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zent Zinsen aufzunehmen, mufs eigentlich trotz der internationalen Finanzverwaltung ent fremden, denn ein solcher Satz rechtfertigt sich kaum für die wohlsituierten Staaten Mittel und Westeuropas, nicht aber für ein Land, dessen Gläubiger noch kurze Zeit vorher so üble Erfahrungen machen mufsten. Es ist auch wohl als sicher anzunehmen, dafs ein neuer Versuch nicht gleich günstige Resultate er bringen würde, immerhin hat es das Land den Garantieen der Mächte zu danken, dafs es Kapi talien zu mäfsigem und sehr vorteilhaftem Preise erhalten konnte. Ein weiteres günstiges Er gebnis, das auch der ausländischen Industrie zu gute kommen dürfte, bringt ohne Zweifel die internationale Finanzverwaltung insofern mit sich, als sie die verlotterte Verwaltung des Landes aus ihrem bisherigen Schlendrian auf rütteln wird. So deutet denn alles darauf hin, dafs die Griechen hinsichtlich der materiellen, wirt schaftlichen und finanziellen Lage aus dem Kriege mehr Vorteile als Nachteile ziehen werden, um so mehr als die moralische Nach wirkung der Niederlage nicht gering ange schlagen werden darf. In allen Klassen der Bevölkerung regt sich das Gefühl der Verant wortlichkeit, das Bewufstsein, dafs man gefehlt hat und dafs ein' Aufraffen unbedingt not wendig ist, Überlegungen, die wenigstens für einige Zeit einen heilsamen Einflufs auf die Gestaltung der Geschicke des Landes auszu üben vermögen. Im Interesse unserer deutschen Industrie steht jedenfalls zu hoffen, dafs das griechische Volk sich die Ereignisse der letzten beiden Jahre als Lehre dienen lasse; wir würden dadurch die Möglichkeit erhalten, uns auf dem griechischen Markte, der alsdann wesentlich an Aufnahmefähigkeit gewinnen mufs, ein gröfseres Absatzgebiet zu erobern, als wir dort bisher hesafsen. In dieser Beziehung aber ist es nötig, bestehende Vorurteile zu zerstören. Zahl reiche grofse Unternehmungen befinden sich in der Schwebe, fast alle interessieren unsere Industrie. Möge sie nicht bei dem Wettbe werbe abseits stehen bleiben, sondern sich, natürlich unter Beobachtung von Vorsichts- mafsregeln, rührig daran beteiligen. JS- Die Entwickelung der ehemisehen Industrie Russlands. Nachdruck verboten. ie chemische Industrie Rufslands ist nicht alt, sie datiert ihren Ursprung etwa vom Jahre 1880, in welchem in Beresnjaki, Gouvernement Perm, in der Soda- Fabrikation das Solvay-Verfahren anstatt des bis dahin gebräuchlichen Leblanc-Prozesses ein geführt und dadurch ein gänzlicher Umschwung in der Soda-Industrie hervorgerufen wurde, die ihren Einflufs auf die gesamte chemische Fabri kationsweise nicht verfehlte. Dieser Aufschwung war so belangreich, dafs heute die gesamten Bedürfnisse des Landes an Erzeugnissen der Chemie zum grofsen Teil in Rufsland selbst dargestellt werden. So besitzt die Firma Ljubimow & Solvay dort drei Fabriken, die alljährlich 4| Millionen Pud (1 Pud = 16,4 kg) Soda liefern, darunter 1 Million Pud kaustische Soda. Lange Zeit wurden die für wertlos ge haltenen Sodarückstände dann noch unbeachtet gelassen, bis man die verschiedenen Regene rierungsverfahren zur Anwendung brachte, mit deren Hilfe sie heute ebenfalls ausgebeutet werden. Einer der hauptsächlichsten Verbrauchs plätze von Soda ist Baku, mit einem Jahres konsum von 300 000 Pud, obgleich die Hälfte dieser Menge nach der Verwendung wieder zurückgenommen wird. Erhebliche Fortschritte hat die Darstellung von Salzsäure gemacht, die in Zinkchlorür umgewandelt und zum Im prägnieren der Eisenbahnschienen dient. Eben so macht die Fabrikation von Chlorkalk nach dem Weldon-Verfahren rapide Fortschritte, so dafs die Einfuhr von Jahr zu Jaln^ zurück geht; immerhin bleibt dieselbe noch ansehnlich genug und erreichte in 1892 1 442 000, in 1894 890 000 Pud. Salpetersaures Natron stellen die russischen Fabriken durch Zer setzung des Chilisalpeters her, entweder unter Anwendung von Pottasche, die in beschränkter Menge von mehreren Distrikten geliefert wird, oder von Stafsfurter Salz. Von letzterem wurden in 1893 290000 Pud eingeführt, von Chiii- salpeter 510 000 Pud. Es existieren sechs Pulverfabriken im Lande, von denen drei der 1 Regierung gehören. Hinsichtlich der Schwefel säure-Fabrikation ist Rufsland jetzt vom Aus lande beinahe unabhängig. Früher verwandten die fünf Fabriken Bakus russischen, persischen und italienischen Schwefel, heute wird die Schwefelsäure lediglich aus russischem Roh material dargestellt. Dabei wird ein grofser Teil der in den Petroleum-Raffinerieen Bakus gebrauchten Säure wiedergewonnen und derart gereinigt, dafs sie aufs neue verwendet werden kann. Neuerdings wurden in Transkaukasien Schwefellager entdeckt, die so bedeutend sind, dafs man demnächst an ihre Ausbeutung heran- gehen wird. Die Fabrikation von Salpeter säure hat noch keine so grofse Ausdehnung erlangt, trotzdem sank die Einfuhr derselben infolge von Mehrverbrauch anderer Säuren von 615 000 Pud in 1890 auf 19 000 Pud in 1894. Bereits im Jahre 1892 erzeugten die russischen Fabriken 103000 Pud Anilin und Alizarin. i färben, allein noch immer mufs eine ziemliche Menge derselben aus dem Auslande bezogen werden. Alizarin gewinnen die russischen Fabriken nur mittelst Anthrachinon, nicht mit Anthracen aus caustischer Soda, chlorsaurem Kali und Schwefelsäure. Der aus den Cokes öfen kommende Theer wird aufgefangen und auf Benzin, Anthrazen etc. verarbeitet. Ferner gelang es den russischen Chemikern, aus den Naphtarückständen Farbstoffe darzustellen, allein die Versuche in dieser Richtung sind noch nicht so weit gediehen, dafs sie praktische Erfolge ein- 505 brachten. Chromate werden in den chemischen Fabriken von Ushkow in Jelabuga hergestellt, indem man chromhaltiges Eisenerz mit kau stischer Soda behandelt. Im Jahre 1893 ver arbeiteten diese Werke zu diesem Zwecke etwa eine Million Pud Erze. Auch Ultraman liefern die russischen Farbenfabriken, das hinsichtlich der Qualität den Vergleich mit den Erzeug nissen des Auslandes im grofsen und ganzen wohl auszuhalten vermag. Noch vor wenigen Jahren bildete die trockene Destillation des Holzes eine recht ansehnliche Kleinindustrie des wälderreichen Nordens des russischen Reiches, wo man Pech, Theer, Kreosot, Terpentin, Holz essig etc. darstellte. Seitdem aber büfste diese Fabrikationsweise viel an Umfang ein, indes nimmt man allgemein an, dafs die Fertig stellung neuer, bereits geplanter Bahnen es der aufstrebenden Industrie in kurzer Frist mög lich machen werde, in diesem Zweige wieder ihr ehemaliges Niveau zu erreichen. Das russische Terpentin wird vielfach exportiert, obgleich es nicht gerade erster Qualität ist, während dagegen bessere Ware aus dem Aus lande bezogen wird. Ähnlich steht es mit Vaseline, die man in grofsen Mengen ausführt, um dafür bessere Sorten zu Heilzwecken wieder einzuführen. Tüchtige Fortschritte macht die russische Glycerinfabrikation, deren Erzeugnisse so rein sind, dafs die Bezüge aus dem Aus lande durch die eigene Ware ganz und gar in den Hintergrund gedrängt wurden und in zwischen fast ganz aufhörten. Was Zünd hölzer betrifft, so decken die russischen Fab riken heute den inländischen Bedarf vollständig und exportieren sogar noch, wenn auch in ge ringerem Umfange. Dafs die chemische In dustrie Rufslands somit tüchtige Fortschritte gemacht hat, läfst sich nicht verkennen, und es erscheint keineswegs ausgeschlossen, dafs sie das Land in nicht allzu ferner Zeit vom Aus lande gänzlich unabhängig machen werde. Es wird daher verdoppelter Anstrengung der deut schen Produzenten bedürfen, wollten sie auch in Zukunft dies ihr ansehnliches Absatzgebiet sich bewahrt sehen. Die amerikanischen Ärbeitervereinigungen. Nachdruck verboten. chon am Anfang dieses Jahrhunderts wurden in den Vereinigten Staaten die ersten Arbeiterorganisationen ge gründet, im Jahre 1803 die der Schiffsarbeiter, dann die der Buchdruckerei etc.; allein sie be schränkten sich bis 1850 regelmäfsig auf die Arbeiter eines einzigen Handwerks und einer einzigen Stadt. Von diesem Zeitpunkte ab machte sich infolge der gewaltigen Ausdehnung der Industrie und der inzwischen eingetretenen Verkehrserleichterungen mehr und mehr das Bestreben geltend, mächtige nationale Organi sationen zu gründen, welche die Repräsentanten der einzelnen Branchen im ganzen Lande ver-