Volltext Seite (XML)
Nachrichten. Unsere Leser werden sich der Controverse wegen des als giftig ansgegebenen orange Farb stoffs Aurantia (No. 32 und 33 Jahrg. 1877 unserer Ztg.) erinnern, der damals mit der Con- statirung endete, der Farbstoff Aurantia sei an sich unschädlich, könne aber, wie viele andere sonst unschädliche Stoffe — chromsaures Kali, Erdbeeren, Krebse — bei Personen, welche mit verborgenen constitutionellen Krankheiten (Scro- phulosis, Syphilis rc.) behaftet sind, Ausschläge Hervorbringen, welche indessen stets einen gut artigen Character haben. Die Königliche Re gierung in Düsseldorf erließ damals eine amt liche Warnung vor diesem Farbstoff. Trotz aller nur erdenklichen Schritte bei den verschie denen Behörden ist es der hiesigen „Actien- gesellschaft für Anilinfabrikation", welche den Farbstoff Aurantia zur Zeit ausschließlich fabri- cirt, bis heut nicht gelungen, eine Zurücknahme jener amtlichen Warnung zu erreichen. Die Gesellschaft wird nun, wie das „Berl. Tagebl." in einem längeren, den Fall weitläuftig be leuchtenden Artikel mittheilt, den Weg der Petition an das Abgeordnetenhaus beschreiten, um einen Widerruf jener amtlichen Warnung durchzusetzen. * * Die Wollengarnfärberei steht noch auf demsel ben Standpunkt, weichen wir i» unserni letzten Bericht schilderten. Die Wollenstückfärberei geht noch immer befriedigend; indessen ist der Geschäftsgang nicht mehr flott. Dagegen läßt die Baumwollengarnfärberei im Allgenieinen nichts zu wünschen übrig; dagegen hat sie an einigen Stellen nachgelassen. Auch die Baum wollenstückfärberei ist befriedigend beschäftigt und hat sogar eine PreiSerhöhnng durchgeseßt. Dies will sür hiesige Verhältnisse gewiß viel sagen. Die Seiden- färberei geht noch immer gut, sowohl in Couleuren als in Schwarz. Auch die Lappenfärberei ist noch immer ausreichend beschäftigt; besonders ist die Wäscherei gut im Gange. * * * Ein bereits früher von uns ermähnter in teressanter Proceß in einer Musterschutzcontra- vention gelaugte kürzlich vor dem I. Strafsenat des hiesigen Kammergerichts zum Abschluß. Dis bekannte Kaltundruckerei Köchlin, Baumgarten LComp. in Lörrach ließ im Herbst 1876 eine Anzahl Muster von bedruckten bauwollenen Stoffen mit Bordüren für Damenkleider von eigenen Zeichnern zum Vertriebe in der Früh jahrssaison 1877 mit nicht unerheblichen Kosten anfertigen und diese Muster an Gerichtsstelle in Lörrach deponiren. Um die Ostermesse 1877 erschienen plötzlich ähnliche Maaren von geringerer Qualität auf dem Markte; ihr geringerer Preis erklärte sich aus der schlechteren Beschaffenheit des zu den Mustern verwendeten Baumwollenstoffes, sowie daraus, daß sie Nachbildungen der depo- nirten Muster enthielten. Von diesen Nachbil dungen erhielt die Firma K. L Co. dadurch Kenntnis, daß mehrere ihrer bisherigen Kunden dieselben zum Verkauf brachten. Diesen waren die Nachbildungen von dem Kattunfabrikanten Eugen Steinitz zu Berlin als eigene und selbst erfundene Muster zugesandt und pro Meter 18 Pf. billiger als die Originalwaaren verkauft worden. St. hatte die Nachbildungen nach Feststellung des ersten Richters in wenigstens 11 verschiedenen Mustern durch einen Muster zeichner in Mülhausen nach Proben von den Maaren der Handlung K. L Co. anfertigen lassen. St. bestritt seine Schuld, hielt vielmehr seine Nachbildungen für neu und eigenthümlich und sprach den Köchlin'schen Mustern diese Eigenschaft ab. Das Berliner Stadtgericht nahm indeß das Gegentheil an und verurtheilte Stei nitz unter gleichzeitiger Einziehung der in Be schlag genommenen Vorräthe von nachgeahmten Mustern zu 508 Mk. Geldstrafe, ev. 50 Tagen Gefängniß. In der Appellations-Instanz vor dem Kammergericht suchte der Vertheidiger dar- zuthun, alle Muster denen eine Grundidee, wie die Herstellung von Quadraten rc. zugrunde liege, würden stets eine große Familienähnlich keit haben. Die Firma K. habe gegen die Nachahmung ihrer Strichmuster Einspruch erho ben, und der erste Richter habe sie für geschä digt darin erachtet. Wenn diese Ansicht des Richters richtig wäre, so hätte die Firma K. im Jahre 1877 allein das Privileg gehabt, Strich muster gedachter Art auf den Markt zu bringen. Das sei aber gegen die Absicht des Gesetzgebers. Es seien auch im Jahre 1877 in Berlin massen haft Strichmuster auf den Markt gekommen. Es wurde die Vernehmung mehrer Directoren der Daunenberg'schen Kattunfabrik beantragt.