70 Gottlob Adolph Ernst von Nostitz nahetrat. Dieser Erstlingstat, die aus dem Kreise unserer Gesellschaft hervorging, folgte dann von anderer Seite eine lange Reihe anderer Versuche. Ganz gleichzeitig mit Tschirschky, wenn nicht sogar schon vor her, mutz sich nun auch Nostitz mit Byron beschäftigt haben: denn bereits in dem Bande seines Nachlasses, der die Gedichte der Jahre 1815/16 enthält, findet sich neben Scott ein Stück aus Byron übersetzt. So darf man vielleicht sogar die Vermutung aussprechen, datz die Anregung zu einer ersten deutschen Byron-Übersetzung von Nostitz ausgegangen sein kann. Seiner Verserzählung Irene gibt er 1818 ein Motto aus Byron (s. o. S. 66). Endlich 1820 läßt er eine englisch-deutsche Ausgabe des „E j a u r" und 1821 den ersten Gesang von Lbilcke Harolü's ? iIgriINage" folgen, beide bei Göschen in Leipzig erschienen. Vom Gjaur war bereits 1819 in Berlin eine Übersetzung erschienen, die Nostitz allerdings nicht kennt, so datz er sich für den ersten Übersetzer dieses Werkes hält, wie die Einleitung erweist. Das ist er aber in der Tat für den Childe Harold. Erst 1822 läßt Heinrich Heine ein paar kleine Stücke daraus erscheinen. Jedenfalls hat sich Nostitz unbestreitbare Verdienste um die Eindeutschung des genialen englischen Dichters er worben, dessen Wirkung auf die deutsche Literatur in der Folgezeit so groß werden sollte. Freilich, Nostitz liebt Byron nicht: dafür waren die beiden Charaktere gar zu verschieden — wenn man es überhaupt wagen darf, den liebenswürdigen Dilettanten mit dem gewaltigen Genius zu vergleichen. Auf der einen Seite der Staatsbeamte im Hofdienst, sorgsam, fast pedantisch, ein liebenswürdiger Freund und Gönner von Kunst und Wissenschaft, auf der anderen das alle Schranken der Ordnung, der Gesellschaft, der Sitte zerreißende ungezügelte Genie. Der Ejaur-llbersetzung fügt er eine englische Byron-Kritik in Über setzung bei, mit deren Urteil er sich ausdrücklich identifiziert. Auch er hält Byron für einen Verderber unserer sittlichen Natur, er mag sich in vollem Einverständnis befunden haben mit der englischen Aristokratie, die Byron aus ihren Reihen ausstietz. Aber bei seinem feinen Empfinden für die Dichtkunst hat er doch die imponierende Erötze dieses ungebändigten Genius, dieses Euphorion, geahnt und brachte ihm bei der Weite und Freiheit seines Denkens wenn auch nicht Liebe, so doch Verständnis und Bewunderung entgegen. Sehr sorgfältig hat er die metrischen Schwierigkeiten der Über setzung durchdacht, über die er sich in der Einleitung jeweils ausspricht, so z. B. über die notwendige freiere Nachbildung der Spenserstrophe des Childe Harold im Deutschen. Gern erweitert Nostitz noch die