Volltext Seite (XML)
Die Heilige Geist-Kirche anderI^eißbrücke Was ist aus dein Neißhospital, der älteste« Stiftung in Görlitz, geworden? Das einzig bleibende ist der Wechsel, hat inan gesagt. Der Scköpfnng von 1769 folgten für Kircbe und Hospital wiederum viele Veränderungen, nnd sckon am Ende des ill. Jahrhunderts bietet fick uns ein ganz anderes Bild. Die Heilige-Geist-Kircbe ist wiederum nmgebant und bat eil» Türmchen mit einer Glocke be kommen. In ibrcm Rcittelban befindet sieb eine gut anSgestattete, wenn ancb einsacke Kircbe, zu der man von der Straße an der Brücke auf einer zweiarmigen Treppe, die von einem schmiedeeisernen Ge länder mnrabmt ist, anssteigt. Die Seiten entbalten ebenso Räume für die Bewobner des Hospitals, das natürlicb längst nicbt mehr ein Einkebrbans ist, wie das benacbbartc massive Gebäude. Aber es ist jetzt nickt mebr das Hospital allein und seine Heilige-Geist- Kircbe, die unsre Aufmerksamkeit erregt, sondern das Gesamtbild, das der eisernen Brücke von 1905 zuliebe für immer zerstört wurde! Ganz abgeseben von unsrer bockragenden Peterskircbe mit ihren srüberen Türmen fesselt unfern Blick im Vordergrund die alte be deckte Neißbrücke, die nock zu Anfang des vorigen Jahrhunderts so stand, bis nack der Scklackt bei Bautzen die Russen sie am 2Z. Ncai i8iz abbrannten, um Napoleon den Übergang über die Neiße zu ersckweren. Viel batte sie im Laufe der Zeiten durch Hochwasser, aber auch durch andres Ungemach zu leiden gehabt. Den» großen Brande von 1525 war auch sie zum Opfer gefallen und dann so wieder ansgcbant worden, wie sie unsre Bilder ans dem ill.Iahr- bundert zeigen (S..z, 7, 4.4). Trotzdem sie 1621 mit acht Personen, mit dem Oberteile, dem Ziegeldacke nnd einem Düngerwagen zusammen- gebrochen war, trotzdem i l>62 wiederum einige Zocke eingefallen waren nnd 1745 der Stnrm das Dack hecabgerissen hatte, baute man sie dock nack kurzer, nnbedeckter Ausgestaltung 1774 aufs neue in der liebgewordenen früheren Form mit Dach aus, die wir hier sehen. Nur wenige Brücken babcn ja bis beute diese alte Form gewabrt. Außer den beiden berübmten bedeckten und zum Teil im Dack be malten Brücken in Luzern, deren eine bezeicknenderweise seit dem Rcittelalter den Namen „Kapcllbrücke" trägt, finden sich solche in Deutschland nur noch vereinzelt, besonders inThüringen und Franken. Zur Rechten aus unserm Bilde erblicken wir nock den alten Spittel turm, in dessen Nähe lange Zeit Jakob Böbmc wohnte und wirkte, über der Brücke den Hotherturm, der heute noch an der Ecke der Hotberstraße und des Nikolaigrabens siebt, nur mit einem weit niedrigeren Kegeldache als früher, vor dec Peterskirche den Neiß- tnrm und links neben ihm das Waidhaus, währeud rechts binter dem Chor der Peterskircbe ciu Teil des Vogtshofes hervorschaut. Die linke Seite führt uns die heutige Uferstraße am Strande der Neiße vor, ivo in der Nähe des Ochseutores das zur Geißlcrscheu Tuch fabrik gehörige Wohnhaus in seiner einfachen patriarckalischen Form steht, und über ibm ein Rondell der Stadtmauer. Welck ein köstliches Bild, wie es kaum in auch mir äbnlicker Weise eine Stadt Deutschlands sckmückte! Wie müssen wir andre Städte beneiden, die solcke Juwelen von Stadtpoesie zn sckützen nnd zu er füllten wußten! Wie sckön bat Bantzen seine neue Brücke in das alte, präcktige Stadtbild hineingebant! — Wahrlich: cs konnte nichts Schlimmeres gesckehen, als um einer eisernen Bogenbrücke wegen dieses Stück Alt-Görlitz zu vernickten, ja nock dazu die Stätten ältester Görlitzer Geschichte — das Neißhospital —, und das Wohn haus des berübmten Görlitzer Theosopben Jakob Böhme restlos zu vertilgen! Das kostbarste Neue vermag so alten, ebrwürdigen Schmelz des Stadtbildes und der Erinnerungen nickt zu ersetzen! —