Die Stadt gab den Bauplatz in der Jochmannstraße und übernahm die laufenden Kosten der Einrichtung. Im Sommer 1905 begann man nach städtischen Plänen ein dreistöckiges Haus im Jugend stil zu errichten. Die ursprünglich vorgesehene Bauzeit wurde durch einen langandauern den Maurerstreik weit überschritten. Die fachliche Beratung des Magistrats für eine zweckmäßige, den Aufgaben entspre chende Bauweise und den ersten Ankauf von Büchern gab der damalige Direktor der Stadtbibliothek Berlin, Professor Dr. Gottlieb Fritz. Am 28. Februar 1907 fand die Einweihung der „Städtischen Volksbücherei und Lesehalle" statt. Oberbürgermeister Georg Snay eröffnete die Feierstunde und gab den Anwesenden unter anderem in folgenden Worten Sinn und Zweck dieser Einrichtung kund: „Die Volksbücherei und Lesehalle soll für .Angehörige aller 'Berufskreise und Stände ein Anziehungs- und Sammelpunkt, eine Stätte geistiger Bildung und Erholung werden. Jeder, welcher auf der Volksschule lesen und denken gelernt, soll ebenso wie der, welcher eine höhere Schulbildung genossen, oder durch eigenes Studium sieb fortgebildet hat, hier Gelegenheit finden, sein Wissen zu vertiefen, seine 'Kenntnisse und seinen Gesichtskreis zu erweitern. Dem in seinem Jache Strebsamen sollen hier die Wittel geboten werden, sein Können zu vervollkommnen. Nicht minder aber soll derjenige, welcher nach des Vages Last und .Arbeit sieb an den Schöpfungen unserer Dichter und Denker erfreuen oder über die Ereignisse des Vages unterrichten und einige Stunden in Wuße verbringen will, hier geistigen G et,u ß und Erholung, neue .Anregung für sein künftiges Vagewerk finden. Keich und mannigfach ist der Lesestoff, welcher hier geboten wird. Qegen 10 000 Bände schöner und belehrender Literatur sind für die Volksbücherei vorgesehen, eine stattliche Zahl von Zeitschriften und Jageblättern aller politischen Richtungen liegt in der Lesehalle aus. Bei der .Auswahl des Stoffes haben wir den Interessen und Bedürf nissen aller Berufsklassen und Stände Rechnung getragen und streng neutral gegenüber allen politischen, religiösen und wirtschaftlichen 'fragen bei der .Anschaffung eines Schriftwerkes nur seinen literarischen Wert entscheiden lassen ... So hoffen wir, daß auch die Lesehalle ein Quell der Bildung für unsere Bürger bedeutet und sie recht oft und zahlreich <ius ihm schöpfen werden . . .“ Eine Erwiderung auf die Rede nahm der Stifter des Hauses, Geheimer Kommerzienrat Otto Müller, vor. Dieser führte aus, wie ihm nach Bekanntwerden seiner Stiftung münd lich und schriftlich gesagt worden sei, eine Lesehalle für Görlitz sei unnötig, man habe viel wichtigere Dinge zu schaffen. Ein großer Teil der Bevölkerung von Görlitz jedoch begrüßte diese Einrichtung freudig und brachte ihre Dankbarkeit dafür in mannigfachen Schreiben zum Ausdruck. Eine Danksagung Otto Müllers an alle, die den Bau in einein halb Jahren schufen, schloß sich an. Humorvoll, unter heiterer Zustimmung der Festteilnehmer, schloß der Redner mit den Worten: „daß es wohl nicht der dümmste Streich gewesen, die Volksbücherei und Lese halle zu erbauen“. Im Laufe des Sommers 1907 wurde dann die Ausleihe eröffnet.