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— 122 — ' dieser Industrie nicht sehr gleichgültig sein könnte. — Sie bezieht ja fast ihre sämmtlichen Garne aus dem Jnlaude. Gerade Zephyrgarn- Spinnereien finden wir in Berlin und dessen Nähe so ausreichend, daß ein Bezug aus dem Auslands kaum uöthig erscheint. — Wir wollen hier nur darauf hindeuten, welche Berechtigung die Tapisserie-Industrie zu der Behauptung hat, die Färberei u. s. w. würden bei einer Er höhung des Zolles in Mitleidenschaft gezogen, und die Industrie selbst könnte sich bei höherem Zolle auf dem Weltmärkte nicht mehr erhalten. Die Meisten der Industriellen dieser Branche können überhaupt kaum Fabrikanten genannt werden. Es sind Kaufleute, welche Wolle ein kaufen, in hiesigen oder auswärtigen Färbereien — wo es gerade am billigsten möglich — fär ben lassen und schließlich den Handarbeiterinnen mit nach Hause geben, welche dann die gefertigten Artikel wieder zurückbringen. Ob man dies eigentlich Fabrikation nennen kann, ist doch zweifelhaft. Der Export unverarbeiteter gefärbter Wollen in das Ausland, besonders nach Amerika, war früher sehr bedeutend. Derselbe hat aber seit Einführung der hohen Zölle in Amerika, Ruß land u. s. w. gewaltig abgenommen; Fachkenner behaupten sogar, er sei dem Verschwinden nahe. Hier könnte sich die Wollenindustrie also trotz der so billigen Wollenpreise auf dem Weltmarkts nicht erhalten. Die Tapisserie-In dustrie hält sich dagegen auf dem Weltmärkte, aber sicher nicht der Wollenpreise wegen, sondern weil sie mit Factoren arbeitet, welche nirgends anders zu haben sind, als in Berlin. Zuerst sind durch die Ausdehnung der Leistungsfähig keit der Berliner Wollengarn-Färbereien die Herren in der Lage, Schattirungen anzubieten, welche alles andere weit hinter sich lassen. Die letzte Pariser Ausstellung hat erst gezeigt, daß selbst das gepriesene Frankreich der Berliner Schattirungs-Färberei nicht das Wasser reicht. Ein zweiter Factor sind die billigen Arbeits löhne. Bekanntlich werden die Tapisserie-Ar- beiten meist von Damen aus besseren Elasten angefertigt, welche, auf eine pecuniäre Beihülfe angewiesen, aber ihrer socialen Stellung wegen außer Staude, eine andere Beschäftigung anzu nehmen, Tapisserie-Arbeiten zu Preisen fertigen, für welche kein gewöhnlicher Arbeiter dieselben Herstellen würde. Diese beiden Factoren sicherten der Tapisserie- Industrie Berlins bisher die Herrschaft auf dem Weltmärkte, wurden von ihr aber nicht immer aufs beste belohnt. Die jetzige ungünstige Lage der Berliner Färbereien ist von diesen Herren in recht in telligenter Weise ausgenutzt worden, und ein Blick auf die Preiscourante der Berliner Fär bereien giebt ein Bild von dem Segen, welcher denselben aus ihrer Beihülfe entspringt, jene Berliner Industrie auf dem Weltmärkte zu erhalten. Die ungünstige sociale Lage derArbeiterinnen aus besseren Ständen wird von den Herren ebenfalls so gut benutzt, daß nirgends anders Jemand im Stande ist, Tapisserie- und ähn liche Arbeiten zu Berliner Preisen zu liefern. Es läßt sich unter diesen Umständen darüber streiten, ob jene Industrie auf die besondere Beihülfe der Negierung Anspruch machen darf. Werden nun andererseits die Berliner Ar beiterinnen und die Wollenfärbereien, welche, wie uns scheint, in gleich menschenfreundlicher Weise durch diese Industrie ausgenutzt werden, schlechter fahren, wenn ein mäßiger Zoll auf Wollenwaaren gelegt wird, der der einheimischen Wollenspinnerei ein Aufathmen unter dem bis herigen Drucke englischerSpinnereien gestattet? — Die zu Tapisserie-Arbeiten verwendeten Wollen werden fast gänzlich aus Deutschland bezogen; ausländische Fabrikate kommen wenig in Be tracht. Da nun bei Auflegung eines Schutz zolles die deutschen Spinnereien nicht daran denken werden, ihre Preise zu erhöhen, so bleiben die Preise der Wollengarne dieselben. Die Einfuhr gewisser gefärbter Wollen vom Aus lande hört aber dann vielleicht auf, was der hei mischen Färberei nur angenehm sein kann. Die Berliner Tapisserie-Artikel werden der schönen Farbeuschattirungen und der guten Handarbeit wegen gekauft. Wo macht man nun die .. z Schattirungen besser als in Berlin; wo wird