimmungen über die Vertheilung der Ländergebiete, — für die allgemeinen Interessen der Völker hatte man keine Zeit und kein Verständnis,; Lustbarkeiten und Bälle, die das „ge meine Volk", d. h. das ehemalige Volk in Waffen, von weitem anstaunen durste, beanspruchten auch die Zeit der Fürstlichkeiten und Diplomatin. „Die Machthaber selbst schienen ein Gefühl davon zu haben, daß diese kahlen Festsetzungen über minder hergestellte Throne und vertauschte Länder außer Verhältniß stehen zu den gebrachten Opfern, und daß ein allzu schroffer Gegensatz wallte zwischen der begeisterten Stimmung, mit wel cher man in den Kamps eingetreten war und der Ernüchterung, welche bei dem schließlichen Ergebnisse des Wiener Congresses über Jeden kommen mußte. Es war, als müßte etwas ge schehen, um den, idealen Schwung der jüngst verlebten Zeit, der in den Gemüthern noch nachzitterte, wenn nicht gute Thaten, so doch gute Worte zu geben und die ersten Hoffnungen mit neuen hinzuhalten." (Schlossers Weltgeschichte). Und so ge schah denn auch wirklich etwas, aber nicht sür, sondern gegen das Volk; denn bei Lichte besehen, war die „heilige Allianz" zwischen Rußland, Oesterreich und Preußen trotz aller schönen Worte nichts anderes, als die gemeinschaftliche Knebelung jedes freien Gedankens zu Gunsten eines einseitigen Pietismus und zu Gunsten der absoluten Macht. Niemals ist eine so große, pomphafte Versammlung von einem kläglicheren Egoismus be seelt gewesen, als die des Wiener Congresses, auf dein ein Metternich und Tallcvrand das große Wort führten. Und das ist der charakteristische Unterschied zwischen „Sonst" und „Jetzt", daß die Völker nach ihrem Ringen für Thron, Altar und eigenen Leerd nicht mehr ihres Lohnes verlustig gehen. Das hat das Jahr 1870/71 für Deutschland bewiesen. 10. Juni. An, 10. Juni 1886 ward es auch den Schleswig-Hol- steinern klar, daß man schweren Tagen und der kriegerischen Entscheidung entgegengehe. Am genannten Tage besetzten die preußischen Truppen Itzehoe. Dahin war seitens Oesterreichs die holsteinische Ständeversammlung berufen worden, die jedoch nicht mehr eröffnet ward; der Versuch einer Anzahl Mitglieder, die Versammlung trotz Preußens Verbot abzuhalten, wurde gewaltsam verhindert, auch ein österreichischer Rcgierungs- Commissar wurde für kurze Zeit verhaftet. Man befand sich da oben im Norden eben bereits im Kriegszustände, obwohl der Krieg noch nicht erklärt war. Der Flüchtling. Historische Novelle von Au g. Northeim. (13. Fortsetzung.) „Sei unbesorgt, wir werden nicht betrogen. Halte nur gute Wacht. Höre! Als ich an der Parkmaucr auf der Lauer lag, um den unverschämten Jäger des Lord Fairfax abzusangen, vernahm ich, wie der Krä mer Bartram — ich vergesse nie eine Stimme, die einmal an mein Ohr schlug — mit jener Fran aus dem Wirthshause sprach. Ich konnte ihre Worte nicht alle deutlich verstehen, doch erhellte soviel aus ihrer Unterhaltung, daß sie bei Tage nach dem Fisch hause eilen wolle, um wegen der Flucht jenes Pa trons Rucksprache zu nehmen. Sobald die Dunkel heit anbricht, müssen wir uns trennen. Du bewachst das Parkthor, Beverly mag sich bei dem Fischhause verbergen, während ich meinen alten Posten an der Mauer einnehme. Doch — das merkt Euch — müssen wir uns alle still verhalten, nur aufpassen und keinen Angriff irgendwelcher Art wagen, sondern uns zur weitern Berathung hier wieder zusammen finden, wollen wir nicht alle unsere schönen Plane selbst zu schänden machen." „Seid Ihr denn auch gewiß," fragte JoneS ein dringlich, da er noch immer nicht überzeugt war, „daß Ihr Euch nicht in der Zeit geirrt und daß es zu spät ist, den Fuchs zu erwischen? Sind Euch alle Gänge bekannt, die aus dem alten Ziest ins Freie münden?" „Ich sagte Dir schon früher, alter Narr," gab Despard ungeduldig und ärgerlich zurück, „eS sind nur zwei vorhanden, und diese habe ich gesunden. Der eine östlich der Pforte unterhalb der Umfassungs mauer; der andere öffnet sich am Ufer des Stromes, nicht viel größer als ein Fuchsloch — fast wäre er meinen spähenden Blicken entgangen, allein meine Instruktion war zu genau." „Und nachdem alles das in Ordnung ist," unter brach ihn Beverly, der unbemerkt ein eifriger Zuhö rer gewesen, „sind wir trotzdem noch auf demselben Punkt. Wir können doch nicht, schwach wie wir sind, gleichzeitig beide Ausgänge besetzen." „Oho!" entgegnete der ehemalige Kornett: „da für laß mich nur sorgen. Wir werden ihn schon zwingen, den Weg zu nehmen, den wir ihm vorschrei ben. Ich habe noch einige gute Freunde unter den Soldaten, und es bedarf nur eines gefälschten Brie fes, nm eine Abtheilung hierher zu locken und ihnen die Beobachtung des einen Ganges — ich meine den an der Mauer, der auf die Landstraße geht, zu über tragen. Laßt mich nur machen." „Topp!" rief JoneS, in seiner Freude aufspring end und seine Hände reibend. „So haben wir ge wonnen Spiel! Der Graf ist so gut wie in unserer Gewalt. Ihr seid doch ein schlauer Patron, Meister Despard, da» muß Euch der Neid lassen." Dieser lächelte geschmeichelt. Und er lächelte sogar etwa» länger al» nöthig gewesen wäre, denn — er ging auch bereit» mit dem Plan um, seine Spießge sellen um den Lohn ihrer Mithilfe zu bringen, ent weder mit List oder — je nun, wenn eS nicht an der» gehen wollte, mit Gewalt. „Was träumt Ihr, Kameraden?" rief er vergnügt. „Ist e» Zeit, Maulaffen feil zu halten? Setzt Euch, Jone»! Der Hase ist gar. Wir wollen unsere Glieder stärken, ehe sie an die nicht leichte Arbeit gehen!" Die Beiden kamen seinem Beispiele nach. Um da» erlöschende Feuer gelagert, unterzogen die drei Spitzbuben, abwechselnd kauend und redend, ihren Plan noch einmal einer eingehenden Besprechung. Darauf erhoben sie sich, warfen ein paar Hände voll Sand auf die glimmenden Feuerreste, schulterten das Gewehr und gingen nach verschiedenen Richtungen davon. X. Mittlerweile harrte Jane ohne Ahnung der von jener Seite heraufziehenden Gefahr der verabredeten Ankunft der Wittwe. Kaum hatte sich die Dämmerung auf die Fluren gelegt, als die Erwartete athemlos im Schloß an langte. „Um Gotteswillen, Miß Jane," rief „sie bittend, als sie im Bihliothekzimmer, wohin der Diener sie führte, die Tochter des Grafen fand, „um Gottes willen, kommt zu mir! Mein armer Martin ist krank und ich fürchte, diesmal ist es zum Tode!" Der alte Graf blickte von seinen Büchern auf und in das Antlitz seiner Tochter. „Ich muß gehen, lieber Vater," sprach diese und erhob sich rasch. „Gewiß, es ist nothwendig. Wir nehmen, um Dich zu beruhigen, Robert und Char les, mit Waffen und Laternen versehen, zur Beglei tung mit. In zwei Stunden sind wir wieder da." „Wie Du willst, mein Kind. Allein ich meine, da der Abend schon vorgerückt ist, könnte der Gang auch bis morgen verschoben werden. Doch, wie Du willst. Geh', Peter, und setze alles in Bereitschaft." Der Diener ging. Kaum hatte sich die Thür hinter ihm geschlossen, als der Greis ängstlich fortfuhr: „Was ist geschehen, Jane? Du verbirgst mir et was! Es muß ein außergewöhnliches Ereigniß sein, ich lese es in Deinen Augen, wie in der erhöhten Farbe Deiner Wangen." „Und wenn es nun ein freudiges wäre, so wärst Du beruhigt, nicht? Lies also nur immer lieber Deine Klassiker, lieb Väterchen, anstatt die Farbe meiner Wangen zu studiren. Morgen, Väterchen, morgen hoffe ich Dir gute Nachricht bringen zu können." Zärtlich und schelmisch zugleich streichelte sie die eingefallenen, runzeligen Wangen des alten Mannes, theilte das schneeweiße spärliche Haar auf der hohen Stirn, drückte einen innigen Kuß auf dieselbe und verließ mit ihrer Begleitung das Zimmer. „ES war zwar unserer Verabredung gemäß, theure Herrin," begann Frau Betty, als der kleine Zug ins Freie trat, die Diener in einiger Entfern ung hinter den Frauen, „aber leider habe ich Euch die Wahrheit erzählt. Martin war den ganzen Vor mittag besonders aufgeregt, als er nach Mittag von seinen ruhelosen Streifereien heimkam, wurde er von einem so heftigen Anfall seines alten Nebels er griffen, daß ich ihn kaum allein zu stützen und zu halten vermochte." „Armer Knabe!" sagte das junge Mädchen mit leidig vor sich hin. „Arme Mutter!" Diese trocknete die Thräne des Kummers, die unwillkürlich in ihrem Auge aufgestiegen war, und fuhr sodann gefaßter fort: „Bartram war noch nicht eingetroffen, als ich fortging. Aber ich denke, wir werden ihn bei unserer Ankunft vorfinden." Und so war es auch. Frau Betty wies den Diener einen Platz in der Küche an, sandte die Aufwartemädchen unter dem Vorwande fort, die alte blinde Mutter sorgfältig zur Ruhe zu bringen, und entzündete danach ein Lämp chen, mit welchem sie Jane die schmale gewundene Stiege hinaufleuchtete, die in das obere Stockwerk führte. Hier setzte sie das Licht auf einen Tisch und die Thür zu einem Hinterzimmer öffnend, welches infolge des dichten Zweigwerks der im Hofe stehen den Esche in vollständiges Dunkel gehüllt war, rief sie mit leiser Stimme hinein: „Seid Ihr da, Meister Bartram?" „Ja!" war die noch leisere Antwort. „Aber seid vorsichtig, ich fürchte, wir werden beobachtet Kommt näher, ich höre Miß JaneS leichten Tritt. Laßt da» Licht dort, eS könnte uns verrathen; und hört, Betty, reicht mir jene alte Doppelflinte da über dem Kamin — so ist eS gut! Man muß des Schlimmsten ge wärtig sein." Das eintrctende junge Mädchen vermochte kaum die breite Gestalt des Krämer» in der Dunkelheit zu unterscheiden. „Ich bitte Euch inständig," flüsterte dieser, „kommt hierher, Lady! Der Schatten jene» Baume» will mir nicht gefallen, er verbirgt leicht einen Lauscher." „So laßt un» in da» andere Zimmer gehen oder da« Fenster schließen," rief Jane, eben im Begriff, in den Bannkreis de» trüben Lampenschein- zu treten, al» ein leiser WarnungSruf sie noch zu rechter Zeit zurückhielt. „Um GotteSwillen, Lady, seid auf Eurer Hut! Da» Fenster ist leider zerbrochen, es entglitt meinen Händen, al» ich vorhin auf diesem Wege hierher ge langte. Unsere Worte können draußen vernommen werden und doch ist die» das einzige gegen Ueber- raschungen sichere Gemach. So ist alle« gut," fuhr er fort, nachdem er die Schußwaffe in Bereitschaft gesetzt. „Kommt jetzt nahe heran und horcht so ge nau, al» sollte e» über Euer Leben entscheiden. Wir haben nur wenig Zeit zum Austauschen unserer Worte. Denn wenn mich mein sonst ziemlich schar fe» Auge nicht getäuscht hat, so ist mir im Park ein Mann nachgeschlichen. Ist das wirklich der Fall, so hat er jedenfalls auch mein Eindringen hier bemerkt und beobachtet un» in größerer Nähe, als uns lieb sein kann." „Nun wohl," fuhr Bartram im Flüsterton und zuweilen horchend innehaltend, fort, „nun wohl, eS ist alles für die Flucht des jungen Kavaliers vorbe reitet. Ein schnellsegelnder Kutter liegt an der Küste vor Anker; überall stehen frische Pferde fertig gesat telt und aufgezäumt an Orten, wo Niemand sie ver- muthet. Ich selbst werde den Flüchtling geleiten, bis er sicher an Boro gelangt ist. Horch! was war das? Vernahmt Ihr nicht einen Laut?" „ES ist ein Vogel," erwiderte das Mädchen in einer eigenthümlich gehobenen und phantastischen Stimmung, in welche sie das Ahnungsvolle der be vorstehenden Zeiten versetzte. „Hört nur! das ist das Flattern seiner Flügel. Fahrt fort, Bartram!" (Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — Kalte Löthung von Eisen. Eisenstücke, die nicht erhitzt werden dürfen, können löthfest mitein ander verbunden werden, wenn man die zu verbinden den Flächen mit einem Kitt, hergestcllt durch eine Mischung von sechs Theilen Schwefel, sechs Theilen Bleiweiß und einem Theilc Borax in starker Schwefel säurelösung, anstreicht und sodann stark aufeinander preßt. Dieser Prozeß bedarf fünf bis sieben Tage zur Vollendung, doch dann haften die „gelötheten" Eisenstücke so vollkommen aneinander, daß man keine Spur des Löthens entdeckt und die Löthung auch nicht mit Anwendung von schwerem Hammer zu brechen vermag. — Als das beste Mittel zur Vertilgung der Raupen wird nach einer Notiz in der „Gar tenflora" empfohlen, und zwar werden 150 Gramm Alaun in heißem Wasser gelöst und mit 20 Ltr. Wasser vermischt. Mit dieser Lösung sind die Pflan zen (Johannisbecr- und Stachelbeersträucher) tüchtig zu bespritzen. Bei der zunehmenden Raupenplage verdient die Einfachheit der Mittel wohl eines Ver suches. — Der ewige Jude AhasveruS oder ein Kollege desselben, durchwanderte kürzlich die Stadt Meißen. Ein eisgrauer, lang herabwallender Voll bart umrahmte sein von Falten und Furchen bedeck tes ernstes Gesicht, das durch eine auffallend stark gebogene Adlernase ausgezeichnet war. Das Kopf haar war schneeweiß und ruhte wie eine Mähne auf den Schultern. Ein langer Mantel, wie ihn die pol nischen Juden tragen, und ein schwarzes Käppchen bildeten die Kleidung des greisen Wanderers. In einem Geschäft kaufte er für seine Weiterreise Provi ant ein und erzählte hierbei dem Ladenbesitzer, 'daß er bereits 98 Jahre alt sei und sich seit seinem 64. Jahre, wo er Frau und Kinder durch eine Feuers brunst in Kopenhagen, woselbst er Schuhmacher ge wesen war, verloren habe, auf der Reise befinde. Die Zinsen eines kleinen Kapitals reichten gerade hin, um seine wenigen Bedürfnisse zu befriedigen. Europa habe er vollständig durchwandert, auch in der neuen Welt, in Amerika, habe er die schönsten Gegenden alle besucht. Einen festen Wohnsitz zu neh men, sei ihm unmöglich, sollte er aber einmal in irgend einem Orte länger verweilen als einen Tag, dann werde er gewiß dort auch sterben. Er erfreue sich einer eisernen Gesundheit und marschire jeden Tag bis zu 8 Stunden. Jetzt wolle er sein Heimaths- land Dänemark aufsuchen. „Vielleicht," sagte gehcim- nißvoll der Alte, der sich offenbar in der Rolle des ewigen Juden gefiel, „vielleicht kann ich dort bleiben, vielleicht muß ich Europa nochmals durchwandern — fremd bin ich überall!" — Ein Jrrthum. Student (findet sich am Morgen nach der Kneipe verkehrt und fast angekleidet im Bette liegend, die Füße auf dem Kopfkissen). „Donnerwetter! Da habe ich mir die ganze Nacht eingebildet, ich hätte Zahnweh und dabei drückt mich der Stiefel." — Nobel. „Was wirst Du diesmal Deiner Frau zum Geburtstage schenken?" — „Nu, ich werde ihr ihr Luftkissen neu füllen lassen!" Theater! Herr Theaterdirektor Rupert Schmid vom Stadttheater in Plauen, welcher von früher her noch in sehr gutem Andenken bet un» steht, beabsichtigt