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Entwickelung der deutschen Eisenindustrie ist diese wenig umfangreiche Beteiligung unser seits lebhaft zu bedauern, um so mehr als bei einer immerhin im Bereiche der Möglichkeit liegenden Wendung in der jetzigen günstigen Lage des deutschen Eisengewerbes eine gröfsere Ausfuhr allein die Aufrechterhaltung der ver- gröfserten Produktion ermöglichen kann und die Erschliefsung und Erweiterung der Beziehungen zum Auslande nicht zu unterschätzende Be deutung beansprucht. Aus diesem Grunde dürfte eine Erörterung der Sorten von Eisen, die auf dem orientalischen Markte am leichtesten Absatz finden, Interesse verdienen. Was die Einfuhr von Trägern betrifft, so nimmt dieselbe mit jedem Jahre an Umfang zu, da man nach den schlimmen Erfahrungen bei den wiederholten grofsen Feuersbrünsten, welche die Hauptstadt des türkischen Reiches heimsuchten, mehr und mehr von dem früher gebräuchlichen Holzbau abgeht und sich dem Gebrauch von Steinen in Verbindung mit Eisen konstruktionen zuwendet. Gegenwärtig werden •etwa 3000 Tonnen Träger jährlich eingeführt und zwar in allen bei uns gebräuchlichen Mafsen, wenn auch im allgemeinen die leichteren be vorzugt werden. Der Verkaufspreis einschliefs- lich Fracht, Zoll etc. stellt sich auf durch schnittlich 115 Mark per Tonne. An Stab- und Handelseisen kommen 15 000 Tonnen aus dem Auslande, und zwar 10000 Tonnen aus Belgien, die übrigen 5000 Tonnen aus Schweden. Ersteres wird gewöhnlich in einer Stärke von 2 bis 5 mm und einer Breite von 20 mm ver langt und mit 120 bis 145 Mark für belgisches und 200 bis 220 Mark für schwedisches Ma terial bezahlt. Handelseisen ist am gangbarsten in Stärken von 25 bis 150 mm und einer Breite von 6 bis 15 mm bei 5 m Länge. Ver kaufspreis 115 bis 120 Mark belgische, 215 bis 220 Mark für schwedische Sorten. Band eisen wird in einer Menge von 1000 Tonnen importiert und zwar vornehmlich aus Belgien und England. Durchschnittspreise 125 bis 130 Mark per Tonne. Grobbleche kommen fast ausschliefslich aus England, Jahresbedarf 2000 Tonnen, Dimensionen J,80XO>9 Um unc ^ 0,75 X 1)50 m, Durchschnittspreise 145 Mark. Die Einfuhr von Winkeleisen stellt sich nur auf etwa 100 Tonnen, die gröfstenteils aus Belgien bezogen und mit 115 bis 120 Mark bezahlt werden. Die zahlreichen Eisenhändler Konstantinopels sind hauptsächlich armenischer Nationalität und haben meistens ihre Lager in Sirkedji in Stambul in der Nähe des Bahn hofes; einige Niederlagen befinden sich indes auch in Galata. Obgleich die Türkei be deutende Mengen von Eisenerzen besitzt, pro duziert das Land bisher weder Roheisen noch bearbeitet es dasselbe, während der Bedarf mit jedem Jahre gröfseren Umfang annimmt. Bulgarien und die deutschen Handelsinteressen. enn auch die im „Hamburger Corre- spondent “ veröffentlichte Zuschrift über „Bulgarien und die deutschen Handelsinteressen“ zunächst wohl nur Börsen zwecken dienen soll, so enthält dieselbe doch einige für die deutsche Finanz- und Handels welt interessante Auslassungen. Es wird zu nächst darauf hingewiesen, dafs Bulgarien aus politischen Gründen auf den französischen Geld markt angewiesen ist, und sich deshalb, weil Frankreich hierbei nur russische Wünsche es- komptiert, harten Druck gefallen lassen müfste, und zwar nicht nur was den hohen Zinsfufs anlangt. Vielmehr müfste Bulgarien zumeist tiefeinschneidende Beschränkungen in dem Be züge von Kriegs- und anderem Material, ein seitige Begünstigungen der fränzösischen Pro duktion, unter der alle Geschäfte in Bulgarien leiden, und Bedingungen für die Erteilung von Konzessionen, welche französische Unterhändler begehren, acceptieren. Unter solchen Verhält nissen lag es nahe, dafs die Bulgaren Umschau hielten bei anderen Völkern, die lediglich gegen kommerzielle Gegenleistungen zur Kreditge währung geneigt waren. — Daraus ergab sich, — so fährt der Gewährsmann des Hamburger Blattes fort — die Aufforderung an Deutsch land. Einer solchen Einladung zu folgen, kann nicht aufserhalb des Programmes liegen, das sich der deutsche Handel für den Orient ent worfen hat. Es ist kein Geheimnis mehr und wird von französischen Volkswirten mit Be sorgnis immer wieder nachgerechnet: der deut sche Handel im Orient entwickelt sich mit ; solcher Progression, dafs der Zeitpunkt fast mit Sicherheit festzustellen ist, wo er an führen der Stelle marschieren werde. (Dies zu er reichen , bedarf er noch sehr grofser An strengungen. Anm. d. Red.) Im Prinzip könnte es demnach nur im beiderseitigen Interesse liegen, wenn sich die von Bulgarien gewünschte | Annäherung vollziehen würde. Im weiteren wird auch der Zeitpunkt für diese Annäherung als günstig bezeichnet: indessen wird ander seits zur Beobachtung einiger Vorsicht, die den bulgarischen Verhältnissen Rechnung trägt, ge raten. Der Sofiaer Korrespondent des Ham burger Blattes begründet diese Mahnung wie folgt: Erstens ist Bulgarien in den Anfangs jahren seines Bestandes durch politischen, nicht j auf seine Ertragsquellen gestützten Kredit ver wöhnt worden und mufs jetzt zunächst über den Grad seiner Kreditwürdigkeit aufgeklärt werden. Zweitens vergesse man nie, dafs Bul garien nur scheinbar ein verfassungsmäfsig re giertes Land ist, dafs der Fürst sich trotz allen Widerspruches die Macht zugeeignet hat, alles endgültig zu entscheiden, was insbesondere des halb beachtet werden mufs, weil die Förderung einer Unternehmung oder eines Geschäftes durch i einen Federstrich wertlos werden kann. Drittens ist zu bedenken, dafs der mafsloseste Neid einer der nationalen Hauptfehler der Bulgaren ist, und dafs sich die an der Macht befindlichen Staatsmänner bei weitem noch nicht so weit geläutert und erhoben haben, um Privatinter essen und Amtspflicht auch nur zeitweilig aus einanderzuhalten. Die Regel war bisher bei jeder fremden Unternehmung: anfänglich weit gehende Förderung, die sich sofort in unglaub liche Chikanen und Hindernisse verwandelte, wenn das Geschäft Erfolge aufzuweisen hatte. Demgegenüber kann man aber als Empfehlung gelten lassen, dafs ein grofses Aktionsfeld für Handel und Unternehmung in Bulgarien noch so zu sagen unbebaut ist. — Zum Schlüsse dieser Ausführungen wird der Ansicht Aus druck verliehen, dafs Deutschland der Ein ladung Bulgariens zwar nicht bedingungslos folgen, dieselbe aber auch nicht abweisen solle; und dafs auf diesem Gebiete die deutschen mit den bulgarischen Interessen zusammenlaufen könnten. Handelsgebräuehe in Bulgarien. Nachdruck verboten. ist eine weise Mafsnahme vieler '"^1 deutscher Exporteure, dafs sie in den gröfseren Städten Bulgariens Vertreter bestellt haben, denen sie entweder Muster ihrer Waren, oder sogar solche in Konsignation geben. Diese Agenten haben die Kundschaft regelmäfsig zu besuchen, ihnen ihre Muster vorzulegen und Zirkuläre und Prospekte zu zustellen, und so kommt es, dafs die deutschen Handelsbeziehungen zu Bulgarien, im Gegen satz zu denen mehrerer anderer Länder wie z. B. Frankreichs, mit jedem Jahr umfang reichere werden. Die Handelsgebräuche Bul gariens ähneln in mancher Beziehung den russischen. Bei Empfang der Waren läfst der Händler mehr oder weniger lang auf sich ziehen, und zwar von 2 bis 6 Monaten, je nach der Art der Waren und den getroffenen Vereinbarungen, würde aber es als ein Mangel an Vertrauen betrachten, wollte man ihm einen Wechsel durch die Bank zur Acceptation prä sentieren lassen. Als Äquivalent für den längeren Aufschub werden ihm natürlich die Waren um so teurer von vornherein berechnet. Da der gesamte Geschäftsverkehr auf Kredit basiert, hat der Vertreter dort eine sehr verantwortungs reiche Stellung, denn von seiner Thätigkeit hängt es wesentlich ab, ob der Handel sich für den deutschen Exporteur lohnend oder verlustbringend gestaltet. Der Konsum des Landes an Industrieerzeugnissen ist vorläufig noch nicht sonderlich umfangreich, wächst aber mit jedem Jahre, je mehr der Sinn für Luxus und bessere Lebenshaltung um sich greift, und besonders Modewaren und Stoffe werden in den letzten Jahren in weit gröfserer Quantität aus dem Westen, zumal aus Deutschland und