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Heiliges Grab Galburigskapelle In einiger Entfernung von der Kalvarienkapelle in Jerusalem, zwischen ihr und dem Heiligen Grabe, befindet sich der „Salbungs stein", der der Erinnerung an die Mutter Jes« dient, die hier in brennendem Scbmerze vor dem Lcickname des Sohnes gesessen haben soll. Auch in Görlitz erscheint an der entsprechenden Stelle dieser Salbungs stein. Aber der für sein Werk und dessen Beziehungen zu den beiligen Stätten Jerusalems begeisterte Emerieb vermochte wobl in der An bringung eines bloßen Steines nickt die Gewähr dafür zu erblicken, daß er von den Görlitzer Besuchern als das beachtet und verehrt werden würde, was er bedeutet. Zwar blieb der Stein an seiner be deutungsvollen Stelle, aber die dem tiefen Ginne der Stiftung hin gegebenen Gedanken ließen wohl ein Bild ans dem Steine lebendig werden, das der Stifter für die Andacht seiner Görlitzer Mitbürger znr dauernden Erscheinung bringen wollte. So mag sein Auftrag au deu Bildhauer zustande gekommen sein. Wer war dieser Künstler, möchten wir fragen. Hans Olmützer hat vorher oder nachher ans Emericks Bestellung die Grablegnngs- grnppe in der Barbara-Kapelle geschaffen (S. 22), und es lag nahe, in ihm auch hier den Schöpfer des in Stofs und Stimmung eng ver wandten Bildwerkes zu sehen. Man darf mit großer Wahrscheinlichkeit annehnien, daß diese Vcr- mntttng das Nichtige trifft. Die außerordentlich geschickte Kom position der beiden Figuren nach der Horizontale und Vertikale wie bei der sigurenreicken Gruppe der Dreisaltigkeitskircke, die ganz ähnliche Gestaltung der Gewandfalten der Maria und des Lenden schurzes, sa die Gleichheit der Dornenkrone bei beiden Werken, be stätigen sicherlich das Gesagte. Wir müssen ferner betonen, daß der Ausdruck der Schmerzensmutter und die ganze Modellierung ihres Angesichtes eine derartige Höhe des Könnens ausweist, wie sie in ihrer eindrucksvollen Feinheit weit über die Kunstsprache der andern Gruppe hinansgeht. Setzen wir noch die seelisch bewegte Haltung der Ncaria in Gegensatz zu dem Körper Christi, der nickt nur einen gut mo dellierten Menschen, sondern in jedem kleinsten Gliedc, in der lang gestreckten Starrheit des Leibes mit Arm und Bein, besonders aber in der totenhasten Stellung des Hauptes den Leichnam kündet, be trachten wir das Angesicht des Toten in seiner ruhigen Verklärung mit dem sanft geöffneten Munde, der, erhaben über jeden Schmerz, noch einen letzter» Gegen ans den Lippen zu haben scheint, so können wir nur der Ansicht Ausdruck geben, daß wir es hier mit dem Besten zu tun haben, was ein Künstler des endenden 15. Jahrhunderts in Görlitz geschaffen hat. Warm» sollte das nickt Hans Olmützer sein? Die Umschrift desSalbungSsteines gibt uns weiteren Ausschluß nicht. Sie lautet: „OmnterlDei, miserere inei,oD68ti Linkte pi-opicius 68to: O Mutter Gottes, erbarme dick mein, 0 Jesus Christus, sei mir gnädig." Freilick ist sie in gleicher Weise angebracht wie die an der Grablegungsgrnppe: dort in fein gegründeter Form an einem für die Kircke bestimmten Altarwerk, hier an einem Steine, der den Ein druck des Zufälligen erwecken soll, eines Steines, der im Freien lag am Schmerzenswege Marias mit ihrem Sohne. Auch das hat der Künstler bedacht. Die ergreifende wertvolle Gruppe wurde im 18. Jahrhundert durch ei« treffliches sckmiedeeiserues Gitter uack außeu abgeschlossen, und wenn wir mit einigem Befremden ans das unvorteilhaft wirkende Ge häuse sehen, so müssen wir uns sagen, daß dieses eben in keiner Weise weder zu dem Salbungsstein, noch zur Gruppe gehört, sondern nichts bezweckt als den Schutz vor der Witterung. Eine stilvolle Kapelle würde vielleicht etwas Falsches in die nun einmal gegebene Nach bildung in ihrem Zusammenhänge hineintragen, wie dies Bibel sprüche moderner Form in einem dem 11. Jahrhundert entsprechenden Gebäude tun.