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Die anormale Ltage der eng lischen Eisenindustrie. (Nachdruck verboten.) Ile englische Eisenindustrie ist gegen wärtig zwei grofsen Gefahren aus gesetzt. Erstens kann eine Ver teuerung des Preises von Kohlen wegen der drohenden Haltung der Arbeiter nicht aus- bleiben, die höhere Löhne verlangen und ihre Forderung auch wohl durchsetzen werden, will man eine allgemeine Einstellung der Arbeit verhüten, während zweitens der stets empfind licher werdende Mangel an Eisenstein die Kosten des Rohmaterials erhöht. Alle Eisen werke beschweren sich schon über die lang same und unzureichende Lieferung von Roh eisen, obgleich schon ohnehin die einheimische Produktion wesentlich kleiner ist als im Vor jahre, weil einesteils viele Hochöfen in Wales kalt gestellt wurden, seitdem der dortige Streik der Bergleute im Gange ist. Anderseits auch verschiedene schottische Hochöfen, der nötigen Ausbesserungen wegen, aufser Thätigkeit sind. Demgegenüber ist der inländische Bedarf gröfser als je, ganz besonders für Hämatit-Eisenstein, der so stark begehrt wird, dafs sich in Schott land ein Werk nach dem anderen auf die Er zeugung dieser Spezialität einrichtet, welche die gewöhnliche schottische Marke zusehends ver- -drängt. Die Schmelzereien sind zwar reich lich mit Eisenerz versehen, das sich für Roh- eisen eignet, doch müssen sie jede Tonne Erz zur Gewinnung von Hämatit importieren und zwar hauptsächlich aus Spanien. Die Situation wäre vielleicht erträglicher, wenn die Abnahme der englischen Eisenproduktion nicht durch das stete Wachsen der deutschen Förderung bedenklicher würde. In den vier ersten Mo naten d. J. erzeugten die deutschen Eisenhütten 2 392 843 Tonnen oder 71- °/o mehr als im kor respondierenden Zeitraum von 1897, sogar 16f°/ 0 mehr als in 1896. Das deutsche Ge schäft ist zudem so blühend, dafs die gröfsere •Quantität daheim und von der aufser-deutschen festländischen Kundschaft schlank aufgenommen wird und obendrein noch bedeutende Beziehungen von Middlesborough stattfinden. Die Vereinigten Staaten fördern im Kriege wie in Friedenszeiten circa 1000 000 Tonnen monatlich. Ob Amerika so viel Roheisen selbst verbrauchen wird, bezweifelt man indes, doch kann England keinesfalls den etwaigen Uber- schufs aufnehmen, so lange die hohen Fracht sätze den Artikel zu sehr verteuern. Die amerikanische Zufuhr von Roheisen hat denn auch aufgehört und dürfte unmittelbar nach dem Kriege nicht wieder aufgenommen werden, da alsdann der Verbrauch der heimischen In dustrie unzweifelhaft zunehmen wird. Allem Anschein nach leidet England allein an einer gewissen Eisennot. Das Ausland macht sich übrigens zusehends unabhängiger von britischem Roheisen. In Ostasien steht Japan im begriff, seine Hochöfen zu vermehren, und in den west lichen Staaten von Nordamerika findet deren Eisenerz einen lokalen Markt. China gewährte letzthin u. a. eine Konzession zur Gewinnung überschritten ist. Der Ausfall bezieht sich, wie gesagt, ausschliefslich auf Hämatit, das indes — mit Ausnahme von Spanien — sein- schwer erhältlich ist. Der englische Eisen stein-Import setzte sich in den drei letzten Jahren wie folgt zusammen: 1895 1896 1897 von Spanien 3807188 4740719 5067148 T. anderen Ländern 643123 697 583 901532 von Eisenstein und zur Umwandlung desselben in Roheisen, und in Indien vergab der Staat soeben eine Lieferung von 100 000 Tonnen Roheisen an eine Eisenhütte in Bengalen. In zwischen gebraucht aber England selbst jede Tonne seiner Produktion. Der Schiffsbau für staatliche und private Rechnung war niemals so rege wie jetzt, und die bereits vorliegenden Aufträge beschäftigen die Industrie auf reich lich zwölf Monate hinaus. Während also das Ausland ohne britisches Roheisen auskommt und der einheimische englische Verbrauch so grofs ist, dafs man sogar „hofft“, Amerika werde seine Zufuhren bald wieder aufnehmen können, was noch unlängst befürchtet wurde, ist England genötigt, sich auf ausländischen Eisenstein zu verlassen, um seine Industrie im Gang zu erhalten. Es dreht sich jedoch vor nehmlich um Hämatit-Erze, wovon im ver einigten Königreich nur der Cumberland-Be zirk bedeutende Niederlagen besitzt, obgleich selbst deren Förderung zur Deckung des Be darfs der dortigen Hochöfen nicht genügt. Eng land gebraucht jährlich 16 Millionen, Wales 1 Million und Schottland 3 Millionen Tonnen Eisenstein, und da die ganze Produktion von 1897 13 787 878 Tonnen betrug, so mufs es sich zwischen 6 und 7 Millionen Tonnen ander weitig beschaffen. Diese Lage ist gewisser- mafsen neu, da die Förderung in früheren Jahren den inländischen Konsum bedeutend übertraf; im Jahre 1882 wurden z. B. in Grofs- britannien 18 031957 Tonnen Eisenstein ge hoben und in 1894 nur 11 203476 Tonnen. Seitdem stieg die Produktion allerdings um 2j Millionen Tonnen, doch befürchtet man, dafs das Maximum der Jahresförderung bereits 323 zusammen 4450311 5438307 5 968 680 T. Spanien hatte also den Löwenanteil, während der Rest von Griechenland, Algier und hier und da von der Türkei kam. Die Ver schiffungen von Spanien sind aber durch die verteuerten Frachtsätze erschwert, denn die Schiffe sind zum grofsen Teil im Dienste der amerikanischen Getreide-Exporteure, während die übrigen wegen der verminderten Konkur renz oder des Krieges auf höheren Raten be stehen. Im weiteren will die Madrider Re gierung einen Exportzoll auf Eisenstein er heben, der um so mehr ins Gewicht fällt, als die Qualität der Erze ungleich geringer ist als früher. Mehrere der gröfsten und reichsten Gruben bei Bilbao sind nämlich nahezu er schöpft, und um den Ansfall zu ersetzen, wurden letzthin Bergwerke mit Lagern minderwertigen Eisensteins eröffnet. Wie dem auch sei, so steht jedenfalls fest, dafs die spanischen Erze weniger Eisen enthalten und trotzdem teurer werden. England hat endlich auch Mitbe werber um die spanischen Erze. Von der vor jährigen Förderung von 5 936 295 Tonnen gingen 3 887 248 Tonnen nach Grofsbritannien, 970 000 nach Deutschland, 358000 nach Frank reich, und 485 000 verbrauchte Spanien selbst. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dafs die Halbinsel noch viele und reiche Eisenerze birgt, die bisher nicht berührt wurden, weil sie zu weit von einem Seehafen entfernt sind und es an Eisenbahnverbindungen mangelt. Bei einem so billigen Erze wie Eisenstein spielt aber die Höhe der Land- und Seefracht die erste Rolle, und entfernt liegende Minen können deshalb nicht konkurrieren. Diese Bemerkung gilt auch für die Gruben in Algier, Griechen land, Italien und der Türkei. Am Ende wird es dazu kommen, dafs England seine Eisen industrie durch Erzbezug aus Amerika am Leben erhalten mufs, dessen Erzreichtum un erschöpflich ist. Die Läger in Glasgow, deren Umfang früher die Markttendenz anzeigte, sind nicht länger mafsgebend; sie schmelzen