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361 von Patenten im Auslande durch vorzeitige Veröffentlichung der Beschreibungen verlegt, auch die Concurrenz zur Nachahmung der Ver fahren angeregt werden kann, so hat das Kaiser liche Patentamt die sehr richtige Anordnung getroffen, daß in den Räumen, in welchen die Patente zur Ansicht ausliegen, weder ein Ab schreiben derselben, noch ein Copiren der Zeichnungen, noch auch ein Stenograplstren der Patentbeschreibungen gestattet ist. Es wird vielmehr darauf gesehen, daß die von den Pa tentbeschreibungen Einsicht Nehmenden nur ge wöhnliche Bleistiftnotizen machen. Zuwiderhan delnden wird die Einsicht in die Patente ver sagt. In diesem Vorgehen begrüßen wir eine rühmliche Vorsorge für die Patentnehmer, welche weit entfernt ist vor jeder Rigorosität. Denn für Jemanden, der nur die Patentbeschreibun gen durchsieht, um eventuell Einspruch zu er heben, ist die einfache Durchsicht event. eine kurze Bleistiftnotiz völlig ausreichend. Soviel uns bekannt, geht das französische Patentamt noch weiter. Es gestattet überhaupt nicht den Gebrauch von Papier und Bleistift; Aufzeich nungen dürfen dort gar nicht gemacht werden. Es ist also das deutsche Patentamt liberaler als die französische Behörde. Durch hiesige politische Zeitungen läuft folgende Seeschlange: Unter dem Namen „Anrantia-Kaisergelb" ist in neuerer Zeit ein Farbstoff (oho!) in den Handel gebracht worden, welcher früheren Erfahrungen zufolge nicht nur sehr feuergefährlich (t) ist, sondern namentlich bei Be nutzung im Färbereibetrieb sich für die Gesundheit der Arbeiter in hohem Grade nachtheilig erwiesen hat. In Verbindung mit dem rothen Farbstoff „Nopalm" soll das „Aurantia-Kaisergelb" auch unter dem Namen „Cochenille- Ersatz oder „Coccin" verkauft werden. Die Bezirksre gierungen sind (von weint) veranlaßt worden, durch die amtlichen Organe vor dem Ankauf, resp. Verkauf und der Verarbeitung des „Anrantia-Kaisergelb" sowie der unter Benutzung desselben dargestellten Farbstoffe zu war nen und zur größten Vorsicht zu ermähnen. Unsere sachkundigen Leser entnehmen dieser Notiz, daß sie wieder einmal von einem Laien herrührt. Anrantia-Kaisergelb existirt gar nicht, ! ^ II .mlich ist der FarbstoffAuranti a gemeint, von dem vor Jahresfrist behauptet worden, er erzeuge beim Hantiren damit Haut ausschläge. vr. C. A. Marlius, einer unserer bedeutendsten Farbenchemiker wies dem gegen über nach, daß der Farbstoff an sich ungefähr lich sei und daß, wenn die behaupteten übri gens nicht einmal zweifellos constatirten Zufälle vorgekommen, dies der Unreinheit des verwen deten Productes zuzuschreiben wäre. Uebrigens haben diese Ausschläge lediglich die Natur der unschuldigen Exantheme, welche sich bei manchen Personen nach dein Genuß von Erdbeeren, Krebsen rc. einstellen. Es ist unseren Kollegen auch bekannt, daß es Personen giebt, welche beim Arbeiten mit chromsaurem Kali Ausschläge erhalten, während andere Jahrzehnte lang da mit umgehen, ohne die mindeste Wirkung zu verspüren. Nach Aussage von Aerzten sollen derartige Ausschläge bei einzelnen Personen durch ungefährliche Körper in dem Vorhandensein ge wisser im Organismus verstecktest^Krankheitsstoffe, besonders der Scrophulosis und Syphilis, ihren Grund haben. Gemische gelber Farbstoffe — in den meisten Fällen übrigens nicht Aurantia — mit Eosin, werden bekanntlich unter dem Namen Scharlach, Cochenillersatz, Coccin, Luto- cienne rc. in den Handel gebracht und seit lan ger Zeit verfärbt, ohne daß jemals irgend ein Nachtheil bei den damit Arbeitenden beobachtet wurde. Den Rainen Nopalin haben wir be reits früher als die Erfindung jenes berüchtig ten Nachdruckers unseres Blattes bezeichnet, wel cher, obgleich ein Händler höchst untergeordne ten Ranges und zweifelhaften Characters, seine Abnehmer glauben zu machen sucht, das Pro duct, welches er aus einer süddeutschen Fabrik bezieht, sei ein ganz neuer Körper aus der imaginären Fabrik des weiland Breslauer La dendieners. Daß die Bezirksregierungen amt lich vor dem Ankauf von Aurantia gewarnt haben, erscheint demnach als eine Ente; wir setzen vielmehr voraus, daß es sich hier um nichts anderes handele, als um eine Notiz zur ange nehmen Reizung der Gemüther der Zeitungs leser. — Dieser Verdächtigung gegenüber nimmt sich ganz eigenthümlich aus die wohlwollende Be handlung, mit welcher in den sonst auf Ver giftungen besonders fahndenden politischen Zei-