Hätte es sich nicht um das Reich, sondern nur um Sachsen allein gehandelt, so wäre wohl dem König die zweite bittere Enttäuschung seines Lebens erspart geblieben, aber in seiner Stellung als Bundes fürst teilte er unverschuldet das Los des Reichsoberhauptes und der anderen deutschen Regenten. Ende Oktober hätte das in Sachsen noch niemand vorausgesehen. Die Umstellung zu einer parlamentarischen Monarchie schien ganz reibungslos zu verlaufen. Anfang November schufen jedoch die immer stürmischer geforderte Abdankung Wilhelms II. und die sich zu einer allumfassenden Auf standsbewegung im ganzen Reiche erweiternde Meuterei der Mann schaften der Hochseeflotte eine völlig neue Lage. Am 8. November war in Dresden noch alles ruhig. Am Nachmittag hatte der König nach seiner Gewohnheit eine Spazierfahrt in die Heide unternommen, von seiner Schwester, der Prinzessin Mathilde, begleitet. Bei seiner Rückkehr erhielt er die Alarmnachrichten aus München, wonach durch starke Unruhen der König von Bayern zur Flucht aus seiner Residenz gezwungen und in München die Republik ausgerufen worden war. Unmittelbar darauf rief der Monarch die Mitglieder des Gesamt ministeriums, den stellvertretenden Kommandierenden General des XII. Armeekorps, den stellvertretenden Stadtkommandanten und die Herren seiner unmittelbaren militärischen und zivilen Umgebung zu einer Besprechung der Lage ins Schloß, an der auch des Königs Bruder, Prinz Johann Georg, teilnahm. Alle, die bei dieser Aus sprache anwesend waren, lobten die vom König gezeigte ruhige Haltung, die fern jeder Nervosität oder Furcht seine sachliche Ver handlungsführung auszeichnete. Von allem Anfang an wurde in der Debatte der Standpunkt vertreten, daß etwaigen Unruhen gegen über ein Einsatz von Truppen zwecklos sei, einmal weil keine zu verlässigen Verbände zur Verfügung standen, zum andern weil die Zuspitzung der Lage im Reich und die sich ständig überstürzenden Ereignisse ein solches Eingreifen ohnedies nur als Aufschub einer nicht aufzuhaltenden Entwicklung erscheinen ließen. So erteilte man dem Monarchen den Rat, etwaigen unliebsamen Vorkommnissen, die bei der bestehenden Verhetzung der Massen durchaus möglich sein konnten, durch ein Verlassen der Residenz auszuweichen. Der König wies jede Gefährdung seiner persönlichen Sicherheit als unbegründet