SACHSEN — LAND UND VOLK Zum besseren Verständnis der Vorgänge und staatsrechtlichen Grund lagen erscheint es notwendig, in gedrängter Kürze etwas über die historische Vergangenheit des Landes sowie seine landschaftliche Gestaltung und seine Verfassung zu sagen. Mit stiller Wehmut aber auch berechtigtem Stolz kann der Sachse heute noch bekennen: „Ich hatte einst ein schönes Vaterland!“ Ja, dieses kleine Land, das man seit den Reichstagswahlen von 1903 gutmütig spottend gern das „rote Königreich“ nannte, war von der Natur reich gesegnet. Auf engem Raum fand man hier alle nur erdenklichen Landschaftsformen in geradezu überwältigender Fülle, Abwechslung und seltenem Reiz: hoch aufragende Berge an der süd lichen Grenze, weitausgedehnte fruchtbare Ebenen im Norden, stille wildreiche Wälder, verschwiegene Flußtäler mit steilen, schroffen Abhängen, auf denen Burgen aufgereiht waren, wie Perlen an einer Schnur, bizarre seltsame Felsgebilde, scheinbar unersteigbar, an denen geübte Bergsteiger Vorübungen für die Alpen machen konnten. In der Mitte des Landes lag eine Residenz am Ufer des breiten Stromes dahingebettet, die man mit Recht als eine der schönsten Städte Euro pas bezeichnete, ausgezeichnet durch Lage, einzig dastehende Bauten, Kunstschätze und eine Umgebung, wie man sie selten findet, wie jeder weiß, der sie einmal im Frühlingskleide besuchen durfte. Welch zauberhaften Anblick gewährte dann die Lößnitz im Schmuck der blühenden Obstbäume und an den sanftgeschwungenen Hängen gedieh sogar Wein. Dieser Garten Gottes wurde von einer fleißigen und genügsamen Bevölkerung bewohnt, die selbst aus dem kargen Boden des Gebirges noch Nutzen zu ziehen verstanden hatte. In den Tiefen der Berge ruhten gewaltige Schätze: blinkendes Silber, schwarzes Gold und vermehrten den Wohlstand des Landes, dessen Fürsten man mit Recht als die reichsten des Heiligen Römischen Reiches bezeichnete. Als dann die Silberquelle zu versiegen drohte, brachte die Erfindung